Heftige Kritik an Moskau nach erneuter Getreide-Blockade
Heftige Kritik an Moskau nach erneuter Getreide-Blockade
(dpa) Mit der Aussetzung des internationalen Abkommens zum Export von Getreide aus der Ukraine übers Schwarze Meer hat Russland neue Empörung auf sich gezogen. Westliche Regierungen appellierten am Sonntag an Präsident Wladimir Putin, die Verpflichtungen aus der im Sommer geschlossenen Übereinkunft einzuhalten. Die Ukraine und die USA warfen Moskau vor, Hunger als Waffe zu instrumentalisieren. Die Vereinten Nationen sehen noch Hoffnung, das Abkommen zu retten. Ein UN-Sprecher in New York sagte, man stehe mit Russland „in Kontakt“. Das Abkommen soll Millionen Menschen weltweit Zugang zu Brot und anderer Nahrung sichern.
Russland hatte seine Zustimmung zu den Exporten am Samstag „auf unbestimmte Zeit“ ausgesetzt. Moskau begründete dies mit ukrainischen Drohnenangriffen auf seine Schwarzmeerflotte auf der Halbinsel Krim, die Moskau seit 2014 völkerrechtswidrig annektiert hat. Den Angaben nach wurden bei dem Angriff in Sewastopol am Samstagmorgen das Minenräumboot „Iwan Golubez“ und einige Hafenanlagen beschädigt. Videoaufnahmen, die angeblich den Angriff zeigen, legten aber nahe, dass noch mehr Schiffe getroffen worden sein könnten.
Millionen Tonnen Getreide für den Weltmarkt
Über die Aussetzung des Abkommens informierte Russland offiziell UN-Generalsekretär António Guterres. Wegen Drohnenangriffen auf russische Schiffe aus dem geschützten Korridor im Schwarzen Meer könne Russland „die Sicherheit von zivilen Schiffen, die im Rahmen der oben genannten Initiative reisen, nicht garantieren“, schrieb der UN-Botschafter Wassili Nebensja. Kiew hält dies für einen Vorwand.
Das im Juli unter Vermittlung der Türkei und der UN vereinbarte Abkommen hatte die monatelange Blockade der ukrainischen Getreideausfuhren infolge des russischen Angriffskriegs beendet. Zum 24. Oktober registrierte das Koordinierungszentrum in Istanbul die Fahrt von 383 Schiffen mit mehr als 8,6 Millionen Tonnen Getreide und anderen Lebensmitteln. Nicht nur für die Ernährung in vielen anderen Ländern ist dies von Bedeutung - auch für den Haushalt der Ukraine. Aus den Milliardeneinnahmen sollten letztlich auch die ukrainischen Bauern wieder eine neue Saat ausbringen können.
Ursprünglich sollte das Abkommen am 19. November auslaufen - wäre aber, wenn keine Seite widersprochen hätte, automatisch verlängert werden. Moskau hatte das Abkommen zuletzt immer wieder kritisiert, weil es sich infolge der Sanktionen des Westens bei den eigenen Getreide- und Düngemittelexporten ausgebremst sieht.
Kiew skeptisch gegenüber Moskaus Verhandlungsangebot
Moskau verschärfe mit seinem Handeln den Hunger in der Welt, sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Schon seit September verzögere Russland die gemeinsamen Kontrollen von Schiffen vor der Durchfahrt durch den Bosporus. Dort steckten 176 Schiffe mit etwa zwei Millionen Tonnen Getreide im Stau. Am Sonntag fuhr erstmals seit Wiederaufnahme der Transporte im August kein einziges Schiff mehr ab.
Unterdessen bekräftigte Russlands Außenminister Sergej Lawrow erneut ein Angebot von Präsident Putin zu Verhandlungen mit der Ukraine. Kiew nannte nun einen vollständigen russischen Truppenabzug als Voraussetzung dafür. „Der einzige realistische Vorschlag sollte die sofortige Beendigung des russischen Krieges gegen die Ukraine sein und der Abzug der russischen Streitkräfte von ukrainischem Gebiet“, sagte der Sprecher des Außenministeriums in Kiew, Oleh Nikolenko. Ungeachtet der seit mehr als acht Monaten andauernden Kämpfe tauschten beide Seiten erneut jeweils 50 Kriegsgefangene aus. Damit seien seit Kriegsbeginn mehr als 1.000 ukrainische Gefangene heimgeholt worden, sagte Selenskyj.
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