Klimagipfel dreht Extrarunde, Luxemburg mit Vorstoß gegen Atomkraft
Klimagipfel dreht Extrarunde, Luxemburg mit Vorstoß gegen Atomkraft
(dpa/mer) - Verlängerung bei der UN-Klimakonferenz in Glasgow: Erst frühestens an diesem Samstagnachmittag ist mit einem Abschluss zu rechnen. Dies teilte die Beraterin der britischen COP-Präsidentschaft, Camilla Born, auf Twitter mit. Stundenlange Debatten über ein weltweites Stoppsignal für die Kohle und über mehr Hilfszahlungen an arme Länder hatten den Abschluss des Gipfels ausgebremst. Geplantes Ende war Freitagabend.
„Es ist im Moment noch spannend“, sagte Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng) am Freitagabend dem „Luxemburger Wort“. „Ich sehe eine große Bereitschaft, dass wir hier zu Lösungen kommen.“ Zusammen mit den EU-Partnern gehe es nun darum, alles dafür zu tun, dass es eine möglichst weitreichende Abschlusserklärung gibt.
Kurz vor dem Ende der zweiwöchigen Klimakonferenz mit rund 40.000 Teilnehmern hatte Luxemburg gemeinsam mit Deutschland, Dänemark, Österreich und Portugal einen Vorstoß gegen die Atomenergie unternommen. Die Umweltministerinnen und -minister der Länder stellten eine gemeinsame Erklärung der fünf Staaten vor, die sich gegen Forderungen anderer EU-Staaten richtet, Atomkraft als umweltfreundliche Energie einzustufen.
Freiwilligkeit bei Atomkraft
Dieschbourg sagte bei dem Termin am Donnerstag, die „Hochrisikotechnologie“ Atomkraft könne nicht als grün oder nachhaltig eingestuft werden. Sie sei nicht nur zu riskant, sondern werde auch viel zu langsam und zu viel zu hohen Kosten entwickelt: „Atomkraft ist wirklich im Vergleich zu Erneuerbaren extrem teuer“, so die Ministerin.
In der Erklärung wird zugleich jedoch betont, dass jedes EU-Land weiter souverän entscheiden könne, ob es auf Atomkraft setze oder nicht. Auch Premierminister Xavier Bettel (DP) hatte in der ersten Gipfelwoche bei seiner Rede hervorgehoben, dass die Kernenergie keine Lösung für die Klimakrise sei, da sie weder „eine sichere noch eine nachhaltige Option“ darstelle.
Hintergrund sind laufende Arbeiten der EU-Kommission an einem Klassifizierungssystem für nachhaltige Investitionen. Damit sollen Anleger klare Vorgaben bekommen, welche Investitionen als klimafreundlich gelten - die Kennzeichnung bietet also enorme finanzielle Vorteile. In Brüssel kursierte jüngst ein Papier mit Forderungen, Kernkraft und Gas in die Taxonomie aufzunehmen. Es stammt nach Angaben von französischen Diplomaten, wird aber auch von etlichen anderen Ländern wie Polen und Tschechien unterstützt.
Ich sehe eine große Bereitschaft, dass wir hier zu Lösungen kommen.
Umweltministerin Carole Dieschbourg (Déi Gréng)
Laut der zuständigen EU-Finanzkommissarin Mairead McGuinness soll die Entscheidung zur Einstufung von Atom und Gas bis Jahresende fallen. Die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament haben dann zwei Monate Zeit, Einwände zu erheben - sonst tritt die Taxonomie in Kraft.
Kerry mahnt stärkere Anstrengungen an
Am Rande der Klimakonferenz demonstrierten am Freitag Tausende Aktivisten, um den Druck für eine ambitionierte Abschlusserklärung zu erhöhen. Sie forderten eine klare Ansage dazu, wie das zentrale Ziel einer Begrenzung des Zuwachses der Erderhitzung bei 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit zu erreichen ist. Der ursprüngliche Entwurf eines Abschlusstextes drängt die Staaten dazu, bis Ende 2022 konkrete Fahrpläne vorzulegen.
Einige Staaten haben jedoch bislang überhaupt keinen Maßnahmenkatalog vorlegt und wollen sich nicht drängeln lassen. In dem Entwurf wurden die Staaten zudem aufgefordert, die Finanzhilfen für ärmere Länder zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels bis 2025 zu verdoppeln im Vergleich zu jetzt. Derzeit fließen dafür weltweit rund 17,5 Milliarden Euro, diese müssten auf 40 Milliarden aufgestockt werden.
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Der US-Klimabeauftragte John Kerry beschwor die Staaten, ihren Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase noch in diesem Jahrzehnt drastisch zu drosseln. Die Wissenschaft sage klar, dass die Emissionen bis 2030 um 45 Prozent sinken müssen, um das 1,5-Grad-Ziel noch zu erreichen. „Um die schlimmsten Folgen der Klimakrise abzuwenden, müssen wir jetzt handeln“, sagte er vor dem Plenum. Schnelles Handeln sei eine existenzielle Frage, betonte er.
„Menschen sterben, schon heute.“ Und überall auf der Welt seien die Folgen des Klimawandels zu spüren. Kerry räumte zugleich ein, dass die großen Wirtschaftsnationen der G20 im Kampf gegen die Klimakrise die Hauptverantwortung tragen, weil sie 80 Prozent der Treibhausgase ausstoßen. Diese Verantwortung nähmen die USA an.
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