Evakuierung aus Kabul hat begonnen, Landeverbot aufgehoben
Evakuierung aus Kabul hat begonnen, Landeverbot aufgehoben
(dpa/jwi) - Nach der Übernahme Kabuls durch die militant-islamistischen Taliban spielen sich dramatische Szenen am Flughafen der afghanischen Hauptstadt ab. Hunderte Menschen sind seit Sonntag zum Flughafen gefahren und versuchen, auf Flüge zu kommen, wie in sozialen Medien geteilte Videos und Bilder zeigen.
Laut Medienbericht haben die Taliban den zivilen Bereich des Flughafens erobert. Auf dem militärischen Teil gehe die Evakuierungsmaßnahmen indes weiter, nachdem der Flughafen bis 23 Uhr für Flugzeuge gesperrt worden war, da die Menschen die Landebahnen blockierten.
Das erste Militärflugzeug der deutschen Bundeswehr für den Evakuierungseinsatz in Afghanistan ist nach stundenlanger Verzögerung unter schwierigen Bedingungen auf dem Flughafen Kabul gelandet. Die Maschine vom Typ A400M war zuvor fünf Stunden lang über dem Flughafen gekreist, der wegen chaotischer Zustände auf dem Rollfeld vorübergehend gesperrt war, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Militärkreisen erfuhr. Das Benzin hätte nicht mehr lange gereicht. Zuvor hatte bereits eine andere Transportmaschine der Bundeswehr den Anflug auf Kabul abbrechen und zum Nachtanken ins usbekische Taschkent fliegen müssen.
Die beiden Flugzeuge sollen deutsche Staatsbürger und afghanische Ortskräfte, die früher für die Bundeswehr oder Bundesministerien gearbeitet haben oder noch arbeiten, zunächst nach Taschkent ausfliegen. Von dem dortigen Drehkreuz soll es dann mit einer Chartermaschine weiter nach Deutschland gehen. Die beiden Maschinen waren am Morgen vom niedersächsischen Wunstorf Richtung Kabul gestartet und in Baku in Aserbaidschan zwischengelandet.
Die deutsche Botschaft warnte auf Twitter sogar davor, zum Flughafen ohne Aufforderung zu fahren. Dies könne gefährlich sein.
Menschen fallen von fliegendem Militärflugzeug
Menschen kletterten über Drehleitern, um in ein Flugzeug zu kommen. Auch Afghanen, die nicht einmal Reisepässe hätten, würden ihr Glück versuchen, sagten Bewohner von Kabul.
Einige Hundert Menschen schafften es noch rechtzeitig in die Maschine der amerikanischen USAF, wie Bilder auf Twitter zeigen:
Es gab zudem am Sonntag erste noch unbestätigte Berichte, dass Menschen am Flughafen zu Tode gekommen seien. Davor hatte es Berichte gegeben, US-Soldaten, die den Flughafen absichern, würden Warnschüsse abgeben. Am Montagabend war die Rede von sieben Toten am Airport in Kabul.
In sozialen Medien geteilte Videos, die zeigen sollen, wie Menschen aus beträchtlicher Höhe von einem Militärflugzeug fallen, sorgen derweil für Entsetzen. Es wurde gemutmaßt, dass die Menschen sich im Bereich der Flugzeugräder der Militärmaschine versteckt hatten.
Ein Mann, der in der Nähe des Flughafens lebt, schrieb der Deutschen Presse-Agentur auf Facebook, auf einem benachbarten Dach sei eine dieser Personen gelandet. Es habe gekracht, als habe es eine Explosion gegeben, schrieb der Mann. Er teilte Bilder und Videos der Leiche und sagte noch drei weitere Männer seien in der Nachbarschaft gefunden worden.
Die Fluglinie Emirates hat die Flüge nach Kabul eingestellt, wie aus einer Mitteilung auf der Website der Fluglinie von der Nacht zu Montag hervorgeht. Der Flughafen Kabul habe laut lokalen Medien eine Mitteilung herausgegeben, derzufolge keine kommerziellen Flüge mehr stattfänden. In der Mitteilung würden die Menschen aufgerufen, nicht zum Flughafen zu kommen.
US-Militär soll Flughafen für Evakuierung sichern
Die US-Truppen am Flughafen Kabul müssen nach Angaben des Weißen Hauses zunächst Ordnung und Sicherheit wieder herstellen, bevor es ab Dienstag erneut Evakuierungsflüge geben kann. Die Landebahn des Flughafens sei durch die Flüchtenden blockiert und dadurch die Landeerlaubnis für die Evakuierungsmaschinen in Gefahr, heißt es.
Die Soldatinnen und Soldaten würden „den Großteil des restlichen Tages“ damit verbringen, die Lage am Flughafen wieder unter Kontrolle zu bringen, sagte US-Präsident Joe Bidens stellvertretender nationaler Sicherheitsberater Jon Finer am Montag dem TV-Sender MSNBC. Im Laufe des Tages und am Dienstag würden noch mehr US-Truppen am Flughafen ankommen, sagte Finer.
Damit werde es „genügend Truppen geben, um die Sicherheit des Flughafens zu gewährleisten, damit es wieder Evakuierungsflüge für Zivilisten“ geben könne, erklärte Finer weiter. Die US-Streitkräfte wollen in Kürze bis zu 5.000 Soldaten am Flughafen stationiert haben. Ein Teil der Verstärkung ist schon vor Ort. Sie unterstützen die rund 1.000 US-Soldaten, die bis Anfang letzter Woche noch zur Sicherung der Botschaft und des Flughafens in Afghanistan geblieben waren.
US-Kommandeur traf Taliban-Führung
Der Kommandeur der US-Truppen im Nahen Osten, Kenneth McKenzie, hat sich nach Angaben des Verteidigungsministeriums im Emirat Katar mit der Taliban-Führung getroffen. McKenzie habe bei dem Gespräch klargemacht, dass ein Angriff auf die US-Truppen oder den Einsatz am Flughafen Kabul eine „schnelle und sehr schlagkräftige Antwort“ des US-Militärs nach sich ziehen würde, sagte der Sprecher des Pentagons, John Kirby, am Montag.
Er habe eine „sehr klare und eindeutige Warnung“ ausgesprochen, fügte Kirby hinzu. Er machte keine genauen Angaben zum Zeitpunkt des Gesprächs und zu den Teilnehmern.
Belgien will vier Flieger nach Afghanistan schicken
Das belgische Verteidigungsministerium hat angekündigt, vier Flugzeuge nach Afghanistan zu schicken, um sich an der Evakuierung von Menschen auf dem Flughafen Kabul zu beteiligen. Das geht aus Angaben der zuständigen Ministerin Ludivine Dedonder hervor, wie die Nachrichtenagentur Belga am Montag berichtete.
Afghanische Dolmetscher und andere Menschen, die für belgische Interessen gearbeitet hätten, könnten sich bei den belgischen Behörden melden, hieß es. Da diese Menschen häufig auch bei anderen Nationen beschäftigt gewesen seien, werde es auch die Möglichkeit geben, ein Visum für ein anderes Land zu beantragen.
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