EU-Parlament stoppt Macrons Kandidatin für EU-Kommission
EU-Parlament stoppt Macrons Kandidatin für EU-Kommission
(dpa) - Frankreichs Präsident Emmanuel Macron muss eine neue Kandidatin für die EU-Kommission von Ursula von der Leyen nominieren. Macrons ursprüngliche Kandidatin Sylvie Goulard bekam am Donnerstag bei einer Abstimmung der zuständigen Ausschussmitglieder des Europaparlaments nicht die erforderliche Mehrheit. Nach Angaben aus dem Parlament stimmten lediglich 29 Abgeordnete für sie, aber 82 gegen sie.
Grund für die Ablehnung waren unter anderem noch laufende Ermittlungen gegen Goulard zu einer Affäre um Scheinbeschäftigung sowie eine mehrjährige hoch dotierte Beratertätigkeit für die Denkfabrik eines Privatinvestors. Wegen der Affäre um Scheinbeschäftigung war Goulard 2017 als französische Verteidigungsministerin zurückgetreten.
Macron und die künftige EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen müssen sich nun auf einen anderen Kandidaten verständigen. Eigentlich soll die neue EU-Kommission bereits am 1. November ihre Arbeit aufnehmen.
Sylvie Goulard schrieb nach der Abfuhr im Europaparlament auf Twitter, sie werde das Ergebnis im Respekt der Demokratie akzeptieren. Sie bedankte sich bei der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und den EU-Abgeordneten, die für sie gestimmt hatten.
Zu der Abstimmung kam es am Donnerstagmittag nach einer weiteren eineinhalbstündigen Anhörung von Goulard. Die 54-jährige Französin hatte dabei erfolglos versucht, Zweifel an ihrer Integrität auszuräumen. Die für Goulard schwierigste Frage war, warum sie als französische Verteidigungsministerin zurücktrat, nun aber denkt, EU-Kommissarin sein zu können. Offensichtlich sei Goulard der Ansicht, dass für EU-Kommissare nicht dieselben Standards gelten sollten wie für französische Minister, kritisierte die dänische Abgeordnete Pernille Weiss (EVP) zum Abschluss der Sitzung.
Goulard hatte zuvor erklärt, dass es in Frankreich üblich sei, bei Ermittlungen zurückzutreten - es diese Tradition aber auf EU-Ebene nicht gebe. Zudem verwies sie auf das Prinzip der Unschuldsvermutung und die Unterstützung der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für ihre Kandidatur. Zudem betonte sie, dass es bislang kein Anklageverfahren gebe.
Goulard ist die erste Kandidatin für die EU-Kommission von Ursula von der Leyen, die nach Anhörungen im Parlament nicht die notwendige Zustimmung bekommt. Noch vor den Anhörungen hatte der Rechtsausschuss des EU-Parlaments allerdings gegen die Kandidaten aus Ungarn und Rumänien wegen grundsätzlicher Interessenskonflikte ein Veto eingelegt.
Reaktionen aus Frankreich
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für das Scheitern seiner Kandidatin verantwortlich gemacht.
Er habe von der Leyen auf die laufenden Ermittlungen gegen Sylvie Goulard in der Scheinbeschäftigungsaffäre hingewiesen, diese habe sich aber dennoch für Goulard als Mitglied ihres Teams entschieden, sagte Macron am Donnerstag in Lyon.
Von der Leyen habe ihm versichert, dass sie die Zustimmung der drei großen Fraktionen im EU-Parlament für Goulard für den Spitzenposten in der EU-Kommission erhalten habe. Er habe ihr zuvor sogar insgesamt drei Namen für den Posten vorgeschlagen, so Macron.
Paris hat die Ablehnung der designierten EU-Binnenmarktkommissarin Sylvie Goulard durch das Europaparlament als „politisches Spiel“ bezeichnet. Goulards Kompetenz und europäisches Engagement stünden nicht infrage, hieß es am Donnerstag aus dem Élyséepalast. Das negative Votum werde zur Kenntnis genommen.
Staatschef Emmanuel Macron stehe nun mit der designierten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Austausch, um über das weitere Vorgehen zu entscheiden.
Die designierte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat nach dem Scheitern der französischen Kandidatin Sylvie Goulard für ihr Kommissionsteam zur Besonnenheit aufgerufen. „Wir gehen durch ein demokratisches und transparentes Verfahren“, sagte die CDU-Politikern am Donnerstag in Brüssel. Von den 26 Kandidatinnen und Kandidaten, die ihr aus den Mitgliedstaaten vorgeschlagen wurden, seien immerhin 23 akzeptiert worden. Man dürfe nun nicht vergessen, worum es „in einem größeren Sinn“ gehe.
„Es geht um die nächsten fünf Jahre für Europa, die entscheidend sein werden in einem schwierigen weltweiten Umfeld“, erklärte von der Leyen. „Europa muss mit der Situation um den Brexit umgehen, mit Handelsfragen und Konflikten in der direkten Nachbarschaft.“ Zudem gehe es auch um große Herausforderungen wie Klima, Digitalisierung und Migration.
