Erstmals ein israelischer Regierungschef vor Gericht
Erstmals ein israelischer Regierungschef vor Gericht
(dpa) - Zum ersten Mal in Israels Geschichte steht ein amtierender Ministerpräsident vor Gericht. Zum Auftakt des Aufsehen erregenden Korruptionsprozesses muss Benjamin Netanjahu (70) am Sonntagnachmittag persönlich vor den drei Richtern des Jerusalemer Bezirksgerichts erscheinen. Am ersten Prozesstag soll zunächst die Anklageschrift verlesen werden. Es geht um drei Fälle.
Die Staatsanwaltschaft wirft Netanjahu Betrug, Untreue und Bestechlichkeit vor. Mit ihm sind weitere Personen angeklagt. Drei Kronzeugen - ehemalige enge Mitarbeiter - sollen gegen Netanjahu aussagen. Der Regierungschef streitet alle Vorwürfe ab.
Erst am Sonntag neu vereidigt
Netanjahu ist Israels am längsten amtierender Ministerpräsident. Er war erst vergangenen Sonntag erneut vereidigt worden. Seine fünfte Amtszeit ist wegen des Korruptionsprozesses äußerst umstritten. Kritiker befürchten, er könne versuchen, eine Verurteilung durch eine systematische Schwächung des Justizsystems und über Gesetzesänderungen zu verhindern.
Zurücktreten müsste Netanjahu erst im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung. Bis dahin könnten aber mehrere Jahre vergehen. Sollte er wegen Bestechlichkeit verurteilt werden, drohen Netanjahu bis zu zehn Jahre Haft. Im Falle einer Verurteilung wegen Betrugs und Untreue wäre die Höchststrafe drei Jahre Gefängnis.
Noch nie dagewesener Fall
Der Juraprofessor Juval Schani vom Israelischen Demokratie-Institut (IDI) sagt zu Netanjahus Anklage: „Es ist wirklich ein noch nie dagewesener Fall in Israel, dass ein amtierender Regierungschef vor Gericht steht.“ Das Bild Netanjahus vor Gericht werde starke Symbolkraft haben, glaubt er.
Zwar seien schon Haftstrafen gegen Ex-Regierungschef Ehud Olmert und den früheren Präsidenten Mosche Katzav verhängt worden, aber diese hätten ihr Amt jeweils noch vor der Anklage niedergelegt. „Nun haben wir diese außergewöhnliche Situation, in der Netanjahu sich weigert zurückzutreten und die Wählerschaft sich damit abgefunden hat, dass ihm der Prozess gemacht wird, während er regiert“, sagt Schani.
Positive Berichte und teure Geschenke
Der Ministerpräsident wird verdächtigt, als Kommunikationsminister dem Telekom-Riesen Bezeq Vergünstigungen gewährt zu haben. Mit dem Mehrheitsaktionär Schaul Elovitsch hat Netanjahu laut der Anklage eine Korruptionsbeziehung von „Geben und Nehmen“ geführt und diesem Profite in Höhe von 1,8 Milliarden Schekel (473 Millionen Euro) ermöglicht. Im Gegenzug soll das zum Konzern gehörende Medium „Walla“ positiv über Netanjahu berichtet haben. In diesem Fall geht der Generalstaatsanwalt von Bestechlichkeit sowie von Betrug und Untreue aus.
Außerdem wird Netanjahu verdächtigt, von befreundeten Milliardären Luxusgeschenke im Wert von rund 700.000 Schekel (184.000 Euro) angenommen zu haben - Schmuck, Zigarren und rosa Champagner.
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