Erleichterung und Zweifel nach Wahlsieg Macrons
Erleichterung und Zweifel nach Wahlsieg Macrons
(jag/dpa) - Erleichterung, aber auch viele Fragen was die künftigen Herausforderungen und die tatsächliche Macht dieses Politikers betreffen, dies sind die Kernpunkte der Analysen in der internationalen Presse. Der britische "The Independent" verweist auf die viel zu aggressiv und negativ geführte Kampagne Le Pens die letztendlich zur Niederlage führte. Frankreich habe sie klar in die Schranken verwiesen. Mit dem europafreundlichen Macron sieht die britische Zeitung aber auch dunkle Wolken über Großbritannien ziehen. Die Brüsseler Haltung in den Brexit-Gesprächen würde nun zunehmend bitterer werden.
Populistische Welle gebrochen
Der Trump'sche Populismus scheint seinen Höhepunkt überschritten zu haben, schreibt die britische "The Times". Nach der Niederlage von Geert Wilders sei es innerhalb von ein paar Monaten die zweite Abfuhr für einen nationalistischen Populisten. Jedoch muss Macron dem französischen Volk nun zeigen, dass er die Alternative ist, auf die es gewartet hat. Gelingt ihm das nicht, steht Marine Le Pen - oder vielleicht auch ein anderer Le Pen - bereit.“
Laut der niederländischen Zeitung „De Telegraaf“ hat Macron mit seinem Sieg ein drohendes akutes Problem für die EU aus dem Weg geschafft. Die von Le Pen vorgeschlagenen Maßnahmen hätten Europa erheblich geschwächt. Sollte er es fertig bringen, seine Wirtschaftsreformen durchzusetzen und Frankreich zu stärken, könnte ganz Europa davon profitieren.
Auch der belgische "De Standaard" freut sich über eine Rückbesinnung auf europäische Werte. Die EU kann aufatmen, die populistische Woge scheint vorerst gestoppt. Es besteht die Chance, die europäische Union trotz des tragischen Brexit-Referendums wieder in die richtige Spur zu bringen.
Ähnliches Echo in der liberalen schwedischen Tageszeitung „Dagens Nyheter“. Demnach habe Le Pens reaktionäres und protektionistisches Modell zur Niederlage geführt, was für die Gesundheit der Union notwendig war. Es war möglich, die populistische Welle zu stoppen. Offenheit und Toleranz haben zum Glück einen engstirnigen Nationalismus besiegt.
Welche politische Stärke?
Neben den wirtschaftlichen Aspekten steht aber auch die Frage nach der politischen Stärke Macrons und dem Zusammenhalt der Gesellschaft im Vordergrund. So stellt der Schweizer "Tagesanzeiger" fest, dass Macron unbedingt Koalitionen brauche. Eine einfache Mehrheit bringe ihm nichts, das hätten Hollande und Sarkozy bewiesen. Gegen den Willen der Gewerkschaften lasse sich Politik in Frankreich nicht durchsetzen. Wie es geht, habe Gerhard Schröder in Deutschland gezeigt: weniger Sozialleistungen mit der Gießkanne, dafür echte Anreize und Arbeitsplätze schaffen.
Die Vernunft siegt im Land Descartes, schreibt "Die Neue Zürcher Zeitung". Allerdings starte Macron als schwacher Präsident, aus persönlichen wie aus institutionellen Gründen. Macrons Zielsetzungen und Überzeugungen schienen merkwürdig unbestimmt – hat er überhaupt solche, möge man sich fragen. Viele Bürger hätten ihn nicht gewählt, weil er sie mit seiner Person und seinem Programm habe gewinnen können, sondern, weil sie die Gegenkandidatin ablehnten. Zu erwarten sei jetzt viel taktisches Lavieren, um überhaupt regieren zu können.
Der Sieg von Emmanuel Macron bei der französischen Präsidentschaftswahl sei dramatisch und beeindruckend, doch vor ihm lägen nun beträchtliche Herausforderungen, meint die US-Zeitung „The New York Times“.
„Die entschiedene Wahl von Emmanuel Macron (...) zum Präsidenten Frankreichs ist eine mächtige Erleichterung für jeden, der Angst gehabt hatte, dass Frankreich das nächste Land werden könnte, das der durch westliche Demokratien schwappenden Welle von Populismus, Nationalismus und Anti-Globalisierung erliegen könnte. Doch so dramatisch und eindrucksvoll sein Sieg ist - vor Herrn Macron liegen beträchtliche Herausforderungen. Er übernimmt eine tief gespaltene Nation (...)"
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