Einigung mit Großbritannien steht
Einigung mit Großbritannien steht
(dpa/LW) - Die Verhandlungen über einen britischen Sonderweg in der EU haben die Europäische Union vor eine Zerreißprobe gestellt. Führende Staatschefs machten jedoch deutlich, dass ein Scheitern unter allen Umständen verhindert werden müsse.
Gegen 22.00 Uhr sickerte die Meldung durch, Gipfelpräsident Donald Tusk und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hätten einen "endgültigen" Kompromissvorschlag vorgelegt. Die Staats- und Regierungschefs berieten am späten Abend noch über den Text. Dies berichteten Diplomaten am Rande des Gipfels. Die litauische Staatspräsidentin Dalia Grybauskaite twitterte auch in diese Richtung.
EU-Gipfelchef Donald Tusk hat eine Einigung auf ein Reformpaket für Großbritannien bestätigt. „Deal“, schrieb der Pole am Freitagabend im Kurznachrichtendienst Twitter.
Luxemburgs Premierminister Xavier Bettel zeigt sich zufrieden: "Für uns war im Korb der "wirtschaftlichen Gouvernance" besonders wichtig, dass die gleichen Regeln für jeden in der EU gelten und das ist nun in der Einigung mit Großbritannien festgehalten". Und: "Ich bin froh, dass Luxemburg sich hier durchsetzen konnte."
Deutliche Worte gab es indes auch vom Europaabgeordneten Frank Engel, der seinem Ärger via Facebook Luft machte. So schrieb er in der Nacht: "Ah, si si sech eens? Si machen d'Unioun esou futti? Abee, mir kucken dat da nach. A MIR soen NEE."
Zuvor hatten EU-Gipfelchef Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker einen Kompromissvorschlag auf den Tisch gelegt. "Es ist ein sehr fairer und ausgewogener Vorschlag", berichteten Diplomaten am Rande des EU-Gipfels. Auf dieser Basis nahmen die Staats- und Regierungschefs mit fast zwölf Stunden Verspätung ihre Beratungen über die umstrittenen Reformforderungen Großbritanniens wieder auf.
Ursprünglich sollte der EU-Gipfel bereits am späten Freitagvormittag zusammentreffen. Das geplante Frühstück wurde wegen Meinungsverschiedenheiten unter den EU-Mitgliedern abgesagt. Vorgespräche und bilaterale Treffen dauerten den ganzen Tag über an. Der britische Premier David Cameron will zahlreiche Zugeständnisse etwa bei den Sozialleistungen für EU-Bürger in Großbritannien durchsetzen, um einen "Brexit", also das Ausscheiden Großbritanniens aus der Europäischen Union, abzuwenden.
Abstimmung noch im Juni
Der britische Premier David Cameron will seine Landsleute möglicherweise noch im Juni darüber abstimmen lassen, ob das Vereinigte Königreich in der Europäischen Union bleiben soll oder nicht.
Überschattet wurden die Gespräche von einem Versuch des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras, seine Zustimmung zu dem Paket für Großbritannien mit der Flüchtlingsfrage zu verknüpfen. Auch die Taktik des britischen Premiers David Cameron sorgte für Stirnrunzeln im Kreis der Partner.
"Perplex"
Tomas Prouza, tschechischer Staatssekretär für Europaangelegenheiten, quittierte das Verhalten der britischen Regierung auf dem Kurznachrichtendienst Twitter mit Verwunderung: „Je mehr Zeit vergeht, desto mehr bin ich perplex über die britische Haltung des Nicht-Verhandelns“, notierte er. Das Vorgehen der Briten sei „ziemlich unorthodox“, fügte der Sozialdemokrat hinzu.
Ein Streitpunkt in den Gesprächen war die Frage, wie lange die geplanten Einschränkungen bei den Sozialleistungen für EU-Ausländer angewandt werden können. „Tschechien drängt auf eine klare zeitliche Begrenzung, die eine dauerhafte Anwendung ausschließt“, teilte Ministerpräsident Bohuslav Sobotka am Nachmittag mit. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass möglichst nur Großbritannien auf die geplante „Notbremse“ zurückgreifen werde, fügte er hinzu.
Zuletzt hätten sich Gipfelchef Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker mit Cameron und Frankreichs Präsident François Hollande getroffen. Der Verlauf gebe Anlass zum Optimismus, hatte es geheißen.
Es geht bei den Reformangeboten für Großbritannien unter anderem um die Beschränkung von bestimmten Sozialleistungen für zugewanderte EU-Ausländer. Mit dem Paket will die EU die Basis legen für einen Verbleib Großbritanniens in der EU. Cameron will seine Landsleute möglicherweise noch im laufenden Jahr darüber abstimmen lassen, ob das Vereinigte Königreich in der Europäischen Union bleiben soll oder nicht.
Cameron erklärte auf Twitter: „Die Verhandlungen dauern bis in den Abend.“ Ein Treffen seines Kabinetts sei am Freitag nicht mehr möglich. „Es wird eines abgehalten werden, falls und wenn eine Abmachung steht.“ Auf Druck der „Brexit“-Befürworter in den eigenen Reihen wollte Cameron direkt nach dem Gipfel eine Sitzung seiner Regierungsmannschaft abhalten. Die Minister sollen dann auch grünes Licht erhalten, mit ihren Kampagnen für oder gegen den EU-Austritt zu beginnen.
Umstritten war vor allem die Forderung der britischen Regierung, bestimmte Sozialleistungen für zugewanderte EU-Ausländer zu beschränken. „Tschechien drängt auf eine klare zeitliche Begrenzung, die eine dauerhafte Anwendung ausschließt“, teilte Ministerpräsident Bohuslav Sobotka mit. Außerdem müsse sichergestellt werden, dass möglichst nur Großbritannien auf die geplante „Notbremse“ zurückgreifen werde, fügte er hinzu.
Drohung vom Tisch
Die Drohung Tsipras, die Flüchtlingsfrage mit der Zustimmung zum Briten-Deal zu verbinden, soll nach den Gesprächen vom Freitag weitgehend vom Tisch gewesen sein.
Regierungskreisen in Athen zufolge sicherten Frankreichs Präsident François Hollande und Bundeskanzlerin Angela Merkel Griechenland in dieser Frage „jede Unterstützung, die es benötige“ zu.
„Ich bin nicht dafür, dass man Grenzen schließt. Aber man sollte auch die Frage des Kindergelds in Großbritannien nicht mit der Flüchtlingskrise im Mittelmeer verbinden“, sagte Schulz.
In der Flüchtlingskrise plant die EU Anfang März einen neuen Türkei-Sondergipfel. „Wir haben bestätigt, dass es keine Alternative gibt zu einer guten, intelligenten und weisen Zusammenarbeit mit der Türkei“, sagte EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker.
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