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Einer der ältesten Kirchen der Welt droht die Spaltung
International 2 Min. 16.02.2023
Äthiopien

Einer der ältesten Kirchen der Welt droht die Spaltung

Abune Mathias ist Patriarch der Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo-Kirche.
Äthiopien

Einer der ältesten Kirchen der Welt droht die Spaltung

Abune Mathias ist Patriarch der Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo-Kirche.
Foto: AFP
International 2 Min. 16.02.2023
Äthiopien

Einer der ältesten Kirchen der Welt droht die Spaltung

Streit und Exkommunikationen: In Äthiopien bahnt sich ein Schisma der rund 1.700 Jahre alten „Äthiopischen Orthodoxen Tewahedo Kirche“ (EOTC) an.

Von Johannes Dieterich (Johannesburg)

Armes Äthiopien. Der Vielvölkerstaat am Horn von Afrika muss nicht nur einen verheerenden Kollaps wie einst Jugoslawien befürchten: Jetzt steht auch seine Kirche, eine der ältesten christlichen Gemeinschaften der Welt, vor einer Spaltung. In dem zweitbevölkerungsreichsten Staat des Kontinents bahnt sich ein Schisma der rund 1.700 Jahre alten „Äthiopischen Orthodoxen Tewahedo Kirche“ (EOTC) an, nachdem drei Erzbischöfe und 26 Bischöfe Ende Januar eine eigene Synode, die „Äthiopische Kirche von Oromo und anderen Nationen und Nationalitäten“, gründeten.


Ethiopia Prime Minister Abyi Ahmed looks on at Kenyan President William Ruto inauguration ceremony at the Moi International Sports Center Kasarani in Nairobi, Kenya, on September 13, 2022. - William Ruto was sworn in as Kenya's fifth post-independence president at a pomp-filled ceremony on Tuesday, after his narrow victory in a bitterly fought but largely peaceful election.
Tens of thousands of people joined regional heads of state at a packed stadium in Nairobi to watch him take the oath of office, with many spectators clad in the bright yellow of Ruto's party and waving Kenyan flags. (Photo by SIMON MAINA / AFP)
Warum Äthiopien erneut in Gewalt versinkt
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Die EOTC-Führung reagierte inzwischen mit der Exkommunikation der abtrünnigen Geistlichen und rief zu öffentlichen Kundgebungen auf. Am Wochenende folgten Zigtausende von Gläubigen in mehreren Städten des 120 Millionen Einwohner zählenden Staates dem Aufruf. Die abtrünnigen Kirchenführer exkommunizierten ihrerseits die geistlichen Oberhäupter der EOTC und riefen ebenfalls zu Demonstrationen auf. 

Bereits vor zehn Tagen war es in der 200 Kilometer südlich von Addis Abeba gelegenen Provinzstadt Shashamane zu gewalttätigen Zusammenstößen zwischen EOTC-Mitgliedern und der örtlichen Polizei gekommen. Dabei erschossen die Sicherheitskräfte „mehr als 30 Gläubige“, berichtete ein Kirchenführer. 

Die Gründe für das Schisma haben nichts mit Glaubensfragen zu tun, sind vielmehr eng mit den ethnischen Spannungen in Äthiopien verbunden. Als größte ethnische Gruppe Äthiopiens (rund 35 Prozent der Bevölkerung) klagen die Oromo seit Jahrzehnten, von politischen Entscheidungen weitgehend ausgeschlossen zu sein: Auch in der Führung der Kirche seien Angehörige ihrer Ethnie unterrepräsentiert.

Die Gründe für das Schisma haben nichts mit Glaubensfragen zu tun.  

Die abtrünnigen Bischöfe fordern, dass in orthodoxen Gottesdiensten außer dem altäthiopischen Ge’ez und Amharisch auch die Sprache der Oromo zum Zug kommt. Und dass für die Oromia-Provinz ein eigenes Patriarchat eingerichtet wird. Solche Forderungen seien von einer ethnischen Identitäts-Politik getrieben, kritisiert der äthiopische Theologe Desta Heliso. Die abtrünnigen Kirchenführer suchten, der Kirche eine dem ethnischen Arrangement in der Politik entsprechende Struktur zu verpassen.

Faktisch eine Staatskirche

Politik und Religion sind in Äthiopien schon seit Hunderten von Jahren eng miteinander verbunden. Auch wenn die Verfassung den Staat als säkular bezeichnet, kommt die EOTC faktisch einer Staatskirche gleich und wird zumindest teilweise von öffentlichen Geldern finanziert. Auf die Abspaltung Eritreas von Äthiopien folgte 1993 die Trennung der „Eritreischen Orthodoxen Tewahedo Kirche“ von der EOTC. Und als sich die tigrische Minderheit (sechs Prozent der Bevölkerung) nach der Vertreibung des „roten Diktators“ Mengistu Heile Mariam 1991 als dominante Volksgruppe des Landes etablierte, verdrängte auch Tigrays Patriarch Abune Mathias den amharischen Patriarchen Abune Merkorios, der ins Exil in die USA floh.


HAMDAYET, SUDAN - DECEMBER 5, 2020: Refugees from the Tigray region of Ethiopia wait to be transferred to a camp with more infrastructure  at a UNHCR reception area in the east Sudanese border village of Hamdayet on December 5, 2020 in Hamdayet, Sudan. Last week, the Ethiopian government declared victory in its nearly monthlong battle with the Tigray People's Liberation Front (TPLF), which sent 45,000 people fleeing to Sudan and displaced thousands more within the Tigray Region. In recent days, Ethiopian forces have prevented even more people from crossing the border into Sudan, while a TPLF spokesman said that fighting had continued outside of Mekelle, Tigray's regional capital. (Photo by Byron Smith/Getty Images)
„Sie töten uns wie Hühner“
Gerade erst hatte sich eine Entspannung im Bürgerkriegsland Äthiopien abgezeichnet. Doch nun lässt eine neue Gewaltwelle aufhorchen.

Der derzeitige Regierungschef Abiy Ahmed sieht sich von der Kirchenspaltung vor ein Dilemma gestellt. Einerseits gilt der Sohn eines Oromo als leidenschaftlicher Gegner der Dominanz der Tigray; andererseits sucht der einstige Offizier einen starken Zentralstaat zu etablieren, der von ethnischer Identitäts-Politik gefährdet wird.

Trotzdem wirft die traditionelle EOTC-Führung dem Premierminister Parteilichkeit zugunsten der abtrünnigen Geistlichen vor, nachdem dieser beiden Seiten „legitime Wahrheiten und Forderungen“ zusprach. Der umstrittene Friedensnobelpreisträger suche die Einigkeit der orthodoxen Kirche zu zerstören, kritisierte EOTC-Generalsekretär Abune Josef: „Er will eine schwache Kirche, die seine Politik unterstützt.“

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