Ein TikTok-Bann in den USA rückt näher
Ein TikTok-Bann in den USA rückt näher
Von Thomas Spang (Washington)
In Utah hat die Zukunft TikToks in den USA bereits begonnen. Gouverneur Spencer Cox unterzeichnete dort ein Gesetz, das den Zugang zu der Kurzvideo-App beschränken soll. Demnach muss bei der Anmeldung jedes Nutzers unter 18 Jahren ausdrücklich die Genehmigung der Eltern vorliegen. Zwischen 22.30 und 6.30 Uhr ist der Zugang zu dem Dienst blockiert. Erziehungsberechtigte müssen automatisch Zugang zu den Beiträgen ihrer Kinder und Teenager erhalten. Verboten sind das Sammeln von personenbezogenen Daten, das Zuschneiden von Algorithmen auf junge Nutzer und das Einspielen von Werbung.
Das Gesetz räumt eine Übergangsfrist von einem Jahr ein und sieht diese Einschränkungen auch für andere Netzwerk-Dienste wie Facebook und Instagram vor. Dass Cox das vor dem Parlament des Mormonen-Staats beschlossene Gesetz an dem Tag unterzeichnete, an dem TikTok-Chef Shou Zi Chew auf dem „heißen Stuhl“ vor dem Energie- und Handelsausschuss des US-Repräsentantenhauses aussagte, halten nur wenige Analysten für einen Zufall. Es signalisiert die Richtung, in die der Zug für TikTok abgefahren ist.
Seltene Einigkeit
Während amerikanische Anbieter auch in anderen Bundesstaaten nur Beschränkungen für Minderjährige zu fürchten haben, geht es für TikTok um den Zugang aller zurzeit 150 Millionen Nutzern in den USA zu dem Dienst. Das machte die Vorsitzende des Ausschusses, Cathy McMorris Rodgers, bei der fünf Stunden langen Anhörung deutlich. „Ihre Plattform sollte verboten werden“, schrieb die Republikanerin dem TikTok-CEO ins Stammbuch. „TikTok ist eine Waffe der kommunistischen Partei Chinas, die sie ausspioniert, manipuliert, was sie sehen, und das für Generationen ausnutzt.“
TikTok ist eine Waffe der kommunistischen Partei Chinas, die sie ausspioniert, manipuliert, was sie sehen, und das für Generationen ausnutzt.
Cathy McMorris Rodgers, Ausschussvorsitzende
In seltener Einigkeit in dem ansonsten bitter gespaltenen US-Kongress teilte der ranghöchste Demokrat im Ausschuss, Frank Pallone, den aggressiven Ton gegen die Tochter des chinesischen Mutterunternehmens „ByteDance“. Ein von Chew vorgestellter 1,5-Milliarden-Dollar-Plan sei nicht ausreichend, US-Nutzerdaten auf Rechnern bei Oracle in Texas vor unberechtigten Zugriff Dritter zu schützen. „Die kommunistische Regierung in Peking kontrolliert und beeinflusst weiterhin, was Sie tun.“
Der in Singapur geborene Chew, der Abschlüsse des University College London und der Harvard Business School hat, fand sich zwischen allen Stühlen wieder, nachdem China der Forderung der US-Regierung nach einem Verkauf von TikTok kurz vor Beginn der Anhörung eine definitive Absage erteilt hatte. Am Freitag legte das Außenministerium in Peking nach. China habe noch nie von einer Firma oder von Personen verlangt, Daten oder Geheimdienstinformationen aus anderen Ländern zu sammeln oder weiterzugeben. Dabei bleibe es auch in der Zukunft.
Das Vertrauen in dieses Versprechen ist auf amerikanischer Seite nicht sehr hoch. Die Abgeordneten verweisen auf Gesetze in China, die der Regierung den Zugriff auf Daten garantieren. Seit Dezember darf die TikTok-App deshalb nicht mehr auf Telefonen von Bundesbeamten installiert werden. Ein solches Verbot verhängten auch 29 der 50 Bundesstaaten. In Montana ist ein Gesetz für einen vollständigen Bann in Vorbereitung.
Eine gesetzliche Grundlage fehlt
Jenseits des öffentlichen Muskelspiels glaubt das Weiße Haus nicht, dass es nach bestehender Rechtslage TikTok einfach verbieten könne. Dafür müsse der Kongress zunächst eine gesetzliche Grundlage schaffen, erklärte ein hoher Mitarbeiter des Präsidenten nach der Anhörung gegenüber der „Washington Post“. Als Donald Trump 2020 einen Anlauf für einen Bann der App unternahm, blockierte ein Bundesrichter den Versuch unter Hinweis auf die in der Verfassung garantierte Redefreiheit. „Joe Biden kann den Fluss von Informationen nicht einfach stoppen“, sagt der Experte vom Center for Strategic and International Studies, William Reinsch. Im Senat und Repräsentantenhaus sind mehrere Gesetzentwürfe in Vorbereitung, deren Zukunft angesichts des rechtlichen Minenfelds ungewiss bleibt.
Die Chancen eines gesetzlichen Verbots der TikTok-App in den USA sind nach Ansicht von Analysten zwar gestiegen, aber nicht kurzfristig zu erwarten. Zumal 2024 Präsidentschaftswahlen sind. Der Grund? Kein Kandidat will den Groll der 150 Millionen TikTok-Nutzer in den USA riskieren, die im Schnitt 31 Jahre alt sind. Je jünger, desto mehr beziehen die Nutzer ihre Informationen weitgehend aus TikTok. Den Zugang zu dieser Wählergruppe werde niemand aufs Spiel setzen.
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