Der Revolutionär aus der Investmentbank
Der Revolutionär aus der Investmentbank
(dpa) - Emmanuel Macron zögerte lange. Nun erklärte der frühere französische Wirtschaftsminister und Investmentbanker bei Rothschild & Cie. seine Präsidentschaftskandidatur deutlich früher als bisher erwartet. Die Absicht ist klar: Der 38 Jahre alte Absolvent der Elitehochschule ENA will die Vorwahl der bürgerlichen Rechten beeinflussen, die an diesen Sonntag (20. November) beginnt.
Das frühere Mitglied der Sozialistischen Partei nimmt an dieser Vorwahl selbst nicht teil. Doch laut französischen Kommentatoren will der aus Amiens in Nordfrankreich stammende Macron zeigen, dass es eine Alternative gibt zum gemäßigten Konservativen Alain Juppé (71). Der Ex-Premier stellt sich der Rechten-Vorwahl und wird dabei als Favorit gehandelt.
„Unser System ist blockiert“
Wie andere Kandidaten für das höchste Staatsamt auch kritisiert Macron lautstark die politischen Eliten. „Unser System ist blockiert“, lautet sein Credo. Seine Biografie zeigt jedoch, dass er mit dem kleinen und feinen Pariser Machtzirkel engstens verwoben ist.
Er diente dem unbeliebten sozialistischen Staatspräsidenten François Hollande zwei Jahre lang als Vize-Generalsekretär im Élyséepalast. Bis zu seinem Rücktritt im vergangenen August führte er dann über zwei Jahre hinweg das wichtige Wirtschaftsressort der Regierung des sozialistischen Premiers Manuel Valls.
Macrons eigene Bewegung „En marche!“
Bereits im April gründete der smarte Macron seine eigene Bewegung „En marche!“ (Auf dem Weg). Er will weder die Linke noch die Rechte hinter sich scharen: „Ich möchte die Franzosen sammeln.“ Er gilt im Land am ehesten als Liberaler, der den Einfluss des Staates zurückdrängen will. Angst vor Glamour hat er nicht - im Sommer posierte er mit seiner 20 Jahre älteren Frau Brigitte in Badehose und Polohemd am Strand des schicken Atlantikbadeortes Biarritz.
Laut Umfragen könnte der Jungstar unter Frankreichs Politikern bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl im April kommenden Jahres auf 15 bis 18 Prozent der Wählerstimmen kommen. „Zu wenig, um zu hoffen, Gewicht zu haben“, urteilt die Tageszeitung „Le Monde“ streng.
Viele wollen nicht Hardliner Sarkozy
Macron könnte aber ganz unverhofft Unterstützung erhalten. Denn für viele Franzosen lautet die zentrale Frage, wer in der entscheidenden zweiten Stichwahl der Rechtspopulistin Marine Le Pen (48) gegenüberstehen wird und ihr Einhalt gebieten kann. Viele Wähler der Linken wollen in dieser Rolle nicht den konservativen Hardliner und Altpräsidenten Nicolas Sarkozy sehen.
Der frühere Grünen-Europaabgeordnete Daniel Cohn-Bendit lässt durchblicken, dass er sich unter bestimmten Umständen für Macron aussprechen könnte. „Er ist als Einziger in der Lage, den Weg für Sarkozy in der ersten Runde zu blockieren“, vertraute der wortgewandte Grünen-Star der Zeitschrift „Paris Match“ an.
Enthüllungsbuch über Minister, politische Gegner
Macron setzt mit seiner Kandidatur seinen früheren Mentor Hollande zusätzlich unter Druck. In Frankreich rechnet man zwar damit, dass der Herr des Élyséepalastes wieder antritt, doch angekündigt hat der Sozialist es bisher nicht. Freimütige Äußerungen in einem Enthüllungsbuch über Minister, politische Gegner und Staatsgeschäfte isolierten ihn auch im eigenen Lager. Mit Macron hat er zumindest eins gemeinsam: Beide kommen aus Arztfamilien.
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