Der Preis der Freiheit
Der Preis der Freiheit
(ham/dpa) - Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron und die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo wollen am Sonntag gegen 11 Uhr der 17 Opfer der islamistischen Anschlagsserie vor drei Jahren gedenken.
Zwei Täter waren am 7. Januar 2015 in die Redaktion der Satirezeitung „Charlie Hebdo“ eingedrungen. Zwölf Menschen wurden an jenem Tag in den Tod gerissen. Während die „Charlie“-Täter flüchteten, ermordete ein weiterer Terrorist eine Polizistin und vier Menschen in einem jüdischen Supermarkt. Der Anschlag auf „Charlie Hebdo“ leitete in Frankreich eine beispiellose Terrorserie ein, bei der rund 240 unschuldige Menschen getötet wurden.
Sicherheit geht vor
Am Samstag hatten bereits laizistische Vereinigungen zu einer Feier in den "Folies Bergères" eingeladen, bei der die Meinungsfreiheit zelebriert werden sollte. Bis zu 1 500 Gäste wurden bei der Veranstaltung erwartet, die unter dem Motto "Toujours Charlie!" vom "Printemps républicain", der "Ligue contre le racisme et l'antisémitisme" (Licra) und dem "Comité Laïcité République" organisiert wurde.
Geladen waren u.a. der frühere Premier Manuel Valls, die Femen-Gründerin Inna Shevchenko, die Schriftstellerin Taslima Nasreen und die Philosophin Elisabeth Badinter. Das Satiremagazin wurde vom Chefredakteur persönlich, Gérard Biard, vertreten sowie der Direktorin Marika Bret. Aus Sicherheitsgründen aber blieben weitere Mitarbeiter von „Charlie“ der Veranstaltung fern.
Die Redaktion arbeitet heute unter dem Schutz privater Sicherheitsleute, mehrere Mitarbeiter stehen auch unter Polizeischutz. Die neue Adresse der Redaktion in Paris wird geheimgehalten. Der Journalist Fabrice Nicolino schreibt in der aktuellen Ausgabe: „Der 7. Januar 2015 hat uns in eine neue Welt katapultiert, mit bewaffneten Polizisten, Sicherheitsschleusen und gepanzerten Türen, Angst, Tod.“
Auf dem Titelbild der Gedenkausgabe sieht man einen Mitarbeiter der Zeitung, der das Guckloch einer Panzertür öffnet und sagt - frei übersetzt - „Eine Spende für den Islamischen Staat? Wir haben schon gezahlt.“ Gezeichnet wurde das bitterböse Titelbild von Riss, der beim Anschlag von einer Kugel getroffen wurde und sich tot stellte.
Die Meinungsfreiheit sei dabei, „Luxusgut“ zu werden, „das in Zukunft nur vermögende Medien werden genießen können“, schreibt der Publikationschef in der Ausgabe. Das Blatt müsse jede Woche allein 15 000 Exemplare verkaufen, nur, um die Sicherheitsmaßnahmen für die Redaktionsräume zu bezahlen, erklärte der Karikaturist. Das wären 1,5 Millionen Euro im Jahr, nur für Sicherheitspersonal.
Arbeiten in Fort Knox
Von Freiheit kann in den Redaktionsräumen des Satireblatts keine Rede mehr sein. Kam die Zeitung kurz nach dem Anschlag noch einige Monate bei der französischen Tageszeitung „Libération" unter, hat sie seit über zwei Jahren geheime Redaktionsräume im 13. Arrondissement im Süden von Paris bezogen.
Die Mitarbeiter begegnen all dem mit Galgenhumor. Als „Fort Knox“ und „Konservenbüchse“ verspotten sie ihren Redaktionsbunker. Einer erzählt in der neuen Ausgabe, er müsse immer lachen, wenn er sich vor dem Gebäude in einer Panikattacke nach möglichen Angreifern umschaue und dann das Schild des Beerdigungsinstituts gegenüber sehe.
Die Mitarbeiter selbst können nicht mehr ohne Personenschutz vor die Tür. Journalist Nicolino z.B. nimmt seine Frau nicht mehr zu öffentlichen Veranstaltungen mit. Sie könnte Ziel einer Attacke werden. Mit Freunden kann er sich auch nicht mehr treffen, nicht im Bistro oder der Bar. Dorthin kann er nur noch allein, mit Personenschutz. Gelegentlich drängen die Sicherheitsleute zum Aufbruch, nicht weil sie Dienstschluss haben oder Polizeistunde wäre, sondern weil ein Indiz auf Gefahr hindeutet.
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