„Der Blick nach Osten hat sich ausgezahlt“
„Der Blick nach Osten hat sich ausgezahlt“
Von Michael Wrase *
Es war eine Sprache, die ganz dem Geschmack des Gastes aus Teheran entsprach: „Je skrupelloser Amerika agiert, desto enger müssen jene zusammenrücken, die Stabilität und Entwicklung als alternative Wege zum Wohlstand suchen“, kommentierte das chinesische Staatsfernsehen den am Donnerstag letzter Woche zu Ende gegangenen Besuch des iranischen Staatspräsidenten Ebrahim Raisi in Peking. In der chinesischen Hauptstadt, hieß es aus Delegationskreisen, seien Verträge über 3,5 Milliarden Dollar unterzeichnet sowie die Schaffung einer gemeinsamen Industriezone im Iran für kleinere und mittleren chinesische und iranische Unternehmen vereinbart worden.
Auch das vor zwei Jahren unterzeichnete Abkommen der „strategischen Partnerschaft“, das im Zeittraum von 25 Jahren chinesische Investitionen von 400 Milliarden Dollar im Iran vorsieht, soll „vorangetrieben“ werden. Denn weit war man damit bisher nicht gekommen. Vielmehr konzentrierte sich Peking zuletzt auf den Ausbau der Beziehungen mit Saudi-Arabien, wo der chinesische Staatschef Xi im Dezember 2022 zu Gast war und dort mit der Unterstützung arabischer Besitzansprüche für drei iranische Inseln im Persischen Golf für erhebliche Irritationen in Teheran sorgte.
Hin zu einer antiwestlichen Achse Russland-China-Iran?
Zwei Monate später wollen China und Iran den „Test verschiedener internationaler Wechselfälle“ bestanden haben und „als Freunde in schwierigen Zeiten“ die „gegenseitige Freundschaft und Zusammenarbeit unbeirrt ausbauen“. China, das ist sicher, wird der Hauptabnehmer iranischen Erdöls bleiben. Für Teheran ist der Export überlebenswichtig. Denn die wirtschaftliche Lage bleibt katastrophal. Zu Wochenbeginn war der Rial gegenüber dem Dollar auf einen historischen Tiefstand gesunken. Für den Greenback verlangten Teheraner Devisenhändler mehr als eine halbe Million Rial.
China, das ist sicher, wird der Hauptabnehmer iranischen Erdöls bleiben.
Durch den dramatischen Kursverfall hat sich die Inflation im Iran weiter beschleunigt: Die Preise für Grundnahrungsmittel wie rohes Fleisch, Obst und Eier sind auf ein nie dagewesenes Niveau gestiegen und daher für die große Mehrheit der langsam verarmenden Bevölkerung nicht mehr erschwinglich.
Unterstützung aus China ist daher mehr als willkommen. Auch dem „Hegemoniestreben anderer Länder“ – gemeint waren die USA – wollen Peking und Teheran zukünftig „entgegenwirken“. Konkret bedeutet dies nichts anderes, als die guten Beziehungen, die beide Staaten mit Russland unterhalten, weiter auszubauen. Westliche Beobachter in Peking sprechen in diesem Zusammenhang bereits von einer antiwestlichen Achse Russland-China-Iran.
Für Iran, behauptete unlängst ein Berater des iranischen Revolutionsführers Ali Chamenei, habe sich „der Blick nach Osten“ schon jetzt ausgezahlt. Die neue Achse habe das „globale Machtgleichgewicht zugunsten des Irans und weg vom Westen verschoben“. „Der Krieg in der Ukraine sei ein Beispiel dafür“, sagte der Berater weiter – ohne allerdings konkret zu werden.
Bau einer iranischen Drohnenfabrik in Russland bereits geplant
Zuvor hatte die iranische Nachrichtenagentur Entekhab einen hochrangigen Geheimdienstfunktionär mit der Aussage zitiert, China stehe neben neunzig weiteren Ländern „Schlange“, um 15.000 im Iran hergestellte Drohnen zu kaufen. Wirklich bewiesen ist bisher nur der Verkauf iranischer Drohnen an Russland. Weit mehr als 1.000 der Typen Shahed-131 und Shahed-136 waren in den letzten Monaten für Kamikaze-Angriffe auf ukrainische Ziele eingesetzt worden. Zu Jahresbeginn sollen die russischen Streitkräfte auch Shahed-Drohnen der Typen 129 und 191 erhalten haben, die wiederbewaffnet und wiederholt eingesetzt werden können.
Diese können mit einer Bombenlast von bis zu 70 Kilogramm bis zu fünf Stunden in der Luft bleiben und besitzen angeblich auch die Fähigkeit, ukrainische Störsender zu überwinden. Laut einem CNN-Bericht werden die von Iran an Russland gelieferten Drohnen von russischen Ingenieuren angeblich so umgerüstet, dass sie der ukrainischen Infrastruktur maximalen Schaden zufügen können. Geplant ist zudem der Bau einer iranischen Drohnenfabrik in Russland.
Nach Erkenntnissen des „Wall Street Journal“ soll eine iranische Delegation am 5. Januar dieses Jahres die westrussische Stadt Jelabuga besucht und dort einen möglichen Standort für die Fabrik besichtigt haben. In der Anlage könnten in den nächsten Jahren bis zu 6.000 Drohnen hergestellt werden.
Sie sollten nicht alles auf die russische Karte setzen.
Masih Mohajeri, Herausgeber der iranischen Tageszeitung „Jouhouri Eslami“
Völlig unumstritten sind die iranischen Drohnenlieferungen an die russische Armee offenbar nicht. So hatte der Herausgeber der iranischen Tageszeitung „Jouhouri Eslami“, Masih Mohajeri, die Regierung in Teheran bereits im November 2022 aufgefordert, Russland den Einsatz von Drohnen zu verbieten. Stattdessen sollte man versuchen, im Ukraine-Krieg eine Vermittlerposition einzunehmen. In einem an den iranischen Außenminister Hossein Amirabdollahian adressierten offenen Brief schrieb Mohajeri wörtlich: „Sie sollten nicht alles auf die russische Karte setzen“. Wenige Tage später stellte sich heraus, dass Amirabdollahian über den iranischen Drohnenexport nach Russland überhaupt nicht informiert worden war.
* Der Autor ist Korrespondent des „Luxemburger Wort“ für den Nahen und Mittleren Osten.
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