Der Beiruter Quizmaster und die Stadt im Jemen
Der Beiruter Quizmaster und die Stadt im Jemen
Von Michael Wrase
Als Moderator der arabischen Version von „Wer wird Millionär“ gehörte George Kordahi zu den bekanntesten und beliebtesten Persönlichkeiten im Nahen Osten. Mehr als zehn Jahre moderierte der libanesische Christ die populäre Gameshow, bis er zu Beginn des Arabischen Frühlings von seinem Arbeitgeber, dem saudischen Medienkonzern MBC, entlassen wurde. Kordahi hatte bei einem Vortrag in Damaskus im Jahr 2011 Staatschef Baschar al-Assad als einen „echten Reformer“ gepriesen.
Interview sorgt für diplomatischen Eklat
Zehn Jahre später sorgt der inzwischen in die Politik gewechselte Entertainer erneut für Schlagzeilen: Einen Monat vor seiner Berufung zum libanesischen Informationsminister hatte der 71-Jährige in einem Interview mit dem katarischen Fernsehsender Al-Dschasira Saudi-Arabien als „Aggressor in einem absurden Krieg“ bezeichnet und behauptet, die Huthis würden sich nur verteidigen.
Als das Interview vor drei Wochen ausgestrahlt wurde, zogen Saudi-Arabien, die Emirate, Bahrain und Kuwait ihre Botschafter aus Beirut ab und forderten die libanesischen Diplomaten zum Verlassen des Landes auf. Jeglicher Handel mit dem Libanon wurde eingestellt. Zudem steht zu befürchten, dass Zehntausende von gut verdienenden Libanesen ihre Arbeit in den arabischen Golfstaaten verlieren könnten.
Der Grund für die Wut der Saudis sei der wachsende Einfluss der Hisbollah im Jemen, wo die schiitischen Huthis kurz vor der Einnahme der Ölprovinz Marib stünden.
Die Reaktionen der Saudis auf das Interview, das Kordahi vor seiner Berufung zum Informationsminister gegeben hatte, da sind sich alle politischen Beobachter im Libanon einig, waren völlig überzogen. Tatsächlich geht es bei dem Streit auch nicht um das Interview, betont Ahmed Nagi in einer Analyse für das Carnegie Middle East Center. Der Grund für die Wut der Saudis sei der wachsende Einfluss der Hisbollah im Jemen, wo die schiitischen Huthis kurz vor der Einnahme der Ölprovinz Marib stünden.
Die Saudis hätten dann den Krieg im Jemen endgültig verloren, analysiert der amerikanische Diplomat und Nahostexperte David Schenker: „Das ist das schlimmste Szenario, das für Riad eintreten kann“. Um zu retten, was vermutlich nicht mehr zu retten ist, versuchen die Saudis daher, die Bündnispartner der Huthis im Libanon, die pro-iranische Hisbollah, unter Druck zu setzen. Diese seien aus der Perspektive von Riad für die Erfolge der jemenitischen Schiitenmiliz verantwortlich, schreibt Ahmed Naggi.
Allerdings bezweifelt auch der Carnegie-Analyst, dass die gegen den gesamten Libanon gerichteten Vergeltungsmaßahmen der Saudis zu Fortschritten im Jemen (im Sinne von Riad) führen würden. Einen Deal „Beirut für Marib“ werde es vermutlich nicht geben.
Einlenken ist keine Option
Trotzdem wollen die Saudis ihren seit Jahren geführten Stellvertreterkrieg mit Iran, dem Mentor der Huthis und der Hisbollah, weiterhin auf dem Rücken der gesamten libanesischen Bevölkerung austragen. Es sei schließlich die Hisbollah, die im Libanon das Sagen habe, betonte der saudische Außenminister Faisal bin Farhan Al Saud zu Wochenbeginn stur. Beziehungen mit dem Libanon wären daher „völlig sinnlos“.
Auch für Iran kommt ein Einlenken im Dauerstreit mit den Saudis nicht in Frage. Das würde so kurz vor einem Erfolg der Huthis in Marib niemand verstehen, unterstreicht die International Crisis Group in einem aktuellen Bericht zur Lage im Jemen. Auch der vom Quizmaster zum Informationsminister aufgestiegene George Kordahi sieht keinen Grund dafür, sich bei den Saudis für seine kritischen, aber nicht völlig unzutreffenden Bemerkungen zu entschuldigen.
Seinen Rücktritt, der ein erster Schritt zur Wiederannäherung mit Riad sein könnte, schließt der Minister bislang ebenfalls aus. Einfache Libanesen bezeichnen Kordahis Verhalten als „rücksichtslos“. Wieder einmal zahlten jetzt die einfachen Libanesen den Preis dafür, dass Minister sich weigerten, Verantwortung zu zeigen, empörte sich die libanesische Sängerin Elissa.
Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter und Instagram und abonnieren Sie unseren Newsletter.
Als Abonnent wissen Sie mehr
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
