Corona-Impfung: Experte befürchtet Engpässe
Corona-Impfung: Experte befürchtet Engpässe
(dpa) - Aus der Wissenschaft gibt es Zweifel an Versprechen, dass jeder sofort gegen das Corona-Virus geimpft werden kann, auch wenn ein Impfstoff entwickelt wurde. Der Experte Jonas Schmidt-Chanasit vom Hamburger Bernard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) hält eben solche Äußerungen, wie sie auch von der deutschen Forschungsministerin Anja Karliczek (CDU) getätigt wurde, für unrealistisch. „Ich verstehe nicht, wie man bei diesem hochkomplizierten Thema zu so einer Aussage kommt“, sagte der Virologe der Deutschen Presse-Agentur. „Das geht vollkommen an der Realität vorbei.“
Weltweit suchen derzeit mehr als 170 Projekte nach Corona-Impfstoffen. Zuletzt hatten mehrere Forscherteams vielversprechende Zwischenergebnisse veröffentlicht. Allerdings rechnen Experten mit einem marktfähigen Impfstoff frühestens im kommenden Jahr.
Schmidt-Chanasit sagte, aus medizinischer Sicht sei es extrem unwahrscheinlich, dass ein Impfstoff für sämtliche Altersgruppen - von Kindern bis zu hochbetagten Senioren - zugelassen werde. Hinzu kämen politische Aspekte. „Viele Staaten sichern sich schon jetzt Kapazitäten“, erläuterte der Experte unter Verweis etwa auf die USA und China. Überdies gebe es Unwägbarkeiten, wo Impfstoffe zunächst zugelassen würden.
Die Massenproduktion insbesondere von Lebend- und Totimpfstoffen sei sehr aufwendig. Angesichts der globalen Nachfrage stoße sie schnell an Grenzen, erläuterte Schmidt-Chanasit. Zu den Lebendimpfstoffen zählt etwa die an der Universität Oxford entwickelte Substanz AZD1222, die derzeit in Brasilien getestet wird. Auch zwei chinesische Stoffe werden zurzeit in Zulassungsstudien geprüft.
Warten auf den Impfstoff
Auch Karliczek dämpfte Erwartungen an eine schnelle Impfstoffentwicklung. „Ein zugelassener Impfstoff, der für die breite Masse der Bevölkerung geeignet ist, wird wahrscheinlich frühestens Mitte nächsten Jahres zur Verfügung stehen. Bei der Entwicklung eines Impfstoffes kann es immer Rückschläge geben.“
Der forschungspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Kai Gehring, warf der Ministerin vor, leichtfertig mit den Hoffnungen der Bevölkerung zu spielen. Vor Wochen habe sie einen Impfstoff gegen das Coronavirus noch in diesem Jahr für möglich gehalten. „In Pandemiezeiten braucht es keine halbgaren Heilsversprechen, sondern verlässliche und fundierte Botschaften“, sagte er.
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