Corona-Anstieg: Europäische Länder greifen hart durch
Corona-Anstieg: Europäische Länder greifen hart durch
(dpa/SC) - Angesichts der enorm steigenden Corona-Infektionen greifen mehrere europäische Länder jetzt zu schärferen Waffen im Kampf gegen die Pandemie. Die neuen Maßnahmen kommen teils einem landesweiten Lockdown gleich.
Erneuter Rekordwert in Deutschland
In Deutschland ist die Zahl der nachgewiesenen Corona-Neuinfektionen innerhalb eines Tages erneut stark gestiegen und hat erstmals den Wert von 10.000 überschritten. Die Gesundheitsämter meldeten nach Angaben des Robert Koch-Instituts vom Donnerstagmorgen 11.287 Fälle binnen 24 Stunden. Der bisherige Höchstwert seit Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland war am Samstag mit 7830 Neuinfektionen erreicht worden.
Experten zufolge sind die neu gemeldeten Infektionen wegen der Zeit zwischen Ansteckung, Test, Ergebnis und Meldung ein Hinweis darauf, wie stark das Virus vor etwa einer Woche in der Gesellschaft unterwegs war. Deshalb dauere es auch, bis sich politische Maßnahmen in den Meldezahlen niederschlagen könnten. Mit Blick auf stetig steigenden Fallzahlen will das Robert-Koch-Institut am Donnerstag in einem Presse-Briefing im Online-Format zur Entwicklung der Pandemie in Deutschland informieren. RKI-Präsident Lothar Wieler hatte zuletzt den Ernst der aktuellen Lage betont.
Seit Beginn der Corona-Krise haben sich nach RKI-Angaben mindestens 392.049 Menschen in Deutschland nachweislich mit dem Virus Sars-CoV-2 infiziert (Stand: 22.10., 0.00 Uhr). Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Corona-Infektion lag demnach bei 9.905. Das waren 30 mehr als am Vortag. Nach Schätzungen des RKI gibt es inzwischen etwa 306.100 Genesene.
Frankreich verlängert Notstand
Frankreich will den am vergangenen Samstag wieder in Kraft getretenen Gesundheitsnotstand bis zum 16. Februar verlängern. Der Ausnahmezustand im Gesundheitsbereich bietet einen rechtlichen Rahmen für Beschränkungen, zu denen auch Ausgangssperren gehören können. Er war am Wochenende wegen der alarmierenden Corona-Situation im Land erneut verhängt worden.
Weitgehende Einschränkungen etwa bei Versammlungen sollen bis April möglich sein, wenn die gesundheitliche Lage dies nötig mache. Frankreich hat schwer mit der Covid-19-Pandemie zu kämpfen. Seit Samstag gilt in zahlreichen Städten, darunter Paris, eine nächtliche Ausgangssperre ab 21 Uhr. Am Wochenende wurden mehr als 32.000 Corona-Neuinfektionen binnen 24 Stunden gemeldet - ein Spitzenwert.
Luxemburg setzt auf Eigenverantwortung
Auch in Luxemburg jagt derzeit ein Corona-Höchstwert den nächsten am Mittwoch verkündete Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) einen Tagesanstieg der Corona-Fälle um 416 - ein Rekord.
In der Woche vom 12. bis zum 18. Oktober wurden etwa doppelt so viele Neuinfektionen festgestellt, wie in der Vorwoche. Neue, strengere Maßnahmen sind allerdings vorerst nicht geplant, so die Gesundheitsministerin am Mittwoch. Solange die Lage unter Kontrolle gehalten werden kann, setzt die Regierung auf die Eigenverantwortung der Bürger.
In Luxemburg haben sich Stand Donnerstagmorgen seit dem Beginn der Pandemie insgesamt 11.671 Einwohner mit dem Corona-Virus angesteckt. 138 Patienten sind an dem Virus gestorben, 8.473 Menschen gelten als wieder genesen. Auf 100.000 Einwohner kamen am Dienstag 66,44 Infizierte, wie die Santé am Mittwochabend mitteilte.
Ausgangssperre in der Lombardei
In Italien ist erneut besonders die Region Lombardei betroffen. Wegen der stark steigenden Infektionszahlen dort gelten ab Donnerstagabend nächtliche Ausgangsverbote für die rund zehn Millionen Bürger.
Zu der norditalienischen Region gehören auch Mailand und Bergamo. Die Menschen dürfen zwischen 23 Uhr und 5 Uhr ihr Haus nur noch aus wichtigem Grund wie Arbeit oder Krankheit verlassen. Insgesamt haben sich in dem Mittelmeerland bisher nachweislich fast 450.000 Menschen mit dem Corona-Virus infiziert.
Über eine Million Infizierte in Spanien
Spanien durchbrach unterdessen die Marke von einer Million Corona-Infektionen. Seit dem Beginn der Pandemie seien 1.005.295 Menschen in dem Land mit 47 Millionen Einwohnern positiv auf das Virus getestet worden, teilte das Gesundheitsministerium mit.
In der Hauptstadt Madrid endet - trotz noch hoher Corona-Zahlen - am Freitag die von der Zentralregierung gegen den Willen der Regionalregierung angeordnete zweiwöchige Abriegelung. Die Stadt erwägt danach die Abschottung stark betroffener Stadtgebiete sowie eine nächtliche Ausgangssperre. Diese Möglichkeit wurde auch für ganz Spanien diskutiert. Allerdings müsste das Parlament dafür der Ausrufung des Notstandes zustimmen, was als unwahrscheinlich galt.
Tschechien macht dicht
In Tschechien müssen von Donnerstagmorgen (06.00 Uhr) an fast alle Geschäfte schließen, wie Gesundheitsminister Roman Prymula am Mittwoch bekannt gab. Ausgenommen sind etwa Lebensmittelgeschäfte und Apotheken. Zudem werden Ausgangsbeschränkungen verhängt: Die Regierung ordnete an, dass Leute ihre Kontakte mit anderen Menschen auf die „absolut notwendige Zeit“ begrenzen müssen.
Im Land gilt bereits seit dem 5. Oktober der Notstand. Mit knapp 15.000 neuen Fällen innerhalb von 24 Stunden vermeldeten die Behörden am Donnerstag einen neuen Tagesrekord. Tschechien hat knapp 10,7 Millionen Einwohner, von denen sich insgesamt fast 194.000 mit dem Corona-Virus angesteckt haben. Nach Angaben des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) hatte Tschechien am Mittwoch mit 975 Infektionen je 100.000 Einwohner europaweit die höchste Infektionsrate binnen 14 Tagen.
Slowakei „abgeriegelt“
In der Slowakei schließt auch Regierungschef Igor Matovic nach einem Rekordzuwachs von 2.202 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages einen Lockdown für sein Land nicht aus. Um einen ähnlich raschen Zuwachs der Fallzahlen wie im Nachbarland Tschechien zu verhindern, helfe womöglich nur mehr, „das ganze Land abzuriegeln“. Eine Entscheidung soll Donnerstag der nationale Corona-Krisenstab treffen. Die Zahl der Neuinfektionen in den ECDC-Statistiken lag bei 322 pro 100.000 Einwohner binnen 14 Tagen.
Geschäfte in Irland schließen
Irland verschärft erheblich seine Maßnahmen. Dort gilt seit der Nacht auf Donnerstag für sechs Wochen die höchste von fünf Maßnahmen-Stufen. Konkret bedeutet das: Wer kann, muss bis zum 1. Dezember in Irland daheim arbeiten.
Geschäfte, die keine lebensnotwendigen Waren verkaufen, werden geschlossen. Treffen mit anderen Haushalten sind bis auf wenige Ausnahmen untersagt. Schulen bleiben geöffnet. Sport im Freien ist im Umkreis von fünf Kilometern erlaubt. In Irland wurden bislang etwa 52.000 Infektionen unter den etwa fünf Millionen Einwohnern registriert.
