"Charlie Hebdo": Das geschah in den Monaten danach
"Charlie Hebdo": Das geschah in den Monaten danach
(ks/afp) - In den Monaten nach den Attentaten auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt bei Paris haben die Ermittlungen Neues zu den Hintergründen der Taten hervorgebracht, auch wenn noch vieles im Dunkeln bleibt. Die Redaktion von "Charlie Hebdo" entschloss sich weiterzumachen. Die Leserschaft stieg deutlich an. Ein Überblick in Fragen und Antworten zu den Geschehnissen nach den Anschlägen.
Wie hat sich "Charlie Hebdo" weiterentwickelt?
Nach den Attentaten von Paris stieg die Leserschaft sprunghaft an. Rund 7,5 Millionen Exemplare der Sonderausgabe vom 14. Januar wurden weltweit verkauft. Vertrieb die Satirezeitung vor den Anschlägen rund 30.000 Exemplare pro Ausgabe, verfügt sie heute über 200.000 Abonnenten. Weitere 80.000 Exemplare werden im Handel verkauft. Am Mittwoch kam erneut eine Sonderausgabe heraus, dieses Mal in einer Auflage von rund einer Million Exemplaren.
Direkt nach den Attentaten fand die Redaktion Unterschlupf bei der Zeitung "Libération". Inzwischen ist sie in ein hochgesichertes Gebäude umgezogen, die Adresse wird aus Sicherheitsgründen geheim gehalten. Allein Herausgeber Riss wird von fünf Sicherheitskräften beschützt. Die früheren Redaktionsräume im Haus Nummer 10 in der Rue Nicolas-Appert stehen nach einer Renovierung zur Vermietung.
Intern gab es Streitigkeiten, insbesondere um eine Neuausrichtung der Zeitung und die finanzielle Aufstellung. "Charlie Hebdo" verfügt angeblich über Rücklagen in Höhe von 20 Millionen Euro. Der Zeichner Luz verließ das Team, da er sich Zeit wünschte, um das Geschehene zu verarbeiten. Patrick Pelloux, der im Hauptberuf als Notarzt arbeitet und Beiträge lieferte, wollte die Zeitung einer neuen Generation überlassen. Zehn neue Mitarbeiter verstärken die Redaktion.
Ging es auch für den jüdischen Supermarkt weiter?
Zwei Tage nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo" nahm der Dschihadist Amédy Coulibaly 28 Geiseln in dem jüdischen Supermarkt "Hyper Cacher" an der Porte de Vincennes in Paris. Vier Menschen starben. Gut zwei Monate nach dem Anschlag öffnete der Laden wieder - mit einem neuen Team.
Was wurde aus dem "Helden" des "Hyper Cacher"?
Der gebürtige Malier Lassana Bathily lebte als Illegaler in Frankreich und verdiente sich als Lagerarbeiter im jüdischen Supermarkt "Hyper Cacher" ein paar Euro. Während des Anschlags befand er sich im Tiefgeschoss des Supermarkts und half dort einigen Geiseln sich zu verstecken. Ihm gelang schnell die Flucht und so versorgte er die Polizei während des Einsatzes mit Informationen über die Räumlichkeiten.
"Ich bin kein Held", sagt der 25-Jährige über sich selbst. Die Medien feierten den jungen Muslim, der Juden das Leben rettete. Wenige Tage nach der Geiselnahme überreichte ihm Premierminister Manuel Valls seinen französischen Pass. Bathily arbeitet heute für das Rathaus von Paris. Die Geschehnisse hat er im Buch "Je ne suis pas un héros" verarbeitet, das am Mittwoch erschienen ist.
Baute der Druckerei-Besitzer von Dammartin sein Geschäft wieder auf?
Nach dem Attentat auf "Charlie Hebdo" zunächst auf der Flucht, verschanzten sich die Brüder Chérif und Saïd Kouachi am 9. Januar in einer Druckerei in Dammartin-en-Goële nordöstlich von Paris. Inhaber Michel Catalano ließen sie laufen, sein Mitarbeiter Lilian Lepère konnte sich verstecken. Bei der Erstürmung wurden die beiden Attentäter getötet.
Ich dachte daran, alles aufzugeben, aber diese Solidarität hat mich ermutigt neu zu starten.
Catalano blieb mit traumatischen Erinnerungen zurück. Doch nicht nur das: Das Druckereigebäude und einige seiner Maschinen waren beschädigt worden. Catalano gab sich dennoch nicht geschlagen. Er machte zunächst in einer provisorischen Halle weiter - beeindruckt auch von der Solidarität seiner Mitmenschen, die 100.000 Euro spendeten, um die Zukunft seines Unternehmens zu sichern.
"Ich dachte daran, alles aufzugeben, aber diese Solidarität hat mich ermutigt neu zu starten", sagt er. Seine Druckerei lässt Michel Catalano derzeit am gleichen Ort neu aufbauen, im September will er sie einweihen. Geld für das neue Gebäude erhält er vom französischen Staat und den Versicherungen. Der 9. Januar ist ihm noch immer stark präsent. "Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht darüber spreche."
Was geschah mit den Leichnamen der Attentäter?
Amédy Coulibaly wurde in Thiais (Val-de-Marne) beigesetzt, nachdem Mali - das Heimatland seiner Familie - sich geweigert hatte, den Leichnam anzunehmen. Die Brüder Kouachi haben ihre letzte Ruhe dort gefunden, wo sie wohnten: Saïd in Reims, und Chérif in Gennevilliers (Hauts-de-Seine). Es handelt sich um anonyme Gräber.
Was fanden die Ermittler über die Hintergründe der Attentate heraus?
Amédy Coulibaly soll vor der Geiselnahme im jüdischen Supermarkt "Hyper Cacher" weitere Taten begangen haben. Relativ schnell war bekannt, dass er am Vortag eine Polizistin in Montrouge am Rande von Paris erschossen hatte, die einen Verkehrsunfall aufnahm. Sein Motiv ist unklar. Später haben die Ermittlungen ergeben, dass er es wohl war, der am Abend des 7. Januar nicht weit entfernt in Fontenay-aux-Roses einen Jogger anschoss. Das Opfer erklärte gegenüber "BMF TV", dass es sich aufgrund des Aussehens des Täters nicht um Coulibaly gehandelt haben könne. Dadurch kam die These eines Komplizen auf. Die Ermittler gehen jedoch davon aus, dass Coulibaly auf den Mann schoss, um sich auf die Geiselnahme im "Hyper Cacher" vorzubereiten. Auch die Explosion eines Fahrzeugs in Villejuif am 8. Januar - vermutlich um Sprengmaterial zu testen - soll auf sein Konto gehen.
Noch immer ist nicht umfassend geklärt, wer die Hintermänner und Helfer der Attentäter waren. Die Kouachis erklärten, sie hätten die Tat im Namen Al Kaidas verübt. Amédy Coulibaly bezog sich auf den Islamischen Staat. Die Attentäter kannten sich seit Jahren. Sie koordinierten die Anschläge, noch kurz vor dem Attentat auf "Charlie Hebdo" schrieb einer der Kouachi-Brüder eine SMS an Coulibaly.
Auf dem Computer von Coulibaly fanden die Ermittler E-Mails mit Anweisungen zu den Attentaten. Der Absender ist unbekannt. In einer Antwort bittet Coulibaly laut "Le Monde" den Adressaten, sich um seine Frau Hayad Boumeddiene zu kümmern. Sie soll sich in Syrien dem Islamischen Staat angeschlossen haben.
Als Komplizen bringen die Ermittler laut "L'Express" zwei französische Dschihadisten ins Spiel: Peter Chérif und Salim Benghalem, die sich derzeit im Jemen bzw. in Syrien aufhalten sollen. Sie könnten das Bindeglied zwischen den Kouachis und Coulibaly gewesen sein.
Die Ermittlungen zu den Anschlägen im Januar 2015 in Paris sind noch nicht beendet.
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