Brückeneinsturz in Genua: Zahl der Todesopfer steigt auf 42
Brückeneinsturz in Genua: Zahl der Todesopfer steigt auf 42
(dpa) - Der Einsturz einer vierspurigen Autobahnbrücke in der italienischen Hafenstadt Genua hat mindestens 42 Menschen in den Tod gerissen, das sagte der Staatsanwalt Francesco Cozzi am Mittwoch dem Fernsehsender RaiNews24. Die italienische Regierung hingegen ist derzeit ein wenig zurückhaltender was die Bestätigung der Todesopfer angeht; es wird bislang nur von 38 Todesopfer gesprochen. Die Suche nach Überlebenden in den Trümmern läuft geht weiter.
Unter den Opfern sind mindestens auch drei Minderjährige im Alter von acht, zwölf und 13 Jahren. Der Präfektur zufolge gibt es 16 Verletzte, der Zustand von 12 sei kritisch. Regierungschef Giuseppe Conte sagte noch am Dienstag, dass die Zahlen möglicherweise noch steigen dürften.
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Nach dem verheerenden Einsturz rückt nun die Frage nach der Ursache für die Katastrophe in den Fokus. Innenminister Matteo Salvini machte am Dienstagabend die mangelnde Instandhaltung der Brücke für das Unglück verantwortlich. Die Verantwortlichen müssten für das Desaster bezahlen, „alles bezahlen, teuer bezahlen“, erklärte er.
Auch die italienische Regierungsmitglieder machen den privaten Autobahnbetreiber für den Einsturz der Brücke in Genua verantwortlich, der Dutzenden Menschen das Leben gekostet hat. Gegen Autostrade per l'Italia seien Schritte eingeleitet worden, um die Lizenz für die Straße zu entziehen und eine Strafe von bis zu 150 Millionen Euro zu verhängen, erklärte Verkehrsminister Danilo Toninelli am Mittwoch auf Facebook. Zuallererst müsse aber das Management zurücktreten.
Die Brücken-Katastrophe lässt in Italien die Alarmglocken schrillen. Laut der Tageszeitung „La Repubblica“ sind um die 300 Brücken und Tunnel marode. Grund dafür seien die veraltete Infrastruktur und die lückenhafte Instandhaltung.
Kritik gab es an dem nun eingestürzten Polcevera-Viadukt wegen hoher Baukosten schon seit seiner Erbauung. Doch auch kostspielige Renovierungen sorgten immer wieder für Diskussionen. Die Brücke, die im Westen von Genua unter anderem über Gleisanlagen und ein Gewerbegebiet führt, hat eine Gesamtlänge von 1182 Metern. Zum Zeitpunkt der Tragödie waren laut Betreibergesellschaft Autostrade per Italia Bauarbeiten im Gange.
Das Symbol der Tragödie
Ein grün-blauer Lastwagen ist zum Symbol des verheerenden Einsturzes der Morandi-Brücke in Genua geworden. Der Fahrer hat die Katastrophe am Dienstag um wenige Meter überlebt. „Ich konnte mich retten, weil ein Auto mich überholte und ich verlangsamte“, erzählte der 27-jährige Luigi der Zeitung „La Repubblica“. „Ich sah es mit den anderen abstürzen, habe schlagartig gebremst, den Rückwärtsgang eingelegt. Dann habe ich die Tür geöffnet und bin geflüchtet.“
Auf Fotos ist zu sehen, wie nah der Lastwagen vor dem Abgrund steht. Auf einem Video streifen sogar noch die Scheibenwischer des Fahrzeugs hin und her. Mit laufendem Motor soll der Fahrer den Wagen zurückgelassen haben.
Der Genuese war für die lokale Supermarktkette Basko unterwegs. „Das ist ein Streckenabschnitt, den unsere Lieferwagen jeden Tag zurücklegen“, sagte der Geschäftsführer Giovanni D'Alessandro der Wirtschaftszeitung „Il Sole 24 Ore“. „Die Brücke ist stark befahren, man ist dort nicht mit hoher Geschwindigkeit unterwegs.“
Der Lastwagen sei nicht das einzige Fahrzeug, das die Menschen bei der Flucht von der Brücke dort stehen gelassen hätten, sagte ein Sprecher des Verkehrsministeriums. Die Staatsanwaltschaft habe aus Ermittlungsgründen noch nicht angeordnet, sie abzuschleppen. Früher oder später werde das aber passieren.
Einsturz in mehr als 40 Metern Höhe
Die Morandi-Brücke auf der Autobahn A10, der berühmten Urlaubsverbindung „Autostrada dei Fiori“, stürzte in mehr als 40 Metern Höhe auf einem zwischen 100 und 200 Meter langen Stück ein. Nach Berichten von Zeugen wurden Autos in die Tiefe gerissen, Lastwagen stürzten in den Fluss Polcevera. Zahlreiche Fahrzeuge wurden unter herabfallenden Trümmern begraben.
Nahe der Bahngleise soll sich Berichten von Ansa zufolge eine Art Krater gebildet haben, in dem die Rettungskräfte um die 30 Fahrzeuge vermuten. Der Polcevera-Viadukt, im Volksmund nach dem Architekten Riccardo Morandi auch Ponte Morandi genannt, überquert unter anderem Gleisanlagen und ein Gewerbegebiet im Westen von Genua.
Mehr als 300 Rettungskräfte waren laut Feuerwehr im Einsatz. In der Nähe der Brücke wurden nach dem Einsturz vorsichtshalber Gebäude geräumt. Es bestehe das Risiko, dass weitere Teile des Bauwerks einbrechen, berichtete Ansa unter Berufung auf Rettungskräfte vor Ort. Drei Krankenhäuser in Genua wurden in Alarmbereitschaft versetzt.
Verkehrsminister Danilo Toninelli sprach von einer „entsetzlichen Tragödie“. Er schloss in einem Radio-Interview aus, dass Bauarbeiten an der Brücke Grund für den Einsturz seien. Vize-Regierungschef Luigi Di Maio sagte, der Staat werde alles unternehmen, um den Familien der Opfer zu helfen. Regierungschef Conte zeigte sich am Abend in Genua „tief betroffen“ von der Tragödie.
Auf einem Video, das die italienische Polizei ins Internet stellte, sind die beiden Seiten der abgebrochenen Brücke zu sehen. Zwischen beiden Teilen klafft eine riesige Lücke. In einem anderen Video sind Stimmen von Menschen zu hören, die aus der Ferne den Einsturz sehen und geschockt aufschreien.
Der Einsturz dürfte weitreichende Konsequenzen haben: Die Brücke werde abgerissen und das werde einhergehen mit „schwerwiegenden Auswirkungen“ auf den Verkehr und mit Problemen für die Bürger und Unternehmen, sagte der Staatssekretär im Verkehrsministerium, Edoardo Rixi.
Zum Zeitpunkt der Tragödie waren laut Betreibergesellschaft Autostrade per Italia Bauarbeiten im Gange. Wie das Unternehmen am Dienstag auf seiner Homepage mitteilte, sei an der Sohle des Polcevera-Viadukts gearbeitet worden. Auf der Brücke selber habe ein Baukran gestanden. Der Zustand der Brücke sowie der Fortgang der Renovierung seien immer wieder kontrolliert worden. Erst wenn ein gesicherter Zugang zur Unfallstelle möglich sei, könne Näheres über die Ursachen des Einsturzes gesagt werden, teilte das Unternehmen weiter mit.
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker brachte über Twitter auf Italienisch seine Anteilnahme zum Ausdruck.
Auch Mars Di Bartolomeo, Präsident des Parlaments, schreibt auf Twitter "Heute Gedenke ich den Opfern und den zerstörten Familien. Morgen schlägt die Stunde der Verantwortung."
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