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Brexit-Handelspakt wird Chefsache
International 3 Min. 05.12.2020 Aus unserem online-Archiv

Brexit-Handelspakt wird Chefsache

EU-Chefunterhändler Michel Barnier nach seiner Rückkehr aus London am Brüsseler Bahnhof Midi.

Brexit-Handelspakt wird Chefsache

EU-Chefunterhändler Michel Barnier nach seiner Rückkehr aus London am Brüsseler Bahnhof Midi.
Foto: AFP
International 3 Min. 05.12.2020 Aus unserem online-Archiv

Brexit-Handelspakt wird Chefsache

Die Brexit-Unterhändler haben nach langem Ringen vorerst den Verhandlungstisch verlassen. Jetzt hängt es an Ursula von der Leyen und Boris Johnson, ob sie dem Brexit-Handelspakt den entscheidenden Schub geben können.

(dpa) - Der Brexit-Handelspakt wird zur Chefsache: Nach der Unterbrechung der Gespräche am Freitagabend wollen der britische Premierminister Boris Johnson und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Samstagnachmittag nach Lösungen suchen. Nach Angaben aus EU-Kreisen steht der Erfolg auf Messers Schneide. Es gebe gewichtige Diskrepanzen beim Thema faire Wettbewerbsbedingungen, hieß es am Samstag. Die britische Haltung stelle das Funktionieren des Binnenmarkts ernsthaft in Frage.

Die Chefunterhändler Michel Barnier und David Frost hatten ihre Gespräche am Freitagabend nach einer intensiven Verhandlungswoche unterbrochen und erklärt, die Bedingungen für eine Einigung seien nicht erfüllt. Bei einem für den späten Samstagnachmittag (17.30 Uhr) geplanten Telefonat von der Leyens mit Johnson soll EU-Insidern zufolge analysiert werden, wie man die Gespräche wieder in Gang bekommen könnte. Echte Verhandlungen oder Angebote der EU seien dabei nicht zu erwarten, hieß es.

Übergangsphase endet am 31. Dezember

Großbritannien war Ende Januar aus der EU ausgetreten. Am 31. Dezember endet die Brexit-Übergangsphase, in der weitgehend die gleichen Regeln gelten wie zuvor. Sollte eine Einigung auf einen Handelspakt nicht mehr rechtzeitig gelingen, drohen vom Jahreswechsel an Zölle und hohe Handelshürden zwischen Großbritannien und der EU.

Der SPD-Brexit-Experte im Europaparlament, Bernd Lange, sagte der Deutschen Presse-Agentur zum Stand der Gespräche über einen Handelspakt: „Es steht Spitz auf Knopf.“ Die britische Seite lehne Instrumente zur Durchsetzung gleicher Wettbewerbsbedingungen fundamental ab. Es könne aber kein Abkommen um jeden Preis geben.

Bei den Wettbewerbsbedingungen - das Stichwort heißt Level Playing Field - geht es unter anderem um Umwelt-, Sozial- und Beihilfestandards. Großbritannien möchte sich dabei von der EU möglichst wenig Vorgaben machen lassen. Die EU möchte hingegen Wettbewerbsvorteile für britische Firmen durch übermäßige Subventionen, Sozial-, Umwelt- oder Regeldumping verhindern. Denn das angestrebte Handelsabkommen würde britische Waren unverzollt und ohne Mengenbegrenzung auf den EU-Markt lassen.

Warnung vor französischem Veto

Beim zweiten wichtigen Streitthema Fischerei sieht Brexit-Experte Lange hingegen Einigungschancen. Dabei geht es um den Zugang von EU-Fischern zu britischen Gewässern und die Menge Fisch, die sie dort fangen dürfen. Im Gespräch seien Quoten und eine Klausel zur Überprüfung der Regelung nach einer bestimmten Frist (Revisionsklausel), sagte Lange.

EU-Ratspräsident Charles Michel warnte vor einem Veto der Mitgliedstaaten. Er bezog sich damit wohl vor allem auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Der hatte kürzlich erklärt, er werde einem Vertrag nur zustimmen, wenn die langfristigen Interessen seines Landes gewahrt blieben. „Die Beibehaltung der Aktivitäten unserer Fischer in britischen Gewässern ist eine wichtige Bedingung“, hatte Macron dazu gesagt. Doch die Drohungen zeigten keine Wirkung.

Der deutsche Botschafter in Großbritannien, Andreas Michaelis, betonte die Bedeutung der Gespräche. „Das ist wirklich wichtig“, schrieb er am Samstag auf Twitter. „Der Ausgang wird unser politisches und wirtschaftliches Umfeld auf Jahre prägen.“

Binnenmarktgesetz als Hindernis

Als großes Hindernis in den Verhandlungen gilt weiter das geplante britische Binnenmarktgesetz, das Teile des bereits gültigen EU-Austrittsvertrags aushebeln würde. Werde dieses Gesetz wie geplant am Montag erneut mit den umstrittenen Klauseln ins britische Unterhaus eingebracht, wäre eine Fortsetzung der Gespräche politisch nahezu ausgeschlossen, sagte SPD-Politiker Lange.


An anti-Brexit protester stands with Union and Eu flags outside a conference centre in central London on December 4, 2020, as talks continue on a trade deal between the EU and the UK. - With just a month until Britain's post-Brexit future begins and trade talks with the European Union still deadlocked, the UK government on Tuesday urged firms to prepare as it scrambles to finish essential infrastructure. (Photo by Niklas HALLE'N / AFP)
Brexit-Handelspakt: Beide Seiten erhöhen Druck
Die Gespräche Londons und Brüssels über ein Abkommen für die Zeit nach der Brexit-Übergangsphase befinden sich auf der Zielgeraden.

Boris Johnson betonte stets, Großbritannien müsse keinerlei schmerzhafte Kompromisse eingehen, wenn es aus der EU austrete. Mit dem Slogan „Get Brexit Done“ (etwa: Den Brexit durchziehen) fuhr er vor einem Jahr bei der Parlamentswahl einen klaren Sieg ein. Eine Verlängerung der Übergangsphase, die nun in knapp vier Wochen zu Ende geht, schlug er folglich aus. Großbritannien werde mit einem No Deal florieren, sagte Johnson. Es dürfte ihm nun schwer fallen, die für einen Deal notwendigen Zugeständnisse zu machen, ohne einen Teil seiner Anhänger zu verprellen.

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