„Bodentruppen werden wir in keinem Fall schicken“
„Bodentruppen werden wir in keinem Fall schicken“
Von Cornelie Barthelme (Berlin)
„Vertrauen Sie der Regierung“, sagt Olaf Scholz. „Vertrauen Sie auch mir.“ Da ist es zwanzig vor zwei am Mittwochmittag und der deutsche Bundeskanzler ist eben gefragt worden: „Wenn dann Forderung auf Bodentruppen kommt – irgendwo muss dann ja Schluss sein.“
Was genau genommen keine Frage ist, eher schon eine – grammatikalisch nicht ganz korrekte – Provokation, denn geredet hat Robert Farle, der mit AfD-Direktmandat ins Parlament eingezogen ist. Für die Rechtsaußenpartei hat kurz zuvor schon Petr Bystron Scholz vorgeworfen, er habe an diesem „historischen Tag“ die „Fundamente der deutschen Außenpolitik der Nachkriegszeit“ geschleift und das Vermächtnis seiner SPD-Vorgänger Willy Brandt und Helmut Schmidt „mit Füßen getreten“.
Und Scholz hat geantwortet: „Ja, es ist ein Bruch mit all den großen politischen Errungenschaften“, für die gerade Brandt und Schmidt stünden, „dass Russland die Ukraine angegriffen hat.“ Applaus im Parlament. Zu diesen Errungenschaften, schiebt Scholz hinterher, gehöre nämlich auch die Übereinkunft der OSZE-Staaten, dass in Europa Grenzen nicht gewaltsam verschoben würden.
Seit dem Vorabend weiß die Welt, dass Scholz sich nach langem Zögern nun doch entschlossen hat, der von Russland überfallenen Ukraine Kampfpanzer zu liefern. Am späten Vormittag hat dann der Regierungssprecher bestätigt, Deutschland selbst stelle 14 Leopard-2 aus Bundeswehrbeständen zur Verfügung, „weitere europäische Partner“ trügen Panzer aus ihren Beständen bei.
Nun, kurz nach eins am Mittag im Bundestag äußert sich Scholz zum ersten Mal selbst und teilt mit, dass Deutschland sich auch um „Ausbildung, Logistik, Munition und Wartung der Systeme“ kümmern werde. Und auch das sagt der Kanzler: „Es war richtig und es ist richtig, dass wir uns nicht haben treiben lassen.“
Es war richtig und es ist richtig, dass wir uns nicht haben treiben lassen.
Der deutsche Kanzler Olaf Scholz
Deutschland gespalten in der Panzer-Frage
Später wird er den Verteidigungsexperten der Union, Jürgen Hardt, der ihm Saumseligkeit vorwirft und daraus resultierenden „erheblichen Flurschaden“, bescheiden: „Es wäre ein Fehler, ein schlimmer, ein schwerer Fehler, in dieser Frage alleine voran zu marschieren, es ist notwendig, dass man sich miteinander abstimmt.“ Und hinzufügen: „Viele Bürgerinnen und Bürger fürchten sich davor, so regiert zu werden, wie Sie das vorschlagen.“
Tatsächlich ist Deutschland in der Panzer-Frage gespalten. Infratest-dimap hat für die ARD ermittelt, dass 46 Prozent fürs Leopard-Liefern sind und 43 dagegen. Forsa hat für RTL/ntv noch knappere Werte erfragt: 44 Prozent dafür und 45 dagegen.
In den Mutmaßungen im Regierungsviertel darüber, weshalb Scholz seine Entscheidung so lange hinauszögerte, weshalb er dabei Krach riskierte, nicht nur innerhalb seiner Ampel-Koalition, sondern zugleich auch noch mit dem wichtigsten deutschen Verbündeten, den USA: Da spielte die Stimmungslage der Regierten fast immer eine Rolle.
Jetzt, im Bundestag, sagt Scholz: „Es gibt in diesem Land viele Bürgerinnen und Bürger, die sich Sorgen machen, auch angesichts der Dimension dieser Waffe.“
Später wird er von seinen Koalitionspartnern, Grüne wie FDP, hören, dass seine Entscheidung richtig sei. Das ist keine Überraschung. Beide hatten öffentlich und laut ein schnelleres Ja zu den Panzern verlangt, seine eigene Fraktion zeigte sich gespaltener und defensiver. Jetzt lobt die zuvor laut gegen Scholz zürnende Chefin des Verteidigungsausschusses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann (FDP), den Kanzler dafür, dass es ein „breites Bündnis“ gebe unter den internationalen Partnern.
Allein die Bundesrepublik Deutschland und die Bundesregierung haben eine frühere Entscheidung verhindert.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz
Opposition zürnt
Nicht alle allerdings finden Scholzens Strategie, auf einer Beteiligung auch der USA beim Panzer-Liefern zu bestehen, wirklich klug. Die Kritiker zählen auf: Die Stärkung der Ukraine wurde verzögert, Washington genervt, Europa gespalten und als schwach hingestellt – und die eben von Scholzens Partei, der SPD, für Deutschland festgeschriebene außenpolitische „Führungsrolle“ lasse sich beim Kanzler nun wirklich nicht erkennen.
„Allein die Bundesrepublik Deutschland und die Bundesregierung haben eine frühere Entscheidung verhindert“, zürnt am Nachmittag im Parlament Unionsfraktionschef Friedrich Merz. Und schiebt hinterher, Scholz habe die Öffentlichkeit über seine Beweggründe im Unklaren gelassen.
Die scheinen da aber schon deutlicher, mindestens etwas. „Bodentruppen“, bescheidet Scholz den AfD-Mann Farle, „werden wir in keinem Fall schicken.“ Und dann kommen die Sätze mit dem Vertrauen. Zum zweiten Mal schon – binnen gerade mal einer halben Stunde.
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