Belgisches Volksfest: Rassismusvorwürfe bei der "Ducasse" von Ath
Belgisches Volksfest: Rassismusvorwürfe bei der "Ducasse" von Ath
(KNA) - Ein Farbiger mit Nasenring und Federn auf dem Kopf zieht durch die Straßen, angekettet an einem fahrenden Schiff und mit wildem Ausdruck. Die Menge am Straßenrand feiert ausgelassen. In Belgien ist das keine Szene aus der Kolonialzeit unter Leopold II., sondern aus dem Jahr 2018. Im westbelgischen Ath ist der Umzug mit dem "Sauvage", dem Wilden, der Höhepunkt der jährlichen Kirmes, die am Wochenende stattfindet. Die Antirassismusgruppe "Bruxelles Panthères" will das ändern. "Es ist negrophob, sich das Gesicht schwarz anzumalen", sagt der Sprecher der "Bruxelles Panthères", Mouhad Regif. Er fordert, dass der sogenannte "Sauvage" entweder nicht mehr schwarz geschminkt wird oder gar nicht mehr auftaucht im Umzug.
"Eines der berühmtesten Folklorefeste"
Die Belgier lieben ihre Prozessionen, bei denen sich religiöse Motive und weltliche Legenden und Figuren seltsam verweben. Da gibt es das Katzenfest mit Hexenverbrennung in Ypern alle drei Jahre im Mai, das Waltraudsfest mit Drachenkampf in Mons nach Pfingsten und eben das Fest der Riesen in Ath. Der belgische Tourismusverband Wallonie beschreibt es als "eines der berühmtesten Folklorefeste Belgiens". Die "Ducasse" (Kirmes) geht auf das 15. Jahrhundert zurück und inszeniert die Riesen von Ath wie eine Art Goliath, als Oberhäupter der Feierlichkeiten.
Seit 2005 ist die "Ducasse von Ath" als immaterielles Kulturerbe der Unesco anerkannt. Regif findet das unhaltbar. "In einem Brief an die Unesco haben wir gefordert, dass das Fest von Ath von der Kulturerbeliste gestrichen wird", sagt er. Außerdem hatte die Gruppe eine Bürgeraktion für den Tag des Umzugs am Sonntag geplant, um mehr Bewusstsein für das Thema zu schaffen. "Leider wurde unser Vorhaben nicht genehmigt", sagt Regif. Die Sicherheit könne nicht gewährleistet werden, teilten Polizei und Bürgermeister mit.
Es ärgert mich, dass Farbige aufgrund ihrer Hautfarbe Schwierigkeiten haben, eine Wohnung, eine Arbeit oder eine gute Schule für ihre Kinder zu finden.
Der Bürgermeister von Ath, Bruno Lefèbvre, setzt auf Dialog. Er lud die Gruppe am Mittwoch zu einem Treffen in Ath ein. "Ich möchte nicht, dass wir nur über das Internet kommunizieren", sagt er. Nachdem das Treffen bekannt geworden war, erhielt Regif Beleidigungen und Drohungen. Den Ort des Treffens erfuhr er aus Sicherheitsgründen erst kurz zuvor. "Zu Anfang der Begegnung war die Atmosphäre eher kühl", berichtet Regif, doch danach seien die Argumente ausgetauscht worden. Die "Bruxelles Panthères" sehen in der Verkleidung des Mannes als "Sauvage" und dem Anmalen mit schwarzer Farbe eine Verbreitung eines überholten Klischees. Sie setzen sich gegen eine strukturelle Diskriminierung afrikanischstämmiger Belgier ein.
"Es ärgert mich, dass Farbige aufgrund ihrer Hautfarbe Schwierigkeiten haben, eine Wohnung, eine Arbeit oder eine gute Schule für ihre Kinder zu finden", klagt Regif. Für Lefèbvre ist der Umzug mit dem "Sauvage" indes Folklore. "Es gibt keine Bezüge zu Negrophobie oder Diskriminierung", sagt er. Der "Wilde" sei die beliebteste Figur des Umzugs. "Rassismus ist kein Problem in Ath", meint der Bürgermeister. "Für den Umzug am Sonntag wird es keine Veränderung geben, aber eine Entwicklung ist möglich."
Umstrittenes Erbe der Kolonialzeit
Belgien sucht noch dem richtigen Umgang mit dem kolonialen Erbe. Das wurde zuletzt bei der Wiedereröffnung des Afrika-Museums im Dezember 2018 deutlich. Zwar sind einige umstrittene Gegenstände wie der "Leopardenmensch" von Paul Wissaert aus dem Jahr 1913 in einem Raum für ausrangierte Exponate ausgestellt, aber Beschriftungen wie "Belgien bringt Zivilisation in den Kongo" sind weiterhin größtenteils unkommentiert zu sehen. Zuletzt machte das Afrika-Museum Anfang August Schlagzeilen, weil Gäste zu einer Afrika-Motto-Party mit schwarz angemaltem Gesicht erschienen. Das Museum entschuldigte sich.
Der Direktor der belgischen Antidiskriminierungsstelle, Unia, Patrick Charlier, sieht "Blackfacing", bei dem sich weiße Menschen schwarz schminken, in einem größeren Zusammenhang. "Wir brauchen eine Reflexion über den Umgang mit der kolonialen Vergangenheit in Belgien", sagt er. "Blackfacing" sei nicht nur in Ath ein Problem, sondern etwa auch beim Gehilfen des Nikolaus, dem "Zwarten Piet". Wichtig sei es, dass alle Belgier - mit und ohne afrikanische Wurzeln - an der Debatte beteiligt würden. Neuen Schwung könnte im September der Bericht einer UN-Expertengruppe zum Umgang mit Menschen afrikanischer Abstammung in Belgien bringen.
Antisemitischer Eklat im Aalster Straßenkarneval
Anfang 2019 hatte im flämischen Aalst eine Karnevalsgruppe für Aufsehen gesorgt, die einen Motivwagen mit stark antisemitischen Klischees ausgestattet hatte. Der geschmacklose Beitrag zum Aalster Straßenkarneval, der klischeehaft überzeichnete Judenfiguren in Zusammenhang mit Ratten und Geldsäcken brachte, wurde national und international heftig kritisiert. Auch die Europäische Kommission verurteilte den Vorfall.
Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter und Instagram und abonnieren Sie unseren Newsletter.
Als Abonnent wissen Sie mehr
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
