Wählen Sie Ihre Nachrichten​

Beispiellose Demonstration gegen den Terror
International 19 4 Min. 11.01.2015 Aus unserem online-Archiv
Bettel: Alltag nicht von der Angst bestimmen lassen

Beispiellose Demonstration gegen den Terror

International 19 4 Min. 11.01.2015 Aus unserem online-Archiv
Bettel: Alltag nicht von der Angst bestimmen lassen

Beispiellose Demonstration gegen den Terror

Was für eine Mobilisierung gegen den Terror! Die Welt ist in Paris vereint in ihrer Trauer um die jüngsten Opfer islamistischer Gewalt. Die Franzosen flankieren den Protestmarsch mit einer enormen Welle der Solidarität.

(dpa/CBu) - Schon Stunden vor dem Marsch gegen den Terror ist der Platz der Republik in Paris schwarz vor Menschen. Nach der islamistischen Gewaltserie wollten Hunderttausende ihre Solidarität mit den 17 Opfern demonstrieren. Dutzende Staats- und Regierungschefs sind zu dem historischen Schweigemarsch gekommen. Sie stellen ihren Schulterschluss mit Frankreich und dem von einem schweren Attentat heimgesuchten Satiremagazin „Charlie Hebdo“ unter Beweis.

Die Mobilisierung ist beispiellos. Beispiellos waren aber auch die Verbrechen, die das Land über Tage in Atem hielten. Paris ist deshalb in einem Ausnahmezustand - es gilt die höchste Sicherheitsstufe. Auch außerhalb der Hauptstadt gingen nach noch nicht abgeschlossenen Berechnungen mehr als eine Million Menschen gegen den Terror auf die Straße - zum Beispiel in Metz, Strasbourg, Rennes, Nizza und Brest.

Bettel: Starke Solidaritätsbekundung

Auch Luxemburgs Premier Xavier Bettel war in Paris und marschierte für die Meinungsfreiheit und den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Bettel zeigte sich im LW-Gespräch "sehr beeindruckt" von den Massen, die sich in Paris zusammenfanden und den "starken Solidaritätsbekundungen" für Frankreich aus der ganzen Welt. Vertreter aller Religionen, aller sozialen Schichten, jeden Alters zeigten sich in den Straßen von Paris. "Je suis Charlie", "Je suis Juif", "Je suis policier" - überall konnte man laut Bettel Plakate mit diesen Botschaften sehen.

Xavier Bettel am Elysée-Palast, kurz bevor die Trauerkundgebung begann.
Xavier Bettel am Elysée-Palast, kurz bevor die Trauerkundgebung begann.
AFP

"Wir haben gezeigt, dass uns die Geschehnisse nicht egal sind und stehen auf für die Werte, die uns wichtig sind", sagt der Premier. In Bezug auf das in ganz Europa zunehmende diffuse Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung gibt Bettel zu bedenken, dass man Panik vermeiden solle. "Wir dürfen unseren Alltag nicht von der Angst bestimmen lassen. Das würde nur den Terroristen und Extremisten recht geben." Ebenso müsse man dafür sorgen, dass angesichts der Taten der gesellschaftliche Zusammenhalt bestehen bleibe oder sogar noch größer werde. Man dürfe auf Extremismus nicht mit extremen Maßnahmen reagieren, warnt Bettel.

Mit Blick auf Luxemburg wiederholt der Staatsminister, dass es keine Informationen gebe, die auf eine akute Anschlagsgefahr hindeuten. Man müsse jedoch "wachsam bleiben". Politisch gesehen gelte es jetzt den Informationsaustausch der Geheimdienste und die Terrorbekämpfung in der EU zu verstärken bzw. zu "optimieren". Dabei müsse man aber auch die Balance zwischen Gefahrenbekämpfung und den Errungenschaften der freiheitlichen Gesellschaft wahren, so Bettel. "Wir müssen trotz allem unsere Grundwerte wie Freiheit und das Recht auf Privatleben beibehalten."

Paris - Hauptstadt der Welt

„Paris ist heute Welthauptstadt“ - Welthauptstadt der Solidarität und Geschlossenheit, ruft Staatspräsident François Hollande aus, bevor er sich bei den internationalen Spitzenpolitikern einreiht. Unter anderem sind EU-Kommissionspräsident Juncker, Luxemburgs Premier Bettel, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas dabei. Hollande und Merkel haken sich kurz ein. Viele internationale Medien sind präsent, wie TV-Kameras auf Kränen und Übertragungswagen zeigen.

Drei oder, je nach Route, dreieinhalb Kilometer sind es, die an diesem Sonntag unter dem teils bewölkten Pariser Himmel zurückgelegt werden. Auf den Dächern wachen Scharfschützen über die Sicherheit der prominenten Demonstranten, Polizei und Militär begleiten die Menge. Die Kanalisation haben sie zuvor auf Bomben kontrolliert.

„Je suis Charlie, policier, juif“ (ich bin Charlie, Polizist, Jude) steht auf dem Schild einer jungen Demonstrantin, die damit gleich an alle Opfer der schlimmen Serie von Attentaten und Geiselnahmen der vergangenen Tage erinnert. Denn in einem koscheren Geschäft fielen vier Menschen einem der drei islamistischen Gewalttäter zum Opfer.

Seitdem geht ein Ruck durch Frankreich, gespeist von Entsetzen und Wut, vom Wunsch nach Anteilnahme und Solidarität. „Ich bin Charlie“, das hat sich die Lehrerin Gudrun auf Deutsch für den Marsch gemalt, um sich in den großen Marsch zu der Place de la Nation einzureihen.

„Holt eure Stifte heraus“, fordern Schilder in Verbeugung vor den vier Cartoonisten, die neben acht anderen Menschen beim Anschlag auf „Charlie Hebdo“ kaltblütig umgebracht worden waren. „Die Franzosen sind stark in solchen Augenblicken“, meint der 18-jährige Xavier Declerck, um ganz differenziert anzufügen: „Nicht der Islam hat uns angegriffen, es sind Terroristen, die uns angegriffen haben.“

Trotz wechselhalten Winterwetters fühlen sie sich durch die internationale Solidarität gewärmt. Und diesmal folgen sie ihrem sonst nicht sehr geschätzten sozialistischen Staatschef Hollande, der diese Losung ausgegeben hatte: „Das Land muss sich erheben.“ Die nationale Einheit, das Zusammenrücken sollten manifestiert werden. Und so gehen auch am Sonntag nicht nur in Paris Hunderttausende „Charlies“ auf die Straße, viele mit der französischen Trikolore ganz fest in der Hand.


Lesen Sie mehr zu diesem Thema

Chronologie des Terrors
Seit 2015 ist Frankreich mehrfach von Terroranschlägen erschüttert worden. Ein Überblick.
Seit dem blutigen Anschlag auf die Redaktion von "Charlie Hebdo" im Januar 2015 reißen die Attentate nicht ab.
Das mächtigste Stahlgerüst wirkt an diesem Wochenende verwundbar. Die Lichter werden abgeschaltet. In den Herzen der Menschen brennt sein Licht jedoch unaufhaltsam weiter. Stärker und heller als jemals zuvor.
A man shows his hands with "Paris" gather to observe a minute of silence on November 16, 2015 in the city centre of Rennes, western France, to pay tribute to victims of the attacks claimed by Islamic State Organisation which killed at least 129 people and left more than 350 injured on November 13 AFP PHOTO / DAMIEN MEYER
Die Welt trauert mit Paris
Kerzen, Gebete, Gebäude angestrahlt in Blau-Weiß-Rot: Die Anschläge von Paris haben international Bestürzung ausgelöst. Staats- und Regierungschefs aus aller Welt stellen sich an die Seite Frankreichs.
Das Opernhaus in Sydney.
Nach der Anschlagsserie gilt in Frankreich weiter die höchste Terrorwarnstufe. Das Militär soll zusätzlich für Sicherheit sorgen. Die Regierung plant neue Schritte im Kampf gegen Islamisten.
Jüdische Schulen in Paris werden von Sodaletn bewaffnet.
Trauer und Erleichterung nach den Geiselnahmen
Drei Tage lang fühlen sich die Franzosen wie in einem Alptraum. Nach dem Terroranschlag auf „Charlie Hebdo“ und auf die Meinungsfreiheit ist Trauer angesagt. Hinzu kommen nun Erleichterung und auch Trotz.
Die Franzosen trauern um die Opfer, sind aber auch froh, dass die Geiselnahmen beendet sind.