Bausch über Grenzkontrollen: "Hektische Entscheidungen bringen nichts"
Bausch über Grenzkontrollen: "Hektische Entscheidungen bringen nichts"
Nach dem Videogipfel der EU-Staats- und Regierungschefs am Dienstag tagten am Mittwoch die Verkehrs- und Transportminister der 27 EU-Staaten per Videokonferenz. Auch bei diesem Treffen ging es darum, die Antworten der EU-Staaten auf die Ausbreitung des Corona-Virus besser untereinander zu koordinieren. Die massiv zunehmende Zahl der Covid-19-Patienten auf dem Kontinent löste in den vergangenen Tagen zahlreiche einseitige Entscheidungen der Mitgliedstaaten aus – viele, darunter Ungarn, Tschechien oder Spanien entschieden, ihre Grenzen zu schließen; Luxemburgs Nachbarländer Deutschland und Frankreich haben die Kontrollen an den Grenzen zumindest verschärft.
Luxemburgs Transportminister François Bausch (Déi Gréng) plädierte beim Treffen „für mehr Solidarität und Koordination“ unter den EU-Staaten. „Ansonsten schaffen wir es nicht aus dieser Krise“, so der Vizepremier im Gespräch mit dem „Luxemburger Wort“.
Der Transportminister kritisiert dabei die Entscheidungen einiger EU-Staaten, die Schlagbäume sofort fallen zu lassen, ohne über die Folgen von derartigen Aktionen für die Lieferketten oder die Nachbarstaaten nachzudenken: „Es gibt derzeit einen unheimlichen Druck, um schnelle Entscheidungen zu treffen. Und natürlich braucht es auch drastische Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Krankheit“, so Bausch, doch „hektische und undurchdachte Entscheidungen bringen nichts“.
"Luxemburg darf keine Insel werden"
Im Gegenteil: Sie können Staaten wie Luxemburg sogar zusätzlichen Gefahren ausliefern: „Als kleines Land dürfen wir nicht zur Insel auf dem Kontinent werden, weil rundherum alles geschlossen ist“, warnt Bausch. „Güter müssen weiterhin hierhin ankommen, damit es nicht zu Engpässen kommt“. Der Minister erwähnt dabei auch das Beispiel der Lastwagen an der polnischen Grenze, die in den vergangenen Tagen 60 Kilometer im Stau standen. „Die Folgen von derartigen Maßnahmen müssen bedacht werden.“
Das habe mittlerweile jeder in der EU verstanden, so der Minister weiter. Doch bedauert er, dass einige EU-Partner dennoch regelmäßig Maßnahmen ergreifen, ohne diese mit den betroffenen Nachbarstaaten abzuklären. „Es ist sehr mühsam, über neue Maßnahmen an den eigenen Grenzen in den Medien informiert zu werden“, so François Bausch.
Besonders, weil es sich bei Grenzschließungen oft um eine „psychologische“ Aktion handelt, die zur Eindämmung der Krankheit wenig dient: „Ich zweifele daran, dass es aus deutscher Sicht etwas bringt, Luxemburg als Risikogebiet einzustufen – denn derzeit ist ganz Europa ein Risikogebiet. Indem wir gegenseitig mit dem Finger aufeinander zeigen, kommen wir nicht aus dieser Krise. Es braucht dagegen Solidarität und Geschlossenheit.“
Xavier Bettel schlägt auch Alarm
François Bauschs Appell an seine Amtskollegen folgt dem Aufruf des Premierministers Xavier Bettel (DP) an die EU-Kommission und die Staats- und Regierungschefs von Dienstagabend. Laut Bettels Umfeld, soll der Premier seine Amtskollegen davor gewarnt haben, dass lange Wartezeiten an den Grenzen von Luxemburg „Menschenleben kosten könnten“, da Ärzte und Pflegepersonal aus den Grenzregionen nicht rechtzeitig zur Arbeit kämen.
Für den Vizepremier Bausch „müssten die Vorteile der EU nun besonders spürbar sein, doch leider fehlt es derzeit an Koordination und Solidarität“. Sinnvoll, so Bausch weiter, wäre die Einrichtung einer gemeinsamen EU-Plattform, damit nationale Behörden ständig Informationen austauschen und über Maßnahmen im Transportbereich beraten können. „Es bringt nichts, Lastwagenfahrer an jeder nationalen Grenze Fieber zu messen... es müsste doch möglich sein, sich gemeinsam auf ein System zu verständigen, das für Lieferketten weniger schädlich ist.
Das sehen deutsche EU-Politiker ähnlich. „Produkte, die heute in Italien gebraucht werden, können morgen in Deutschland benötigt werden und übermorgen in Frankreich, Spanien oder Österreich – darunter fällt vor allem medizinische Ausrüstung“, sagt etwa Jens Geier, der Mitglied der sozialdemokratischen Fraktion im EU-Parlament ist.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeigte am Dienstag viel Verständnis für Luxemburg. Ihre Behörde gibt sich allerdings derzeit eher vorsichtig, was Grenzschließungen innerhalb der EU angeht. „Wir versuchen, die gegenwärtige Lage zu verwalten. Das ist nun einmal die Realität“, so ein Sprecher der Kommission über die Einführung von nationalen Grenzkontrollen wegen der Corona-Krise.
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