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Ausgerechnet im Iran war das Kopftuch einst verboten
International 3 Min. 07.03.2023
Frauenbewegung im Iran

Ausgerechnet im Iran war das Kopftuch einst verboten

Nasibe Samsaei, eine in der Türkei lebende Iranerin, schneidet sich ihren Pferdeschwanz ab. Das Foto vom September 2022 rund um die Proteste im Iran zählt zu den Fotos des Jahres der Nachrichtenagentur AFP.
Frauenbewegung im Iran

Ausgerechnet im Iran war das Kopftuch einst verboten

Nasibe Samsaei, eine in der Türkei lebende Iranerin, schneidet sich ihren Pferdeschwanz ab. Das Foto vom September 2022 rund um die Proteste im Iran zählt zu den Fotos des Jahres der Nachrichtenagentur AFP.
Foto: AFP
International 3 Min. 07.03.2023
Frauenbewegung im Iran

Ausgerechnet im Iran war das Kopftuch einst verboten

Die iranische Frauenbewegung ist für den politischen Wandel im Iran von zentraler Bedeutung. Ein historischer Rückblick.

Von Michael Wrase

Es war Ayatollah Khomeini, der den iranischen Frauen den Krieg erklärt hatte. Wenige Wochen nach dem Sieg der Revolution im Jahr 1979 verkündete er in einer Rede, dass es fortan ihre „heilige Pflicht“ sei, den Hijab (Kopftuch) zu tragen. Gleichzeitig setzte der Geistliche das von der iranischen Frauenbewegung errungene „Gesetz zum Schutz der Familie“ aus dem Jahr 1967, das vor allem die Bereiche Ehe und Scheidung betraf, außer Kraft.


Candles and pictures of Mahsa Amini are placed at a memorial during a candlelight vigil for Mahsa Amini who died in custody of Iran's morality police, in Los Angeles, California, September 29, 2022. - Amini's death after her arrest by Iran's morality police has sparked a wave of unrest since the 22-year-old died on September 16 after her arrest for allegedly failing to observe Iran's strict dress code for women. The street violence has led to the deaths of dozens of people -- mostly protesters but also members of the security forces -- and hundreds of arrests. (Photo by RINGO CHIU / AFP)
Der Kampf der Iranerinnen ist auch unser Kampf
Seit Wochen protestieren die Iranerinnen und Iraner gegen ihr Regime. Es liegt in unserem Interesse, sie mehr zu unterstützen.

Die Antwort der Betroffenen ließ nicht lange auf sich warten. Am 8. März 1979, dem internationalen Frauentag, gingen Zehntausende, Frauen und Männer, auf die Straßen, um gegen das frauenfeindliche Vorgehen der neuen Machthaber in Teheran zu demonstrieren. Die landesweiten Proteste dauerten vier Tage, bis sie von der Polizei brutal niedergeschlagen wurden.

Sukzessiv setzte der islamische Staat die neue Kleiderordnung durch. Das neue Ehe– und Familienrecht privilegierte die Männer, die nun entscheiden konnten, ob ihre Töchter heiraten, studieren oder arbeiten dürfen. Erst zu Beginn der 90er-Jahre gelang es den iranischen Frauen unter den Präsidenten Haschemi Rafsandschani und Mohammed Chatami, eine Lockerung der repressiven Kleiderordnung durchzusetzen.

Rufe nach einem Umsturz des Regimes

Der Hijab rutschte nun immer weiter nach hinten. Auch die Kleider wurden kürzer und enger, die Lippenstifte immer greller. Im Jahr 2014 begannen die iranischen Frauen sogar, ihr Kopftuch in der Öffentlichkeit ganz abzulegen. Ihre von Frauenorganisationen in der ganzen Welt unterstützten Protestaktionen konnten im Rahmen der Kampagne „My Stealthy Freedom“ – meine heimliche Freiheit – wirkungsvoll in den sozialen Medien dokumentiert werden.

Die meisten iranischen Frauen hatten bis zu diesem Zeitpunkt noch gehofft, Freiheit, Demokratie und politische Reformen innerhalb des islamischen Systems durchsetzen zu können. Erst seit 2017 wurden die Stimmen derjenigen, die einen „Regime-Change“ in Teheran forderten, langsam lauter. Auf Orkanstärke schwollen die Stimmen der Wut und Entrüstung im Iran allerdings erst nach der Machtübernahme von Präsident Ibrahim Raisi im August 2021 an.


"Als Frau musst du sehr stark sein": Zwei Monate nach Tod von Mahsa Amnini - Gespräch mit Lux-Iranerin Aida Nazarikhorram
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Iranerin in Luxemburg: "Wir werden frei sein"
Die Luxemburgerin Aida Nazarikhorram fiebert mit den Protesten in ihrer alten Heimat Iran mit. Sie hat selbst mit der Sittenpolizei zu tun gehabt.

Der reaktionäre Geistliche, der als Staatsanwalt Ende der 80er-Jahre mehr als 5.000 Oppositionelle zum Tode verurteilt hatte, wollte sein Land wieder zu „islamischen Tugenden“ zurückführen. Mit seinem repressiven Handeln sorgte Raisi jedoch dafür, dass der ohnehin tiefe Graben zwischen der herrschenden Geistlichkeit und der iranischen Zivilgesellschaft unüberbrückbar wurde.

„Zan, Zendegi, Azadi“ – Frau, Leben, Freiheit - lautet seit dem Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini der Slogan der Protestbewegung. Mit der öffentlichen Verbrennung von Kopftüchern, dem Symbol für die Unterdrückung der Frau seit der Revolution von 1979, sagten sie dem Regime den Kampf an. „Die Protestwelle in Aminis Namen“, betont der iranische Politikwissenschaftler Homayoun Alizadeh, „ist ein Zeichen für die breite Unterstützung der politischen Macht und Handlungsfähigkeit von Frauen, die für den politischen Wandel im Iran von zentraler Bedeutung ist.“

Das Tragen des Schleiers war einst verboten

Die Frauenbewegung im Iran hat eine lange Tradition. Bereits 1891 unterstützten iranische Frauen die Proteste gegen den damaligen König Nasser al-Din. Aus Geldnot hatte er das Tabakmonopol an britische Militärs vergeben. Nicht nur die Männer verzichteten daraufhin auf ihre Wasserpfeifen. Auch die Haremsdamen im Königspalast weigerten sich, dem Monarchen seine tägliche Wasserpfeife vorzubereiten. Der revidierte wenig später seine Entscheidung. 

Die „Tabak-Bewegung“ gilt als die Keimzelle der konstitutionellen Revolution im Iran. Als Reza Khan, der erste König der Pahlavi-Dynastie, 1925 an die Macht kam, verbot er den Frauen das Tragen des Schleiers. Iran solle ein moderner Staat werden - so begründete er den radikalen Schritt. Unter seinem Sohn Mohammed Reza stieß die von oben verordnete Modernisierung zunehmend auf Ablehnung. Es ging dabei weniger um die Verhüllung, sondern um die Tatsache, dass Ende der 70er-Jahre im vermeintlich „modernen Iran“ fast 50 Prozent unterhalb der Armutsgrenze, der Schah dagegen in Saus und Braus lebte.


-- AFP PICTURES OF THE YEAR 2022 --

A protester holds a portrait of Mahsa Amini  during a demonstration in support of Amini, a young Iranian woman who died after being arrested in Tehran by the Islamic Republic's morality police, on Istiklal avenue in Istanbul on September 20, 2022. - Amini, 22, was on a visit with her family to the Iranian capital when she was detained on September 13 by the police unit responsible for enforcing Iran's strict dress code for women, including the wearing of the headscarf in public. She was declared dead on September 16 by state television after having spent three days in a coma. (Photo by Ozan KOSE / AFP) / AFP PICTURES OF THE YEAR 2022
Freiheitsdrang lässt sich nicht unterdrücken
In China und Iran gehen die Menschen auf die Straße. Die Regime machen Zugeständnisse, um ihre Macht zu erhalten.

So waren es erneut die iranischen Frauen, die sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben der Revolution anschlossen. Dass Khomeini – wie sein Amtsvorgänger Mohammed Reza – wie ein Diktator regieren würde, hatten die iranischen Frauen nicht erwartet. Ihnen blieb daher keine andere Wahl, als ihren langen Freiheitskampf fortzusetzen.

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