Asselborn: "Die Ukrainer wissen, dass sie 'One-Shot' haben"
Asselborn: "Die Ukrainer wissen, dass sie 'One-Shot' haben"
Für den luxemburgischen Außenminister Jean Asselborn ist die erwartete militärische Frühjahrsoffensive der Ukraine von herausragender Bedeutung. „Die Ukrainer wissen, dass sie 'One-Shot' haben, das gibt keine drei Möglichkeiten, das zu tun“, sagt Asselborn im Podcast „Wortwechsel“ des „Luxemburger Wort“. Es gehe darum, Putin in eine Position zu bringen, „wo er einsieht, dass er militärisch den Krieg nicht gewinnen kann“.
Als Diplomat sei es für ihn schlimm, sich für Waffenlieferungen einsetzen zu müssen, doch es gebe dazu keine Alternative: „Wenn die Ukraine unter Druck sagen wir mal einen Zwangsfrieden aufgedrückt bekommt, dann hat Putin gewonnen - und dann wird Putin nicht stehenbleiben in der Ukraine“, so Asselborn im Gespräch mit LW-Journalist Michael Merten.
Auf welche Weise das Land verteidigt werde, das sei Sache der Ukrainer. Mit Blick auf Äußerungen des früheren US-Außenministers Henry Kissinger, der kürzlich über ein Kriegsende unter Verzicht auf die russisch besetzte Halbinsel Krim spekuliert hat, sagt Asselborn: „Und es ist an ihnen, zu entscheiden, Krim oder nicht Krim, Luhansk oder nicht Luhansk und so weiter.“
Selbstkritischer Blick zurück
Der dienstälteste Außenminister der EU betont, dass er nicht sicher sei, ob unter der Herrschaft Wladimir Putins ein Frieden abgeschlossen werden könne. „Es kann nur in dem Moment geschehen, in dem in Russland eingesehen wird - auch über Putin hinaus - dass dieser Wahnsinn, der da von Putin losgelöst wurde, zu nichts führt.“
Ausführlich geht Asselborn, der Putin kurz nach seinem Amtsantritt 2004 erstmals begegnete, auf die zunehmende Konfrontation zwischen Russland und dem Westen ein. Selbstkritisch bilanziert der Chefdiplomat den früheren Umgang mit Moskau: „Ich glaube, dass wir einfach nicht wahrhaben wollten in großen Teilen Europas, dass Russland jetzt auf der falschen Schiene ist.“
Ich glaube, dass wir einfach nicht wahrhaben wollten in großen Teilen Europas, dass Russland jetzt auf der falschen Schiene ist.
Jean Asselborn
„Haben wir wirklich alles richtig gemacht?“, fragt sich Asselborn im Podcast. Im Nachhinein bedauert er, dass es mit Beginn der russischen Krim-Invasion 2014 ein weitgehendes Zurück zur Normalität mit vergleichsweise wenigen Sanktionen gegeben habe. „Wenn man in sich hineingeht und man blickt zurück, bin ich schon mit einem Schuldgefühl konfrontiert in mir selbst“, so der 74-Jährige. Einige Wochen vor der Besetzung der Krim sei er noch zu Gesprächen in Moskau gewesen: „Ich war bitter, bitter enttäuscht, dass Russland diesen Weg eingeschlagen hat.“
Keine Umzingelung durch die NATO
Asselborn erinnert an die Situation rund um die Kiewer Euro-Maidan-Massenproteste. Damals, im November 2013, weigerte sich der damalige pro-russische Präsident Viktor Janukowitsch ein Assoziierungsabkommen seines Landes mit der EU zu unterzeichnen. Daraufhin gingen Hunderttausende Menschen für eine EU-Perspektive und gegen Korruption auf die Straße. Asselborn fragt sich: „War es nicht ein Fehler, den Ukrainern zu sagen, entweder ihr schaut nach Osten oder Ihr schaut dann nach Westen? Also Brüssel oder Moskau - da müsst Ihr eine Entscheidung treffen.“ Das habe die Lage angesichts der damals noch starken kulturellen Verwurzelung der Ukraine mit Russland nicht einfacher gemacht.
Doch der Politiker widerspricht deutlich der Darstellung des Kreml, dass die NATO durch ihre Osterweiterung Russland habe umzingeln wollen. Er erinnert an Gipfeltreffen, an denen er gemeinsam mit Putin teilgenommen hat, und betont: „Die einzigen NATO-Truppen, die einmal in Russland waren, waren die, die mit den russischen Soldaten paradiert haben - auf dem Roten Platz am 9. Mai.“
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