Afrika im Corona-Fieber
Afrika im Corona-Fieber
Von LW-Korrespondent Johannes Dieterich (Johannesburg)
Mangelnden Einfallsreichtum kann man ihnen nicht vorwerfen. In Südafrikas Geschäftsmetropole Johannesburg gehen derzeit Gangster von Tür zu Tür, die sich mit gefälschten Dokumenten als Angestellte der Zentralbank ausgeben und die Hausbewohner zur Herausgabe ihres Bargelds auffordern. Die Banknoten seien vom Corona-Virus infiziert und würden zurückerstattet, behaupten die Ganoven: Zur Sicherheit lassen sie eine gefälschte Quittung zurück.
Die südafrikanischen Halunken werden höchstens noch von kenianischen Kollegen übertroffen, die in Nairobi falsche Test-Sets für das Corona-Virus verkaufen: Zehn von ihnen hat die Polizei inzwischen festgenommen. Und in Simbabwe erklärt Verteidigungsminister Oppah Muchinguri, die Corona-Pandemie sei „Gottes Strafe gegenüber Staaten, die Sanktionen gegen uns verhängt haben“ – wobei er Europa und die Vereinigten Staaten im Blick hat.
Katastrophe steht bevor
Das Corona-Fieber hat inzwischen auch auf Afrika übergriffen, was höchstens Dieben und politischen Gangstern zugutekommt. Noch sind die Zahlen mit insgesamt gut 600 Infizierten in 33 der 55 Länder des Kontinents vergleichsweise harmlos – doch Experten erwarten, dass die Fieberkurve in Afrika wesentlich rasanter als in medizinisch besser ausgestatteten Regionen der Welt ansteigen wird.
Als der am meisten betroffene Staat südlich der Sahara erlebt Südafrika mit täglich bis zu 50 zusätzlich Infizierten derzeit den bedrohlichsten Anstieg: Von heute rund 120 könnte die Zahl der Angesteckten bis Ende des Monats bereits bei 4.000 angelangt sein, rechnen Statistiker vor. „Und wenn das Virus erst seinen Weg in die Slums gefunden hat“, prognostiziert die Kapstädter Gesundheitsökonomin Susan Cleary: „Dann wird es zur Katastrophe kommen.“
Reisebeschränkungen
In einem unerwartet drastischen Schritt hatte Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa am Sonntag den Ausnahmezustand über das Land verhängt und ein Einreiseverbot für Besucher aus Hochrisikostaaten wie China und Italien, aber auch Deutschland, dem britischen Königreich und den USA ausgesprochen. Sämtliche Schulen und Hochschulen wurden erstmals bis nach Ostern geschlossen, Versammlungen von mehr als 100 Menschen verboten.
Noch können sich die Südafrikaner im eigenen Land frei bewegen: Von allen nicht unbedingt nötigen Reisen wird aber abgeraten. Viele afrikanische Staaten erließen ähnliche Reisebeschränkungen: Kenia, wo gerade mal sieben Fälle registriert wurden, verbietet die Einreise von jedem aus einem vom Corona-Virus heimgesuchten Land – inzwischen immerhin 183 Staaten der Welt.
Nationen wie Kamerun (zehn Infizierte) und Mauretanien (ein Infizierter) schlossen kurzerhand ihre Flughäfen, und Ruandas Regierung verteilte unzählige Waschbecken mit Desinfektionsmitteln in der Hauptstadt Kigali.
Nervös macht Experten vor allem, dass das Virus auch schon in Staatsruinen wie Somalia, der Zentralafrikanischen Republik und der Demokratischen Republik Kongo angelangt ist: Dort kann von einem staatlichen Gesundheitswesen schon lange kein Rede mehr sein. Im Südsudan gibt es landesweit gerade mal 24 Betten in Isolierstationen, und im Kongo tobt derzeit außerdem eine Masern-Epidemie, die bereits weit mehr als 6.000 Menschenleben gefordert hat.
Kenias Präsident betet
Schon jetzt sagen Wirtschaftsexperten dem Kontinent eine Halbierung seines auf 3,4 Prozent prognostizierten Wirtschaftswachstums voraus. Staaten, die wie Kenia, Südafrika, Namibia oder die Seychellen auf den Tourismus angewiesen sind, werden noch viel härter getroffen werden.
Der bevölkerungsreichste afrikanische Staat, Nigeria, wird einen Einkommensverlust von 19 Milliarden US-Dollar zu verkraften haben, und sämtliche afrikanische Fluggesellschaften werden nach Schätzungen des renommierten australischen „Centres for Aviation“ bis in zwei Monaten pleite sein.
Kein Wunder, dass Kenias Präsident Uhuru Kenyatta für Samstag zu einem „nationalen Gebetstag“ aufrief: „Wir haben gelernt“, sagt der Staatschef, „dass Gott uns in unüberwindlich erscheinenden Zeiten die nötige Hoffnung und Stärke geben kann.“
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