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265 Tote - Regierung setzt fast 3.000 Richter ab
International 9 2 Min. 16.07.2016 Aus unserem online-Archiv
Putschversuch in der Türkei

265 Tote - Regierung setzt fast 3.000 Richter ab

Die Regierung hat die Lage in Istanbul offenbar wieder im Griff.
Putschversuch in der Türkei

265 Tote - Regierung setzt fast 3.000 Richter ab

Die Regierung hat die Lage in Istanbul offenbar wieder im Griff.
Foto: AFP
International 9 2 Min. 16.07.2016 Aus unserem online-Archiv
Putschversuch in der Türkei

265 Tote - Regierung setzt fast 3.000 Richter ab

Michèle GANTENBEIN
Michèle GANTENBEIN
Bei dem Putschversuch in der Türkei sind nach aktuellen Angaben 265 Menschen ums Leben gekommen, darunter viele regierungstreue Sicherheitskräfte und Zivilisten. Die Regierung geht unterdessen bereits gegen Oppositionelle vor.

(dpa) - Die Zahl der Toten bei dem Putschversuch in der Türkei ist nach Angaben der Regierung auf 265 gestiegen. Bei 161 der Toten handelt es sich laut Ministerpräsident Binali Yildirim um regierungstreue Sicherheitskräfte oder Zivilisten. Hinzu kommen 104 getötete Putschisten, wie es am Samstag aus Regierungskreisen hieß.

Yildirim sagte, 1.140 Menschen seien verletzt und 2.839 Putschisten aus den Reihen der Streitkräfte festgenommen worden. Die Festnahmen dauerten an.

Die türkische Regierung hat den Putsch für gescheitert erklärt. Präsident Recep Tayyip Erdogan kündigte drastische Strafen gegen die Putschisten an. Nach einer chaotischen Nacht gab er sich am Samstag in Istanbul siegesgewiss: „Die Türkei wird nicht vom Militär regiert“, sagte er und kündigte an, das Militär „vollständig zu säubern“.

Regierung geht gegen Putschisten und Richter vor

Regierungskreisen zufolge sind knapp 3.000 mutmaßliche Umstürzler aus den Reihen der Streitkräfte festgenommen worden. Fünf Generäle und 29 Oberste habe man ihrer Posten enthoben, hieß es am Samstagvormittag. Erdogan sagte, bei den Putschisten handele es sich um eine Minderheit in den Streitkräften. Die Operationen gegen sie im Armee-Hauptquartier in Ankara dauerten am Vormittag an. Die Putschisten besetzten auch den türkischen Fernsehsender CNN Türk.

Laut einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu sind zudem 2.745 Richter abgesetzt worden. Ebenso seien fünf Mitglieder des Hohen Rats der Richter und Staatsanwälte in Ankara vom Dienst entbunden, meldete Anadolu am Samstag. Gegen sie liefen Ermittlungen, hieß es zur Begründung.

Kämpfe und Explosionen

Unter anderem in der Hauptstadt Ankara und in Istanbul hatte es Kämpfe und schwere Explosionen gegeben. Bei Luftangriffen der Putschisten auf das Parlament in Ankara wurde das Gebäude stark beschädigt. Einem Bericht des Senders CNN Türk zufolge gab es Gefechte zwischen Polizei und Militär. Die Armee habe die Polizeidirektion beschossen. Augenzeugen berichteten von Panzern in den Straßen der Hauptstadt. Ministerpräsident Binali Yildirim hatte das Militär in der Nacht angewiesen, von den Putschisten gekaperte Flugzeuge abzuschießen.

Der Ministerpräsident bestellte alle Parteien für Samstagnachmittag zu einer Sondersitzung ins Parlament ein. Sowohl Erdogans islamisch-konservative Partei AKP als auch die drei im Parlament vertretenen Oppositionsparteien - CHP, MHP und die kurdische HDP - hatten sich gegen den Putschversuch gestellt. Erdogan ist ein wichtiger, aber umstrittener Partner der Europäischen Union in der Flüchtlingskrise.

Aufruf zu Gewaltverzicht

Die Vereinten Nationen, die USA und die EU riefen zu Gewaltverzicht auf. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg forderte Zurückhaltung und Respekt vor den demokratischen Institutionen.

In den Straßen von Ankara und der Metropole Istanbul waren in der Nacht Panzer aufgefahren. Menschen rannten in Panik davon, als Schüsse abgegeben wurden und Kampfjets im Tiefflug über die Innenstädte rasten. Einige kletterten auf Panzer und stellten sich Soldaten in den Weg, wie Fernsehbilder zeigten. In Istanbul ergaben sich Soldaten an der Bosporus-Brücke, in der Nähe des Taksim-Platzes führten Polizisten Soldaten in Handschellen ab.

Präsident Erdogan machte die Bewegung eines einstigen Verbündeten, des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen, für den Putschversuch verantwortlich. „Sie werden einen sehr hohen Preis für diesen Verrat zahlen“, sagte Erdogan am Samstagmorgen am Atatürk-Flughafen in Istanbul. Erdogan und Gülen, der in der Türkei inzwischen als Terrorist gilt, hatten sich 2013 überworfen. Gülen verurteilte den Putschversuch per Mitteilung scharf.


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