Zwischen Wachstumswellen und Infektionswellen
Zwischen Wachstumswellen und Infektionswellen
„Die Konjunktur in Europa schwankt zwischen Wachstumswellen und Wellen von Coronavirus-Infektionen“, veranschaulicht die Luxemburger Statistikbehörde Statec am Donnerstag bei der Präsentation ihrer Konjunkturaussichten. Luxemburg ist eindeutig eines der Länder, welche die Gesundheitskrise im Jahr 2020 am besten überstanden haben. In diesem Jahr stieg die Beschäftigung um fast drei Prozent, was sich im nächsten Jahr wiederholen dürfte.
„Die Unternehmensumfragen zeigen bis Oktober weiterhin ein hohes Maß an Zuversicht unter den luxemburgischen Unternehmen, auch wenn die Industrie und das Baugewerbe, wie in der übrigen Eurozone, von Angebotsschwierigkeiten betroffen“, so die Statistiker. Die Arbeitslosigkeit dürfte darum nächstes Jahr auf 5,2 Prozent der Erwerbsbevölkerung sinken. Die Pandemie bleibt dabei die große Unsicherheit.
Die jüngste Verschlechterung der Gesundheitssituation könnte die Entwicklung verschlechtern. „Die Pandemie belastet die Konjunktur“, sagt dazu Statec-Direktor Serge Allegrezza. Gegenüber dem letzten Jahr, das von Pandemie und Lockdowns geprägt war, sind die Wirtschaftsaktivitäten im Land zwar dieses Jahr um sieben Prozent gewachsen. Ein Prozent mehr als die Weltwirtschaft in diesem Jahr wieder zugelegt hat.
Doch die Unsicherheit ist zurück. Was die Entwicklung 2022 betrifft, so hat das Statistikamt darum drei Szenarien entworfen. Im besten Fall steigt die Wirtschaftsleistung um fünf Prozent, im schlechtesten nur um 1,8 Prozent. Abhängig auch von der Situation der Weltwirtschaft. Am wahrscheinlichsten wird nächstes Jahr das Wachstum 3,5 Prozent betragen, ein Prozent weniger als das voraussichtliche Wachstum in der Eurozone insgesamt. Welche Restriktionen in Luxemburg und bei den Handelspartnern zur Pandemiebekämpfung eingesetzt werden, wird ausschlaggebend sein. Lässt der Impfschutz bei weiteren Virus-Varianten nach, wird auch der Konsum abflauen und stattdessen, wie im letzten Jahr auch, die Sparquote anwachsen.
Risiko Pandemie
Bislang hat sich angesichts der anhaltenden Schwierigkeiten die luxemburgische Wirtschaft widerstandsfähig gezeigt. Mit zum Wachstum in diesem Jahr beigetragen habe auch das Homeoffice, so Allegrezza, wodurch möglich gewesen sei, dass trotz Pandemie ohne Unterbrechung weitergearbeitet werden konnte. 2020 hatte die Wirtschaftsleistung (BIP) Luxemburgs um 1,8 Prozent nachgegeben.
Was die Erholung im nächsten Jahr ebenfalls zu bremsen droht, sind die anhaltenden Probleme bei Angebot und Nachfrage, die zu Engpässen in den globalen Produktionsketten führen. Hinzu kommen die in die Höhe geschossenen Energiepreise, die nach Einschätzung der Statec-Analysten zwar im Laufe der nächsten Monate wieder zurückgehen, dennoch die Haushalte im Land kommendes Jahr voraussichtlich mit rund 220 Euro mehr belasten als dieses Jahr.
Dass tendenziell die Energiepreise und vor allem die Strompreise steigen, liegt auch am System der Emissionszertifikate, die immer teurer werden und zum Beispiel bei der Verstromung von Erdgas eine Rolle spielen. Damit nimmt auch der Inflationsdruck zu. Es wird erwartet, dass die Inflation in den Jahren 2021 und 2022 jeweils 2,5 Prozent erreicht und die Kerninflation auf über zwei Prozent steigt.
Eine positive Überraschung in diesem Jahr war, dass die Zahl der Firmenpleiten in Europa und in Luxemburg nicht explodiert sind. Die Maßnahmen zur Stützung der Unternehmen, so Allegrezza, hätten dazu ihren Beitrag geleistet und den Abschwung aufgefangen. Die öffentlichen Ausgaben waren im vergangenen Jahr unter dem Einfluss der Covid-19-Stützungsmaßnahmen mit plus 13 Prozent stark angestiegen.
Tatsächlich befinden sich laut Statec die meisten Branchen in diesem Jahr im grünen Bereich, vor allem die Finanzwirtschaft, die gut lief, wie auch der Luxemburger Außenhandel. In der Industrie ging es dagegen eher mäßig, während der Hotel-, Gaststätten- und Veranstaltungssektor arg durch die Pandemie gebeutelt ist.
Das Insolvenzrisiko ist für Unternehmen außerhalb des Finanzsektors im letzten Jahr auf 32 Prozent gestiegen.
Teurer Diesel
Pandemie und Wirtschaftsentwicklungen hinterlassen ihre Spuren im Staatshaushalt, wo mit 2,5 Milliarden Euro im Laufe der ersten zehn Monate des laufenden Jahres 18,3 Prozent weniger Steuereinnahmen durch Unternehmen festzustellen waren als 2019. Aufgefangen wurde das durch die Investmentfonds im Land, die in dieser Zeit 1,3 Milliarden Euro Steuern zahlten – 24 Prozent mehr als 2019. Vor allem die Haushalte zahlten mehr Steuern, und die Mehrwertsteuereinnahmen nahmen ebenfalls zu, sodass mit 16,3 Milliarden Euro die Steuereinnahmen in diesem Zeitraum sogar 17 Prozent über denen des letzten Jahres lagen und fast zehn Prozent über denen von 2019.
Nach einem Defizit von 3,5 Prozent des BIP im Jahr 2020 dürfte der öffentliche Saldo nach den jüngsten Statec-Prognosen in diesem Jahr damit wieder nahe am Gleichgewicht liegen und 2022 auf 1,4 Prozent ansteigen. Für 2022 erwartet Statec dann eine Verlangsamung der Einnahmen auf etwa acht Prozent. Bei den Staatseinnahmen ist auch ein „Paradigmenwechsel“ zu beobachten, da Kraftstoffe weniger zu den Einnahmen beitragen.
Nach einem Rückgang von 21 Prozent im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr rechnen die Statistiker damit, dass sich die Treibstoffverkäufe im Jahr 2021 infolge der Einführung der CO2-Steuer und der anhaltend geringeren Mobilität in der ersten Jahreshälfte stabilisieren. Inzwischen sind die Luxemburger Tankstellen beim Diesel nicht mehr mit denen in Belgien wettbewerbsfähig: Während die Preise für Privatpersonen immer noch deutlich unter denen der Nachbarländer liegen, sind die Dieselpreise für gewerbliche Kunden in diesem Jahr um fünf Cent pro Liter höher als in Belgien.
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