Wie die Arbeit flexibilisiert werden kann
Wie die Arbeit flexibilisiert werden kann
Die Arbeitswelt wurde durch die Covid-19-Pandemie tiefgreifend erschüttert. Nach der Pandemie und den Erfahrungen mit Homeoffice stellt sich heute mehr denn je die Frage der Work-Life-Balance und der Flexibilisierung der Arbeitszeiten. Die CSV-Abgeordneten Martine Hansen, Marc Spautz und Gilles Roth beantragten deswegen im Parlament eine Diskussion zur Arbeitsorganisation.
„Die letzten Jahre haben wir gesehen, welche Evolution auf dem Arbeitsmarkt stattfinden“, sagt der CSV-Abgeordnete Marc Spautz. Von Teletravail und andere Arbeitsformen, von Arbeitszeitverkürzung oder andere Arbeitszeitorganisation ist die Rede. „Im Koalitionsvertrag steht, dass die Arbeitszeitorganisation reformiert werden soll“, so Spautz. Wichtig sei, dass „endlich mit den Sozialpartnern die Modernisierung des Arbeitsrechts angegangen“ werde, damit eine Flexibilisierung der Arbeit in den Betrieben im Interesse von Personal und Betrieb umgesetzt werden können.
Flexibilität ist vielen Menschen wichtig. Teletravail ist nicht mehr wegzudenken, aber es gibt noch weitere Arbeitsmodelle, so Carole Hartmann (DP). In Pandemie wurde der Alltag entschleunigt, Zeit, die vorher im Verkehrsstau verlorenging, war plötzlich anders nutzbar. Die Mittel zur Arbeitszeitflexibilisierung, die es derzeit gebe, seien aber nur schwer umzusetzen. Mögliche weitere Instrumente, die Arbeitszeit zu flexibilisieren, seien Zeitsparkonten oder bei der Jahresarbeitszeit anzusetzen. Dabei sei im Allgemeinen die beste Lösung, wenn Patron und Beschäftigte im Betrieb selbst direkt Einigungen dazu finden.
Flexibilisierung bedeutet auch weniger Planbarkeit
Dan Kersch (LSAP) warnt allerdings: Das würde oft bedeuten, dass ein Starker mit Schwächeren verhandelt. Darum sei auch ein gesetzlicher Kader geschaffen worden mit dem Arbeitsgesetz von 1999. „Ein Zuwachs von Flexibilität bedeutet vielleicht für Beschäftigte ein paar Tage mehr Urlaub, aber auch weniger Planbarkeit.“
Ein Ziel der Arbeitszeitreform dürfe deswegen nicht sein, dass es nachher Gewinner und Verlierer gebe. Flexibe, so Kersch, heiße nämlich für manche nur, mehr Verfügbarkeit über die Beschäftigten.
„Flexible Regelungen sind heute schon in Betrieben möglich“, so Kersch, der keinen Grund sieht, an diesem Prinzip zu rütteln.
„Mitarbeiterzufriedenheit“, sagt Charles Margue (déi gréng), „ist für den Erfolg des Unternehmens wichtig.“ Eine Verkürzung der Arbeitszeit generell sei aber nicht einfach und auch nicht schnell möglich. „Allein eine Verkürzung der Arbeitszeiten greift zu kurz und wäre eine verpasste Chance“, so der Grünen-Abgeordnete, der in diesem Zusammenhang darauf hinweist, dass 50 Prozent der Beschäftigten im Land auch keinen Kollektivvertrag haben. Arbeit müsse sinnvoll sein, dürfe nicht krank machen und müsse auch Zeit für Freizeitaktivitäten lassen im Einklang mit der jeweiligen Familiensituation. „Wir müssen auch aus der Spirale rauskommen, dass Kinder von sieben Uhr früh bis sieben Uhr abends betreut werden müssen“, so Margue.
Kein Zwang zu Homeoffice
Zu Arbeitszeitverkürzung ist kein einfaches Ja oder Nein möglich, meint Jeff Engelen (adr). Es brauche die Verständigung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, und „niemand darf gezwungen werden, von zu Hause aus zu arbeiten.“ Engelen weist darauf hin, dass kürzere Arbeitszeit auch bedeute, „dass mehr Arbeitskräfte gebraucht werden - die haben wir aber nicht.“
„Die Flexibilisierung der Arbeit“, sagt Myriam Cecchetti (déi Lénk), „hat positive und negative Aspekte.“ Sie warnt davor, dass Freizeit und Arbeitszeit immer mehr verschwimmen, worunter am Ende die Freizeit leide. „Die Trennwand wird porös“, sagt sie. Déi Lénk sprechen sich für eine „substanzielle Arbeitszeitverkürzung“ auf 32-Stunden die Woche aus. Das sei auch mit Sonderurlaubsformen möglich, wie es sie zum Beispiel in Belgien gibt.
Sven Clement (Piratepartei) spricht sich für den Ausbau von Co-Working-Spaces aus, damit das Verkehrsproblem nicht immer größer werde. „Heute verlieren Arbeitnehmer viel Zeit, um den Arbeitsplatz zu erreichen, das senkt Attraktivität des Standorts.“ Teletravail seien wichtig und gut - aber viele könnten gar keine Teletravail machen. „Vor allem für sie ist ein weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten wichtig.“ Das müsse zeitnah umgesetzt werden, um das Wohlbefinden der Arbeitnehmer zu verbessern.
„Zufriedenheit auf der Arbeit wirkt sich auf die Zufriedenheit im Privatleben aus - und umgekehrt“, sagt Arbeitsminister Georges Engel (LSAP) und warnt vor einer permanenten Verfügbarkeit von Arbeitnehmern, wenn von flexiblen Arbeitszeiten die Rede ist. Der technische Fortschritt, so Engel, muss Garant für sozialen Fortschritt sein. Laut Arbeitsminister biete das POT-Gesetz bereits die Flexibilisierung, die viele forderten. Ob eine Umsetzung wirklich kompliziert sei, werde derzeit untersucht. „Neue Arbeitszeitmodelle“, sagt Engel, „müssen einen Mehrwert für Arbeitnehmer und Gesellschaft bedeuten.“ Er verweist auf die Sonntagsarbeit, wodurch Familienzeit und Zeit für die Gesellschaft verloren gehe. Was eine weitere Flexibilisierung der Arbeitswelt angehe, so sieht der Minister als ideales Instrument zur Umsetzung den Kollektivvertrag. Modelle zur Flexibilisierung im Ausland wurden im Rahmen einer Studie untersucht, die Anfang April vorliegt.
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