Wie Corona die Weltwirtschaft infiziert hat
Wie Corona die Weltwirtschaft infiziert hat
Die Weltwirtschaftskrise, die mit dem Börsencrash von 1929 begann, und auch die globale Wirtschafts- und Finanzkrise, die ihren Höhepunkt mit dem Zusammenbruch der US-amerikanischen Großbank Lehman Brothers am 15. September 2008 erreichte, unterscheiden sich beide von den wirtschaftlichen Turbulenzen, die durch das Corona-Virus ausgelöst werden, an einem wesentlichen Punkt: 1929 und 2008 waren immanente Krisen des Systems.
2020 beginnt eine Krise, die von außen, von einem gefährlichen Pathogen, verursacht wird. Alle drei Wendepunkte haben aber eines gemeinsam: Sie kamen unerwartet. Ob sie vermeidbar gewesen wären, steht auf einem anderen Blatt.
Die meisten Volkswirte gehen davon aus, dass aus der anfänglichen Rezession von 1929 keine Weltwirtschaftskrise geworden wäre, wenn die damaligen Zentralbanken die Kontraktion der Geldmenge verhindert hätten.
Der tief im kollektiven Bewusstsein verankerte Schrecken vor einem Kollaps wie jener Anfang der 1930er-Jahre erklärt, warum Federal Reserve und Europäische Zentralbank seit einem Jahrzehnt den Geldhahn weiter aufdrehen.
Auch der Fast-Zusammenbruch des Weltfinanzsystems 2008 hätte unter Umständen verhindert werden können, wenn das US-Finanzministerium nicht Lehman Brothers in den freien Konkurs hineinlaufen gelassen hätte. Erst der Zusammenbruch der mächtigen Investmentbank führte zu einer globalen Vertrauenskrise in der Bankenwelt, wodurch ein fataler Dominoeffekt in Gang gesetzt wurde.
Ob sich 2020 zu einer „beispiellosen Krise“ entwickeln wird, die die 1920er- und 1930er-Jahre in den Schatten stellen wird, so wie es der Internationale Währungsfonds (IWF) düster voraussieht, ist noch gar nicht sicher.
Vieles hängt davon ab, wie die beispiellosen Rettungspakete wirken werden, mit denen Regierungen in zahlreichen Ländern ihre Volkswirtschaften stützen wollen. Entscheidend wird auch die Dauer der Pandemie sein. Noch lässt sich nicht sagen, ob es in den europäischen Ländern nach anfänglicher Lockerung zu einer zweiten Welle der Ansteckung kommen wird.
Der Anfang April vorgestellte Bericht des Internationalen Währungsfonds (IWF) über die wirtschaftlichen Aussichten ist verheerend. Er prognostiziert, dass die Weltwirtschaft in diesem Jahr um drei Prozent schrumpfen wird. Im Januar hatte der IWF noch auf ein Wachstum von 3,3 Prozent gesetzt. Eine totale Umkehr.
Kein Land ist verschont
Trotz erheblicher Maßnahmen zur Verringerung der Rezession wird laut IWF-Prognose die Wirtschaftsleistung der Eurozone um 7,5 Prozent zurückgehen „Es ist eine wirklich globale Krise, weil kein Land verschont bleibt“, sagt IWF-Chefvolkswirtin Gita Gopinath.
Der Währungsfonds bezeichnet die Corona-Krise in Anlehnung an die Weltwirtschaftskrise der 1920er- und 1930er-Jahre, die sogenannte Große Depression, als „die Große Ausgangssperre“ (Englisch: The Great Lockdown). Der gesamte Verlust, der durch die Pandemie entsteht, wird vom IWF auf rund 9.000 Milliarden Dollar geschätzt – was in etwa den addierten Bruttoinlandsprodukten Deutschlands und Japans entspricht.
Auch die US-Notenbank FED warnt für das zweite Quartal vor einem noch „noch nie da gewesenen“ Einbruch des Wirtschaftswachstums. Das genaue Ausmaß und die Dauer der Konjunkturdelle werde von der Eindämmung des Corona-Virus abhängen, sagt FED-Chef Jerome Powell. Die USA steuerten auf eine Phase „bedeutend“ höherer Arbeitslosigkeit und einer „bedeutend“ geringeren Wirtschaftsleistung zu. Bis zu einer Erholung werde es „einige Zeit dauern“.
Erholung in Form eines V?
Die große Frage, die derzeit Volkswirte umtreibt, lautet: Wie wird die Erholung der Wirtschaft aussehen. Wird sie, wie vielerseits erhofft, V-förmig sein? Analysten bei Morgan Stanley glauben an schnell ansteigende Märkte. Die Rezession werde alles bislang Bekannte in den Schatten stellen. Der wirtschaftliche Abschwung erfolge zwar mit großer Schnelligkeit, der darauf folgende Aufschwung werde allerdings auch erheblich schneller verlaufen als zur Finanzmarktkrise ab 2008.
Der Grund: Die Staatshaushalte sind weniger verschuldet als vor zwölf Jahren, die Banken stehen auf stabileren Füssen, und sowohl Staaten als auch Zentralbanken haben sehr viel entschiedener als bei vorangegangenen Krisen reagiert.
Große Sorge: Arbeitslosigkeit
Neben der Hoffnung auf den Boom nach dem Absturz gibt es die Sorge vor einer gewaltigen Pleitewelle und vor einem Heer an Arbeitslosen. Die Arbeitslosigkeit in Europa könnte sich in den kommenden Monaten fast verdoppeln.
Das Beratungsunternehmen McKinsey sieht 59 Millionen Arbeitsplätze in Gefahr. Für den schlimmsten Fall geht McKinsey davon aus, dass die Arbeitslosigkeit in Europa auf über elf Prozent klettern könnte, ehe dann erst 2024 eine Erholung in Sicht wäre.
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