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Warum viele Staaten noch zögern
Wirtschaft 4 Min. 25.02.2022 Aus unserem online-Archiv
Sanktionsschwert Swift

Warum viele Staaten noch zögern

Berlin: Teilnehmer an einer Solidaritäts-Demonstration für die Ukraine stehen auf dem Pariser Platz mit einem Plakat "Cut Swift Cut Russia Off".
Sanktionsschwert Swift

Warum viele Staaten noch zögern

Berlin: Teilnehmer an einer Solidaritäts-Demonstration für die Ukraine stehen auf dem Pariser Platz mit einem Plakat "Cut Swift Cut Russia Off".
Foto: dpa
Wirtschaft 4 Min. 25.02.2022 Aus unserem online-Archiv
Sanktionsschwert Swift

Warum viele Staaten noch zögern

Bisher hat sich die Staatengemeinschaft nicht zum Ausschluss Russlands von dem Bankennetzwerk entschlossen.

(dpa) - Es gilt als scharfes Sanktionsschwert, doch noch ziehen es Amerikaner und Europäer nicht: Ein Ausschluss Russlands aus dem Swift-System, über das Banken bei internationalen Zahlungen Daten abgleichen. Commerzbank-Chefvolkswirt Jörg Krämer erklärt die Zurückhaltung bei dem Thema so: Der Westen habe am Donnerstagabend nicht beschlossen, die russischen Banken vom Swift-System abzuschalten - „vermutlich weil die Europäer Wege brauchen, um weiter russische Gasimporte zu bezahlen“.

Was ist Swift?

Swift („Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication“) ist kein Zahlungsverkehrssystem, sondern ein internationales Netzwerk zum Austausch elektronischer Informationen. Jeder an das System angeschlossene Teilnehmer hat eine eigene Swift-Adresse, den Bank Identifier Code, kurz BIC. Anhand dieser internationalen Bankleitzahl sind Kreditinstitute eindeutig identifizierbar.


Lithuanian President Gitanas Nauseda attends a joint press conference with his Ukrainian and Polish counterparts following their talks in Kyiv on February 23, 2022. (Photo by SERGEI SUPINSKY / AFP)
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Das Swift-System stellt auf diesem Wege zum Beispiel sicher, dass Auslandsüberweisungen auf dem richtigen Konto eingehen. Mehr als 11.000 Teilnehmer in über 200 Ländern nutzen den Dienst, vor allem Banken, aber auch Wertpapierfirmen und große Konzerne. Täglich werden über das Swift-System Millionen von Nachrichten verarbeitet und milliardenschwere Geldsummen rund um den Globus geschickt.

Können Banken Swift nicht mehr nutzen, kann dies weitreichende Folgen für ihre Geschäfte haben. Denn die Institute sind dann quasi von internationalen Geldströmen ausgeschlossen. Geld aus dem Ausland in ein Land zu transferieren wird dann schwieriger, umgekehrt genauso. Das kann Warenströme bremsen, weil Firmen dann nicht mehr in der Lage sind, Importe zu bezahlen oder Einnahmen für Exporte zu verbuchen.

 „Das schärfste Schwert“

„Ein Abkoppeln vom Swift-System würde Russland praktisch vollständig von weiten Teilen der Weltwirtschaft isolieren“, ordnet Stefan Kooths, Vizepräsident und Konjunkturchef des Instituts für Weltwirtschaft (IfW/Kiel), ein. „Das wäre wirtschaftlich das schärfste Schwert.“

Bankenvertreter weisen darauf hin, dass wegen der von den USA und der Europäischen Union verhängten Sanktionen gegen Russland bereits gezielt Geschäfte unterbunden werden. Käme ein Swift-Ausschluss hinzu, wäre jeglicher Nachrichtenaustausch mit Banken in Russland pauschal blockiert - ganz egal, ob es um humanitäre Fragen geht, um Miet- oder Gehaltszahlungen oder die Rohstofflieferung ins Ausland.


NEW YORK, NY - FEBRUARY 23: Secretary-General of the United Nations Ant�nio Manuel de Oliveira Guterres speaks after the United Nations security council's emergency meeting to discuss the threat of a full-scale invasion by Russia of Ukraine on February 23, 2022 in New York City. The Kremlin shared that two breakaway regions of Ukraine have requested protection. President Volodymyr Zelenskyy appealed to the Russian people in a televised address stating "The Ukrainian people want peace."   David Dee Delgado/Getty Images/AFP
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Die „Süddeutsche Zeitung“ (Freitag) zitierte den Finanzökonom Moritz Schularick mit der Forderung: „Der Westen sollte Russland von Swift und dem internationalen Finanzsystem ausschließen.“ Man habe im Fall Irans gesehen, wie effektiv das sei. Das Land könne sein Öl nicht mehr verkaufen.

Im Streit um das iranische Atomprogramm hatte die Europäische Union im März 2012 den Finanzdienstleister Swift angewiesen, keine Überweisungen an iranische Banken mehr vorzunehmen - ein bis dato einmaliger Vorgang. Im Januar 2016 wurden diese Iran-Sanktionen aufgehoben, europäische Banken hielten sich bei der Zusammenarbeit mit dem Land aber zunächst zurück. Im November 2018 sperrte Swift wegen neuer US-Sanktionen gegen Iran erneut bestimmten iranischen Banken den Zugang zu dem Datenaustausch-System.

Telefon, Faxe oder Video

Ohne Swift-Zugang ziehen sich grenzüberschreitende Abrechnungen länger hin und verteuern sich, denn das Überprüfen und Abgleichen von Transaktionen wird aufwendiger. Um Nachrichten zu Zahlungen auszutauschen, müssen Bankmitarbeiter dann möglicherweise zum Telefon greifen, Faxe verschicken oder per Video miteinander kommunizieren. Swift-Nachrichten dagegen werden automatisiert weiterverarbeitet.

Schon nach Russlands Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 waren Forderungen laut geworden, Russland von Swift auszuschließen. Seither bereitet sich die Führung des Landes deshalb auf einen solchen möglichen Schritt vor und hat etwa das russische Äquivalent SPFS geschaffen, auf das Banken ausweichen können.


Police block Red Square ahead of a planned unsanctioned protest against Russia's invasion of Ukraine in central Moscow on February 24, 2022. - Russian President Vladimir Putin launched a full-scale invasion of Ukraine on Thursday, killing dozens and triggering warnings from Western leaders of unprecedented sanctions. Russian air strikes hit military installations across the country and ground forces moved in from the north, south and east, forcing many Ukrainians flee their homes to the sounds of bombing. (Photo by Alexander NEMENOV / AFP)
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Experten halten es zudem für denkbar, dass Bitcoin und Co. als Zahlungsinfrastruktur genutzt würden. „Falls Swift abgeschaltet wird, würde nach anderen Wegen geschaut, um Transaktionen auszuführen, etwa mittels Kryptowährungen“, sagte Bernd Richter vom US-amerikanischen IT- und Zahlungsdienstleister FIS der „Börsen-Zeitung“. In so einem Fall könnte zumindest ein Teil der Transfers Richtung Russland in einen eher unregulierten Teil des Marktes abwandern.


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