Warum steigen die Verkaufspreise stärker als die Mieten?
Warum steigen die Verkaufspreise stärker als die Mieten?
Der Immobilienmarkt in Luxemburg bildet nach wie vor eine Ausnahme in der Europäischen Union. Im Durchschnitt sind die Kaufpreise für Wohnungen und Häuser in den 27 EU-Mitgliedstaaten von 2010 bis 2022 um 49 Prozent gestiegen. Im Großherzogtum hingegen sind die Immobilienpreise im selben Zeitraum laut Zahlen der Europäischen Statistikbehörde (Eurostat) regelrecht explodiert: Das Plus liegt bei satten 140 Prozent.
Bei den Mieten hingegen liegt Luxemburg im europäischen Durchschnitt. So stiegen die Preise für aktuelle Mietverträge zwischen dem dritten Quartal 2010 und dem dritten Quartal 2022 um weniger als 20 Prozent.
Das nationale Observatoire de l'Habitat bezifferte allerdings den Anstieg der Mieten vor einem Jahr auf 64 Prozent. Eine Zahl, die weit über jener von Eurostat liegt. Die beiden Institutionen stützen sich nämlich nicht auf die gleichen Daten: Das „Observatoire“ zieht für die Berechnung die Anzahl der Neuvermietungen auf dem Markt heran, die anhand der Daten eines Immobilienportals berechnet wird. Eurostat hingegen verwendet die Bestandszahlen der bereits vermieteten Immobilien.
In beiden Fällen ist die Diskrepanz zu den Verkaufspreisen aber relativ groß. Bisher ist nach dem Mietvertragsgesetz von 2006 der maximale Mietpreis auf fünf Prozent des Kapitals festgelegt, das der Eigentümer in seine Wohnung investiert hat. Da Investoren also immer mehr Geld für den Kauf ihrer Wohnung ausgeben müssen, sollten sich diese Kosten eigentlich mechanisch auf die Mieten auswirken. Seit 2010 ist dies jedoch nicht mehr der Fall.
Überhitzte Verkäufe
Wodurch lässt sich diese unterschiedliche Entwicklung von Verkaufs- und Mietpreisen also erklären? Julien Licheron, Forscher am Luxembourg Institute for socio-economic research (Liser), liefert eine Erklärung: „Die Situation auf dem Mietmarkt war zweifellos weniger angespannt als auf dem Verkaufsmarkt, insbesondere im Zeitraum zwischen 2017 und 2021.“
Licheron erinnert daran, dass in dieser Zeit der Markt für Eigentumsimmobilien mit jährlichen Wachstumsraten von fast 15 Prozent „deutlich überhitzt“ war.
Diese Überhitzung ging zum Teil mit dem Anstieg der Nachfrage einher. Wer ein Haus oder eine Wohnung kaufen wollte, konnten sich vor nicht allzu langer Zeit noch auf gute Finanzierungsbedingungen verlassen. Laut dem Liser-Experten haben „sehr niedrige Zinssätze und längere Kreditlaufzeiten die Kaufkraft gestärkt“. Seit Anfang 2022 steigen die Kreditzinsen zwar wieder, davor war dies aber fast zehn Jahre lang nicht mehr der Fall.
Ein weiterer Vorteil, der Käufern zugutekommt, ist die Möglichkeit, verschiedene Hilfen zu erhalten, die meist an das Einkommen geknüpft sind. So kann ein Haushalt beispielsweise eine Kauf- oder Bauprämie erhalten, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Renovierungen beantragen, aber auch eine Steuergutschrift auf die Notarkosten geltend machen, wenn es sich um einen Erstkauf handelt.
Es gibt auch Steuerermäßigungen für den Erwerb von Wohneigentum. Zu den wichtigsten gehören die Möglichkeit, die Darlehenszinsen für den Hauptwohnsitz abzusetzen, oder der Abzug von Beiträgen für Bausparverträge.
Weniger Vorteile für Mieter
Im Gegensatz zu Eigentümern können Mieter ihre Ressourcen, um ihre Mieten jeden Monat zu bezahlen, nicht künstlich erhöhen, gibt Licheron zu bedenken. Das bedeutet, dass die Mieten stärker an das verfügbare Einkommen der Mieter gebunden sind, da diese weniger von externen Vorteilen profitieren als Käufer. Mieter können allerdings auch eine staatliche Beihilfe beantragen. Mit einem Wert von 200 bis 400 Euro pro Monat ist sie jedoch nur den niedrigsten Einkommen vorbehalten.
Mieter haben gegenüber Eigentümern aber noch andere Nachteile. In vielen Fällen müssen sie nämlich einen größeren Teil ihres Einkommens für ihre Wohnung aufwenden: Im Durchschnitt gibt ein Mieter in Luxemburg mehr als ein Drittel seines Einkommens für seine Wohnung aus – gegenüber 8,4 Prozent bei einem Eigentümer, der keinen Kredit zurückzahlen muss.
Obwohl die Mieten also nicht im gleichen Maße gestiegen sind wie die Preise für Kaufimmobilien, leiden Mieter gleichermaßen unter steigenden Preisen.
Mietreform stark umstritten
Die Regierung hat die Anpassung der Mietobergrenzen zu einem „Schlüsselelement“ in den Änderungsanträgen zum Entwurf für die Reform des Mietrechts gemacht. Mit diesen will sie „eine vernünftige und durchsetzbare Obergrenze einführen, die der Preisentwicklung Rechnung trägt und gleichzeitig überhöhte Mieten verhindert“, erklärt das Wohnungsbauministerium.
Die im Oktober letzten Jahres vorgelegten Änderungen sehen eine Senkung des Mietdeckels auf 3,5 Prozent des vom Eigentümer investierten Kapitals beziehungsweise drei Prozent für Wohnungen mit einer schlechten Energieeffizienz (F bis I) vor.
Gleichzeitig würde bei der Berechnung des investierten Kapitals ein neuer Koeffizient angewendet werden. Er wäre höher als bisher. Das Ziel ist insbesondere, vor langer Zeit gebaute oder gekaufte Immobilien aufzuwerten. Ihr Wert sollte sich dann besser an den aktuellen Marktpreisen orientieren. Dieser Punkt ist jedoch nicht unumstritten. Einige Gegner der Reform befürchten, dass die Mieten aufgrund der neuen Berechnung steigen werden. So wird der Gesetzestext, der 2020 zum ersten Mal vorgelegt wurde, immer noch unter den politischen Parteien kontrovers diskutiert.
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