Unklarheit über Entwicklung der Inflation
Unklarheit über Entwicklung der Inflation
(Bloomberg) – Nach einem Jahr, in dem die Verbraucherpreise nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine durchweg über den Prognosen lagen, beginnt die Eurozone das Jahr 2023 mit der Aussicht, dass sich diese Dynamik umkehrt und sich die Konjunkturaussichten aufhellen.
Es besteht sogar die Chance, dass die Gesamtinflation das 2-Prozent-Ziel der Europäischen Zentralbank schon im vierten Quartal erreicht und nicht erst 2025, wie die Währungshüter noch vor einem Monat prognostiziert hatten, meint Jörg Angele, Volkswirt bei Bantleon in Zürich.
Wenn die Gaspreise so bleiben, „würde es einen massiven Abwärtsdruck auf die Inflation geben“, sagt Angele. Da die Projektion der EZB vom Dezember weit über dem aktuellen Marktniveau liegen, könnten sie nach unten korrigiert werden.
Der Haken an der Sache ist, dass die Ungewissheit über die Entwicklung der Gaspreise groß bleibt, auch wenn die Zuversicht wächst, dass das Schlimmste der europäischen Energiekrise hinter uns liegt.
Milde Temperaturen, neue Lieferquellen und erfolgreiche Sparappelle haben den Druck stark gemildert. Die Gasspeicher sind weit mehr gefüllt als im Schnitt der letzten fünf Jahre, und die Preise sind wieder unter dem Vorkriegsniveau. Das ist eine markante Verbesserung gegenüber der Situation vor einigen Monaten, als man Angst hatte, dass in den kälteren Monaten die Lichter ausgehen würden.
Dennoch: Der Winter dauert noch lange, und extreme Wetterlagen oder erneute Lieferstopps bleiben ein Risiko. Für die kommenden Tage wird bereits ein Kälteeinbruch erwartet. Auch für den kommenden Winter bestehen noch Risiken, da die Gasreserven ohne russischen Beitrag wieder aufgebaut werden müssen und mit China nun wieder ein anderer großer Verbraucher Flüssiggas nachfragt.
Ist die Entspannung bei den Gaspreisen vorübergehend?
„Die Auswirkungen der niedrigeren Gaspreise hängen davon ab, ob sie auf diesem Niveau bleiben oder ob es sich um eine vorübergehende Entspannung handelt“, sagt Aila Mihr, Ökonomin bei der Danske Bank in Kopenhagen. „Wenn die Situation so bleibt, wie sie ist, bedeutet das, dass die Verlangsamung der Energieinflation schneller kommen könnte als bisher erwartet.“
Aufatmen können unterdessen die Finanzminister, denn die letztes Jahr geschnürten Hilfspakete scheinen günstiger zu werden als befürchtet. Die Ökonomen von Berenberg haben ihre Prognose für das Haushaltsdefizit der Eurozone im Jahr 2023 bereits von 4,3 auf 3,7 Prozent gesenkt.
Die EZB dürfte all das wohl nicht sonderlich beeindrucken. Ihr Schwerpunkt liegt in letzter Zeit stärker auf der Kerninflation — die Lebensmittel, Energie und andere volatile Faktoren ausklammert — , die im Dezember einen Rekordwert erreicht hat und noch keine Anstalten macht zu fallen. „Das ist für die EZB in nächster Zeit der entscheidende Faktor“, so Mihr von der Danske Bank. „Ich glaube nicht, dass geringere Energieinflation die EZB in nächster Zeit zu einer taubenhafteren Haltung bewegen wird.“
Folgen Sie uns auf Facebook, Twitter und Instagram und abonnieren Sie unseren Newsletter.
Als Abonnent wissen Sie mehr
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
