Trichet fordert ein Parlament der Eurozone
Trichet fordert ein Parlament der Eurozone
(las) «Europa wird in Krisen geschmiedet werden.» Dieses Zitat des europäischen Gründervaters Jean Monnet bemühte Jean-Claude Trichet am Montag, um auf die Reformen der Währungsunion zurückzublicken.
Doch eine große Lücke sieht der Ex-Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB) noch in der Gestaltung der Eurozone: die Entscheidungsebene. Der Euro brauche ein eigenes Parlament und einen eigenen Finanzminister, erklärte er als Hauptredner der Jahreskonferenz des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) in Luxemburg.
Eine demokratische und effiziente Eurozone
In außergewöhnlichen Situationen soll das Europaparlament - zusammengesetzt aus den Europaabgeordneten der Euroländer - endgültig entscheiden, was mit einem Land passiert, das in finanziellen Schwierigkeiten ist, schlägt Trichet vor. So könne die Eurozone demokratischer und effizienter werden. Die Idee ist nicht neu. Seit dem Tauziehen letzten Sommer um den Verblieb Griechenlands im Euro, fordern viele ein solches Parlament - zuletzt etwa der französische Ökonom Thomas Piketty.
Zu den Gründen, warum aus der US-Finanzkrise von 2008 eine Eurokrise wurde, zählt Jean-Claude Trichet eine komplexe Entscheidungsfindung und unklare Zuständigkeiten in der Eurozone. Er fordert deshalb einen Finanzminister für die Eurozone - eine Idee, die er erstmals 2011 äußerte. Trichet verwies auf den "Fünf-Präsidenten-Bericht", den die Vorsitzenden der europäischen Institutionen im Juni 2015 vorgelegt hatten. Jean-Claude Juncker und seine Kollegen hatten dabei die Schaffung eines "Schatzamtes" des Euroraums vorgeschlagen.
"Der Euro hat seinen Stresstest bestanden"
Obwohl die Eurozone kurz vor dem Auseinanderbrechen stand, sei der Euro als Währung immer solide geblieben, bilanzierte Trichet. Damit dieser Erfolg sich auch in Wachstum und der Schaffung von Arbeitsplätzen niederschlage, brauche es jedoch politische Reformen. "Die Regierungen und die Parlamente müssen handeln", betonte er. Sie dürften die EZB nicht allein im Regen stehen lassen.
Das Fehlen dieser Reformen hat aus der Sicht von Jean-Claude Trichet maßgeblich zum Ausbrechen der Eurokrise geführt. Frankreich und Deutschland hätten 2003 und 2004 den Stabilitätspakt missachtet und damit einen wichtigen Grundstein der Währungsunion beschädigt.
Gleichzeitig sei der Euroraum in den Jahren vor der Krise stark auseinander gedriftet: Die Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer habe sich sehr unterschiedlich entwickelt, ohne dass dagegen vorgegangen worden sei.
Mit dem Fiskalpakt, der Bankenunion und der Überwachung der Wettbewerbsfähigkeit sei die Eurozone heute jedoch deutlich besser aufgestellt als noch vor der Krise, lautet das Urteil des Mannes, der die Schaffung der Gemeinschaftswährung von Beginn an begleitete.
"Wir durchleben außergewöhnliche Zeiten"
Abnorm, ungewöhnlich, unkonventionell: Jean-Claude Trichet nutzte in seinem Vortrag viele Wörter, um die Besonderheit der jetzigen Geldpolitik zu beschreiben. "Wir können die aktuellen Maßnahmen der Zentralbanken nur verstehen, wenn wir uns eingestehen, dass wir seit 2007 die schlimmste Finanzkrise seit dem Zweiten Weltkrieg durchleben", betonte er. Nur durch ungewöhnliche Entscheidungen hätten die Zentralbanken der Welt einen Wirtschaftsniedergang verhindern können, der schlimmer als jener der 1930er Jahre ausgefallen wäre.
Stimulierungsprogramme wie das "Quantative Easing" oder Maßnahmen wie Negativzinsen seien nötig, sagt er - "der Job muss gemacht werden". Allerdings hätten sie auch negative Konsequenzen. "Wir müssen den wirtschaftlichen Aufschwung fördern, ohne jedoch eine neue Katastrophe zu verursachen", sagte Trichet mit Blick auf die aktuelle Volatilität der Märkte, die ihm Angst mache.
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