Tarifkonflikt im Bausektor: Verhärtete Fronten
Tarifkonflikt im Bausektor: Verhärtete Fronten
Es herrschte am Donnerstag eine angespannte Atmosphäre im Hauptsitz des OGBL in Esch/Alzette. Der Grund: der soziale Konflikt zwischen dem OGBL und LCGB auf einer Seite und den Arbeitgebern auf der anderen. „Die Entwicklungen der Gehälter spiegeln die Entwicklungen des Bausektors nicht wider“, beschreibt Jean-Luc De Matteis, Gewerkschaftssekretär des OGBL, die Situation. „Die Arbeitsbedingungen sind einfach nicht akzeptabel.“
Schon seit 2013 sind Gewerkschaften und Arbeitgeber im Bausektor in intensiven Diskussionen. Die Arbeitgeber hatten damals eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten gefördert. „Demnach hätten die Arbeitgeber die Angestellten bitten dürfen, bis zu 54 Stunden pro Woche und zwölf Stunden pro Tag zu arbeiten“, erklärt De Matteis. „Das wäre natürlich eine große Belastung für die Arbeitnehmer gewesen und hätte auch Auswirkungen auf ihre Gesundheit und ihre Gehälter gehabt.“ Denn verbunden mit diesem Vorschlag war, die Arbeitszeit auf Jahresbasis zu berechnen und nicht mehr auf Tages- oder Wochenbasis, wie es bisher der Fall war. Somit wären die Überstundenzuschläge nicht mehr fällig gewesen.
70 Prozent der Beschäftigten im Bausektor werden nicht dem Kollektivvertrag entsprechend bezahlt.
Laut Berechnungen des OGBL hätte das zu einem Verlust von 3 000 bis 6 000 Euro auf dem Lohnzettel der Arbeitnehmer ausgemacht. „Schon damals hatten wir klargestellt, dass wir mit einer solchen Flexibilisierung der Arbeitszeiten nicht einverstanden sind“, erklärt der Gewerkschaftssekretär des OGBL.
Die Arbeitgeberseite hatte ihre Forderungen auf Arbeitszeitflexibilisierung daraufhin zurückgenommen und am 1. September 2013 den Kollektivvertrag für den Bausektor unterschrieben. Zu diesem Zeitpunkt wurde auch die letzte Gehaltserhöhung verhandelt – 0,7 Prozent zum 1. September 2015. Seit mehr als zwei Jahren hat es somit keine Erhöhung der Lohntabellen mehr gegeben, wie De Matteis bestätigt.
1,5 Prozent pro Jahr
Die Angaben des Statistikamts Statec zeigen, dass der Bausektor in Luxemburg regelrecht blüht. Der Geschäftszweig verzeichnet eine positive Wachstumsrate seit dem Jahr 2012 und ist im Jahr 2016 nochmals um 2,9 Prozent gestiegen. Die letzten Zahlen weisen darauf hin, dass der Bausektor mehr als 43 000 Beschäftigte zählt, was ungefähr zehn Prozent der Gesamtbeschäftigung in Luxemburg entspricht. „Das Auftragsbuch ist sehr gut gefüllt“, sagt De Matteis, was seiner Meinung nach ein Argument dafür ist, die Gehälter an dieses Wachstum zu koppeln.
Seit 2016 sind die Gewerkschaften nun in verschiedene Verhandlungsrunden mit den Arbeitgebern im Bausektor eingetreten. Die vierte Schlichtung im November 2017 war nicht erfolgreich. „Die andere Seite hat den Verhandlungstisch verlassen“, bedauert der Gewerkschaftssekretär des LCGB, Jean-Paul Baudot. „Aber wenn man von Flexibilisierung der Arbeitszeiten sprechen möchte, dann muss man auch über Gehaltserhöhung sprechen können.“
Die Gewerkschaften fordern nach wie vor insgesamt 4,5 Prozent mehr Geld – also für die Jahre 2016 bis 2019 jeweils 1,5 Prozent pro Jahr. „Diese Gehaltserhöhung soll rückläufig wirksam werden“, betont De Matteis. „Die Arbeitgeber spielen mit dem Faktor Zeit“, analysiert De Matteis die Situation, „sie versuchen, die Verhandlungen in die Länge zu ziehen.“
„Reelle“ Erhöhung
Die Gehaltsforderungen des OGBL und des LCGB beziehen sich allerdings nicht auf die bereits im Kollektivvertrag vorhandene Lohntabelle. Denn: 70 Prozent der Beschäftigten im Bausektor werden nicht dem Kollektivvertrag entsprechend bezahlt. Wenn also nur die Lohntabelle angepasst wird, könnten 70 Prozent der Beschäftigten leer ausgehen. Schon im Jahr 2015 hatten nicht alle Arbeitnehmer von der 0,7-Prozent-Steigerung profitieren können. „Deshalb fordern wir eine reelle Erhöhung aller Gehälter“, sagt De Mattteis, „und nicht nur eine Anpassung der Lohntabellen.“
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