Staatsvisite in Frankreich: Die neue Dynamik
Staatsvisite in Frankreich: Die neue Dynamik
BNP Paribas, Sodexo, Société Générale Bank & Trust: Französische Firmen haben in Luxemburg einen festen Platz und gehören zu den größten Arbeitgebern des Landes. Es gibt im Großherzogtum rund 870 französische Filialen, vor allem im Banken- und Versicherungssektor. Zudem pendeln täglich mehr als 95 000 Menschen von ihrem Wohnort in Frankreich nach Luxemburg.
Dass Frankreich aufgrund seiner geografischen Nähe seit vielen Jahren einer der bedeutendsten Wirtschafts- und Handelspartner Luxemburgs ist, überrascht wohl kaum. Frankreich ist nach Deutschland und Belgien der drittstärkste Handelspartner für das Großherzogtum. Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern blühen seit Jahren: laut Statec exportiert die Luxemburger Wirtschaft Waren im Wert von rund 1 550 Millionen Euro nach Frankreich; importiert wird ein Volumen von 2 250 Millionen Euro.
Luxemburg setzt auf Kreative
Das wirtschaftliche Potenzial ist aber längst nicht ausgeschöpft. Davon kann sich nun eine Delegation aus hochkarätigen Wirtschaftsvertretern, die das großherzogliche Paar auf der Staatsvisite begleitet, vor Ort ein Bild machen. Vertreter von rund 75 Unternehmen sind angereist, um wirtschaftliche Kontakte zu knüpfen – damit ist es die bisher größte Luxemburger Wirtschaftsdelegation im Ausland. Die letzte Staatsvisite in Frankreich fand übrigens im Jahr 1978 statt, unter der Leitung von Großherzog Jean. Ziel ist es, die guten Beziehungen zu vertiefen, neue Impulse und Dynamik zu entwickeln. 2015 wurde bereits ein luxemburgisch-französischer „Business Club“ ins Leben gerufen, um die Wirtschaftsbeziehungen zwischen beiden Ländern zu verstärken.
In Paris soll nun die Diversität des luxemburgischen Wirtschaftsstandortes gezeigt werden: Schwerpunkte sind Forschung, Innovation, Kreativwirtschaft, Digitalwirtschaft und Logistik. Am ersten Tag der Staatsvisite findet ein „Business Forum“ statt, der gemeinsam von den französischen und luxemburgischen Handelskammern organisiert wird. Für Luxemburg nehmen daran unter anderem Wirtschaftsminister Etienne Schneider, Finanzminister Pierre Gramegna sowie Carlo Thelen, Generaldirektor der Handelskammer, teil. Das Seminar, das unter dem Motto „Mehr als nur Nachbarn“ stattfindet, soll in Paris die Aufmerksamkeit unter anderem für die Luxemburger Kreativwirtschaft wecken – eine Branche die Unternehmen in Bereichen wie Verlagswesen, Musik, Film, Design und Kunsthandwerk umfasst und hierzulande bereits 2 000 Betriebe und 6 300 Mitarbeiter zählt.
Frankreich zeigt sich als Startup-Nation
Mit diesem Innovationsboom steht Luxemburg aber nicht allein. Auch Paris ringt um Start-ups und zeigt sich offen für junge Gründer. Staatspräsident Emmanuel Macron verfolgt gar das Ziel, Frankreich zu einer „Startup-Nation“ zu machen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass am zweiten Tag der Staatsvisite eine Besichtigung der „Station F“ auf dem Programm steht. Der weltgrößte Start-up-Campus wurde im Juni 2016 eröffnet. In dem früheren Bahndepot sollen künftig mehr als 1 000 IT-Firmen unter kommen. Das Projekt fördert Jungunternehmer und soll dem Technologiestandort Frankreich zu mehr Glanz verhelfen. Xavier Niel, der charismatische Gründer des Internetanbieters Free, investierte 250 Millionen Euro in den 34 000 Quadratmeter großen Campus. Konzerne wie Microsoft und Facebook sind Partner des Projekts.
Auch in der Industriebranche soll die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen Luxemburg und Frankreich weiter ausgebaut werden. Mit dem Flugzeughersteller Airbus soll in Toulouse ein Abkommen unterzeichnet werden, das unter anderem die Erfolgschancen kleiner und mittlerer Unternehmen bei europaweiten Ausschreibungen deutlich verbessern soll.
Die großen Streitpunkte
Luxemburg und Frankreich sind enge Partner, trotzdem gibt es einige Streitpunkte zwischen beiden Ländern. Vor allem die Frage der Schließung von Cattenom ist umstritten. Hier zeichnet sich keine Einigung ab. Auch in Steuerfragen sind die Divergenzen nicht zu übersehen. Emmanuel Macron lobte zwar bei seinem letzten Besuch in Luxemburg im August 2017 die Fortschritte der Luxemburger Regierung – das Thema bleibt aber nach wie vor politisch brisant.
Der französische Wirtschafts- und Finanzminister Bruno Le Maire kündigte letzte Woche an, er werde Google und Apple vor dem Pariser Handelsgericht einklagen – wegen „missbräuchlicher Geschäftspraktiken“. Damit unterstreicht die französische Regierung wiederum ihren Willen, eine gesamteuropäische Besteuerung der US-Internetgiganten zu erreichen. Luxemburg aber sieht einen Alleingang der EU in Sachen Steuergerechtigkeit eher skeptisch und plädiert für eine Lösung auf OECD-Ebene.
Mobilität und Telearbeit
Andere Themen sorgen auch für reichlich Diskussion: Grenzgänger, Mobilität und Infrastruktur. Für Infrastrukturminister François Bausch bietet sich etwa die Gelegenheit mit den französischen Behörden die Verdopplung der Gleise zwischen Luxemburg und Thionville zu besprechen. Auch das Thema Telearbeit ist von großer Bedeutung: Täglich pendeln mehr als 95 000 Menschen von Frankreich nach Luxemburg. Dabei geht es auch um steuerrechtliche Regelungen und deren praktische Umsetzungsmöglichkeiten.
Das Finanzministerium hat am Freitag angekündigt, dass das neue Doppelbesteuerungsabkommen zwischen Luxemburg und Frankreich nach langen Verhandlungen am Dienstag in Paris unterzeichnet wird. Für die französischen Grenzgänger endet eine Zeit der Ungewissheit. Bisher gab es für sie keine steuerliche Regelung für den Fall, wo sie von zu Hause aus arbeiten.
Das neue Abkommen sieht vor, dass französische Pendler künftig 29 Tage pro Jahr außerhalb der Grenzen Luxemburgs arbeiten dürfen, ohne dass sie dafür in Frankreich Lohnsteuern zahlen müssen.
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