Ryanair setzt lieber auf Luxemburg und Frankfurt am Main
Ryanair setzt lieber auf Luxemburg und Frankfurt am Main
Dieser Tage jemanden von der Geschäftsleitung des Flughafens Hahn zu erreichen, ist nicht einfach. Man dürfte dort von der Ankündigung Ryanairs, die vier stationierten Maschinen zum 1. November abzuziehen, genauso überrascht gewesen sein wie es die Öffentlichkeit war. Dabei kann man sich den ehemaligen Militärflughafen ohne den irischen Billigflieger kaum vorstellen, fing mit ihm doch alles im Hunsrück an.
Ryanair verweist auf Nachfrage zur Schließung der Basis am Hahn darauf, dass im Streit um Gehaltskürzung von 20 Prozent über vier Jahre hinweg mit den Piloten in Deutschland keine Einigung gefunden wurde. Nun werden Basen geschlossen und bis zu 170 Piloten sollen gekündigt werden. Beim Kabinenpersonal hat man sich um Gehaltskürzungen bis zu zehn Prozent geeinigt, von den Piloten indes stimmen nur 49,4 Prozent zu.
Wegen der Corona-Krise hat der Billigflieger am Montag das schwierigste Quartal in seiner 35-jährigen Geschichte vermeldet: im ersten Geschäftsquartal bis Ende Juni fiel ein Verlust von 185 Millionen Euro nach einem Gewinn von 243 Millionen ein Jahr zuvor an. Der Umsatz sackte im Jahresvergleich um 95 Prozent auf 125 Millionen Euro ab; die Zahl der Fluggäste ging wegen des Flugstopps aufgrund der Corona-Pandemie um 99 Prozent auf eine halbe Million zurück.
Im zweiten Geschäftsquartal soll der Verlust aber geringer ausfallen als im abgelaufenen Jahresviertel, da der Flugverkehr seit 1. Juli wieder anzieht. Eine Gewinnprognose wagte das Management um Ryanair-Chef Michael O'Leary gestern bei der Bilanzvorlage jedoch nicht.
Zum Abzug der Iren vom Hahn wollte der Flughafen zunächst telefonisch keine Stellungnahme abgeben. Der Gewerkschaft Verdi zufolge sind von der Basis-Schließung am Hunsrück-Airport etwa 60 Flugbegleiter und 20 Piloten betroffen. Hintergrund des Abschieds vom Hahn dürfte auch sein, dass Ryanair inzwischen auf dem Luxemburger Flughafen wie auf dem Flughafen Frankfurt-Main Fuß gefasst hat – wo die Verkehrsanbindung natürlich besser ist als mitten im Nirgendwo des Hunsrück.
Auch viele Luxemburger nutzen den Hahn-Airport für Ferienflüge. Die Sales-Lentz-Tochter Flibco wurde eigens dafür gegründet, um mit dem Bus Reisende zum Hahn und an andere Billig-Airports zu bringen.
Tobias Stüber, CEO von Flibco, meint als Reaktion auf die Ankündigung von Ryanair gegenüber dem „Luxemburger Wort“: „Diese Nachricht trifft uns natürlich“. Da gerade die Linien Luxemburg-Hahn, Hahn-Frankfurt und Luxemburg-Frankfurt Linien der „ersten Stunde“ von Flibco.com seien.
Turbulente Zeit in der Reisebranche
„Vor der Corona-Krise hatten wir 112 wöchentliche Fahrten vom Flughafen Hahn nach Frankfurt und 62 wöchentliche Fahrten vom Flughafen Hahn nach Luxemburg“, erklärt Stüber. Über 90 Prozent der Kunden dieser Strecken seien mit Ryanair geflogen.
Flibco werde nun die nun neue Situation am Flughafen Frankfurt Hahn analysieren. „Gleichzeitig müssen wir abwarten wie sich diese strategische Entscheidung von Ryanair auf den Flugplan ab November 2020 auswirkt.“ Flibco profitiert nun davon, dass der Hahn immer mehr zum Zwischenstopp auf dem Weg nach Frankfurt am Main wurde, da Ryanair immer weniger vom Hahn, aber immer mehr von Frankfurt aus flog.
Auch bedient Flibco Flughäfen wie den im belgischen Charleroi, wo Ryanair ebenfalls der Platzhirsch ist. Auf der Linie dorthin hat der Rückzug von Ryanair am Flughafen Hahn keine Auswirkungen, so Flibco-Chef Stüber. Bei all dem stellt sich immer drängender auch die Frage nach der Zukunft des Flughafens Hahn, der ohnedies schon wirtschaftlich angeschlagen ist.
Hahn als chinesischer Brückenkopf
2017 hatte der chinesische Großkonzern HNA 82,5 Prozent des Hunsrückflughafens für rund 15 Millionen Euro vom Land Rheinland-Pfalz gekauft. 17,5 Prozent hält noch das Bundesland Hessen. Der Flughafen dürfte für HNA vor allem aus strategischen Gründen interessant sein, weil er über eine seltene Nachtfluggenehmigung für Passagier- und auch Frachtverkehr verfügt und darum gut als ein Brückenkopf beim „Neuen Seidenstraße“-Projekt Chinas dienen kann.
Tatsächlich ist das Passagieraufkommen am Hahn über die letzten Jahre hinweg stetig zurückgegangen: Von ehemals über 50 tägliche Abflügen im Sommer bei zwölf stationierten Ryanairmaschinen ging es auf knapp zehn bei vier Maschinen zurück.
2018 hatte der Hunsrückflughafen seinen Verlust auf knapp fünf Millionen Euro von 17 Millionen Euro im Jahr 2017 verringert. Grund waren Sparmaßnahmen und ein gut laufendes Frachtgeschäft, das 2018 41,6 Prozent in der Tonnage zulegte, während im Vergleich zu 2017 die Passagierzahlen um 15 Prozent zurückgingen. 84 Prozent der Fluggäste gehen auf den Hauptkunden Ryanair zurück.
Nach den Vorgaben der EU muss der Hahn bis 2024 schwarze Zahlen schreiben. Rheinland-Pfalz hat laut Innenministerium dem Hahn seit 2017 bislang 10,2 Millionen Euro Betriebsbeihilfen gezahlt. Für 2019 und 2020 sind keine Zahlungen erfolgt. Die Bürgerinitiative gegen den Nachtflughafen Hahn geht davon aus, dass es nun zu weniger Flügen kommen wird, glaubt aber, dass Ryanair den Flughafen weiter anfliegen wird. „Es wird weiterhin einige „Warmwasserziele“ wie Sardinen, Sizilien, Kreta, einige Ziele an der Costa Brava und in Südspanien sowie auf den Kanaren geben“, so der Sprecher der Bürgerinitiative Olaf Simon. „Ryanair wird vom Hahn aus Ziele weiterhin anfliegen, bei dem die potenziellen Passagiere bereit sind, auch über größere Entfernungen anzureisen.“
Würde Ryanair Flüge nach Marokko auch von Luxemburg anbieten, würden wahrscheinlich die in Frankreich lebenden Marokkaner oder die Franzosen mit marokkanischen Wurzeln nicht mehr zum Flughafen Hahn fahren, sondern würden alle ab Luxemburg fliegen, erläutert Simon.
Unterdessen kann der Airport auf das Frachtgeschäft hoffen. Silkway, eine Gesellschaft aus Aserbaidschan, nutzt den Hahn, um auf dem Flug von Baku nach Chicago oder von Chicago zurück nach Baku aufzutanken. „Von diesen Flügen hat die Region überhaupt nichts, nur den Lärm“, kritisiert Simon, der weiter sagt: „Wir gehen davon aus, dass der Flughafen Frankfurt-Hahn langfristig, vielleicht sogar schon mittelfristig, geschlossen wird. Er wird nie rentabel werden.“
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