Protestaktion bei Liberty Steel in Düdelingen
Protestaktion bei Liberty Steel in Düdelingen
„Die wichtigste Botschaft ist: Wir hoffen, dass die Gespräche der Regierung Fortschritte machen und wir verkauft werden. Unter Liberty Steel und Herrn Sanjeev Gupta haben wir keine Zukunft“, sagt Sylviane Gambini, Präsidentin des LCGB und Mitarbeiterin im Stahlwerk in Düdelingen.
Beschäftigte haben Angst
Die Gewerkschaften OGBL und LCGB haben Freitag gemeinsam mit vielen Beschäftigten vor dem Stahlwerk demonstriert. Die Zukunft der rund 220 Mitarbeiter ist ungewiss, weil das Mutterhaus Liberty Steel finanzielle Schwierigkeiten hat. Bisher wird den Beschäftigten nur gesagt, dass die Gehälter für die nächsten zwei Monate sicher seien. „Die Leute haben Angst“, sagt Gambini. „Sie wissen nicht, was aus ihnen wird.“
In Düdelingen sieht man zwei Schuldige für die Misere. Der eine ist Sanjeev Gupta, Milliardär und Gründer der Liberty House Group, die zur Gupta Family Group Alliance (GFG) gehört. Auf der Bühne formuliert es Gewerkschafter Robert Fornieri so: „Was würden wir der GFG Gruppe – oder besser noch – Herrn Gupta sagen, wenn er jetzt hier wäre?“, fragt er rhetorisch. Dann antwortet er: „Ein Wort reicht: Raus!“ Lautes Tröten ertönt von den versammelten Beschäftigten und Gewerkschaftern als Zeichen der Zustimmung.
Erst der Fall Greensill - dann stürzt Gupta
Sanjeev Guptas Gruppe investiert in und saniert marode Stahlwerke. Im Oktober 2019 hatte Gupta die globalen Stahlgeschäfte zur Liberty Steel Group zusammengefasst. Zu dieser Gruppe gehört seit 2019 auch das Werk in Düdelingen. Nun ist die Gruppe in Schwierigkeiten geraten. Man könnte aber auch sagen: Jetzt ist offensichtlich geworden, dass die Gruppe Probleme hat.
Über Jahre waren Beobachter skeptisch, woher das Geld kam, mit dem Guptas Unternehmen auf der ganzen Welt expandierte. Mittlerweile ist klar: Das Geld kam zum Großteil von der inzwischen ebenfalls berüchtigten Greensill Gruppe. Die im März öffentlichkeitswirksam kollabierte Finanzeinrichtung war entscheidender Kreditgeber von Liberty Steel. Seit der Insolvenz hat Liberty Probleme, sich zu finanzieren.
Britische Ermittler haben Mitte März auch ein Verfahren gegen die Unternehmensgruppe von Gupta eingeleitet. Es gebe den Verdacht auf Betrug, betrügerischen Handel und Geldwäsche, teilte die Anti-Korruptions-Behörde (SFO) mit.
EU überhörte Warnung vor Gupta
„Wir hatten der Europäischen Kommission schon 2019 unsere Ängste mitgeteilt“, sagt Gewerkschafterin Gambini. „Aber sie sind nicht darauf eingegangen. Sie haben ihre Recherchen nicht richtig gemacht. Denn wenn sie das getan hätten, dann hätten sie das alles kommen sehen müssen.“
In Düdelingen ist man wütend auf die Europäische Union. Denn das Werk in Düdelingen hatte Liberty Steel 2018 zusammen mit dem Schwesterwerk im belgischen Liège von ArcelorMittal übernommen, weil sich der Branchenprimus wegen der europäischen Wettbewerbspolitik zum Verkauf gezwungen sah. Die EU-Kommission gab grünes Licht für die Übernahme durch Gupta und die Liberty House Group.
Dabei zeigten sich die Gewerkschaften bereits damals skeptisch angesichts des unbekannten Bieters. „Die sind plötzlich aufgetaucht und in Europa völlig unbekannt“, sagte Robert Fornieri vom LCGB nach einem ersten Treffen von Vertretern des Personals und der Liberty Group 2018. Heute sagt er: „Die europäischen Behörden haben versagt“.
Trägt die EU also eine Mitschuld? Gambini sagt: „Die EU-Kommission und Herr Gupta sind die Hauptverantwortlichen. Ich bin zutiefst enttäuscht von der europäischen Politik – nicht von der Luxemburger Regierung. Die setzt sich gerade sehr für uns ein.“
Kunden haben wir. Das Problem ist: Das Vormaterial fehlt, weil Herr Gupta die Lieferanten nicht bezahlt. Hätten wir das Material, würden wir arbeiten. Es wäre sogar ein gutes Jahr.
Sylviane Gambini, LCGB
Rund drei Viertel der Beschäftigten in Düdelingen sind in Kurzarbeit. „Es ist wie eine Geisterstadt“, beschreibt es Gambini. Das bedeutet auch, sie alle haben momentan 20 Prozent weniger Gehalt. Gambini ist seit 1988 im Betrieb, aber eine solche Krise habe sie noch nicht gesehen, sagt sie.
In Düdelingen herrscht zwar Krisenstimmung, aber es ist nicht so, dass die Aufträge ausblieben. „Kunden haben wir“, sagt Gambini. „Das Problem ist: Das Vormaterial fehlt, weil Herr Gupta die Lieferanten nicht bezahlt. Hätten wir das Material, würden wir arbeiten. Es wäre sogar ein gutes Jahr“, sagt sie. „Das ist ja das Schlimme: Wenn Gupta uns nicht bezahlen kann, dann soll er uns freigeben und zum Verkauf anbieten.“ Hoffen können Gewerkschaften und Beschäftigte. Gupta hat sich bereits von einigen Assets getrennt und will nun alle Standorte prüfen – auch Düdelingen.
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