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Plan zur E-Mobilität ambitioniert oder eher utopisch?
Wirtschaft 6 Min. 13.04.2021 Aus unserem online-Archiv

Plan zur E-Mobilität ambitioniert oder eher utopisch?

Ziel der Regierung: in neun Jahren soll fast die Hälfte des Luxemburger "Fuhrparks" elektrisch fahren.

Plan zur E-Mobilität ambitioniert oder eher utopisch?

Ziel der Regierung: in neun Jahren soll fast die Hälfte des Luxemburger "Fuhrparks" elektrisch fahren.
Foto: Guy Jallay
Wirtschaft 6 Min. 13.04.2021 Aus unserem online-Archiv

Plan zur E-Mobilität ambitioniert oder eher utopisch?

Marco MENG
Marco MENG
Bei ihrer Strategie muss die Regierung auch Organisationen wie den ACL und Arbeitgeber mit einbeziehen.

Ambitionierter Plan? Zu optimistisch? Oder einfach nur verrechnet? Bis 2030 sollen 49 Prozent der Autos in Luxemburg Elektroautos sein, so das Ziel der Regierung. Das heißt, so viele E-Autos, wie im gesamten letzten Rekordjahr neu zugelassen wurden, müssen ab sofort jeden einzelnen Monat hinzukommen, um die Quote in neun Jahren zu erreichen. Ambitioniert oder utopisch – darüber gehen die Meinungen auseinander.

Jean-Claude Juchem, Geschäftsführer des ACL, gibt zu bedenken: „Es geht ja nicht nur um die Zahl der Autos, es geht auch um die Infrastruktur, die dafür nötig ist.“ Ende Februar gab es in Luxemburg 434.300 Fahrzeug, davon rund 4.900 elektrische. „Das ist 1,13 Prozent des gesamten Fuhrparks“, so Juchem. „Rein rechnerisch müssten also in den nächsten Jahren 260.000 Fahrzeuge durch E-Fahrzeuge ersetzt werden“, so Juchem. 

ACL-Direktor Jean-Claude Juchem wundert sich, dass Organisationen wie seine und Unternehmen nicht eingebunden werden.
ACL-Direktor Jean-Claude Juchem wundert sich, dass Organisationen wie seine und Unternehmen nicht eingebunden werden.
Foto: Chris Karaba

Das bereitet Schwierigkeiten, denn laut Kalkulation der EU-Kommission bedarf es pro zehn Elektrofahrzeugen einer Elektroladestation. Es braucht mithin auch Tausender neuer Ladesäulen jährlich, damit man mit der „E-Mobilität“ wirklich mobil ist: 2030 müsste es damit 26.000 Ladestationen im Land geben. Auch hier darf man sich streiten, ob dieses Vorhaben ambitioniert oder eher doch utopisch ist.

Schwer zu realisieren

„Obwohl Minister Bausch vor geraumer Zeit angekündigt hatte, Ende 2020 sollen 800 Ladestationen in Betrieb sein, so sind es tatsächlich derzeit keine 500.“ 

Wie solle da die Zahl von 26.000 in den kommenden neun Jahren erreicht werden? „Die Politik redet von ambitionierten Zielen, und wir fragen uns, ob das realistisch ist“, so Juchem, der betont, dass der ACL die Verkehrswende gar nicht „schlechtreden“ will, aber er plädiert für Sachlichkeit. „Wir als ACL sind weder für noch gegen die E-Mobilität“, sagt Juchem, der erklärt, der ACL selbst habe etwa 400 Autos, wenige davon sind E-Autos, denn man habe nur drei Elektro-Ladepunkte. 


Wi , ACL , Automobile Club Luxembourg , Einweihung Loft , Mobility Center , u.a. ElektroFahrzeuge , Hybrid , Strom , Mobilität , Elektrautos , Ladestation , Foto:Guy Jallay/Luxemburger Wort
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„Mehr gibt die Infrastruktur nicht her“, erklärt Juchem. Beispiele, dass das Wachstum der E-Autos schnell an der Infrastruktur scheitert, gibt es einige. Sei es die City Concorde: Sie hat über 1.500 Parkplätze, aber nur sechs Ladepunkte. Im neuen Wohnviertel, das gerade in Olm entsteht mit bis zu 800 Wohnungen, sind bei 1.600 Parkplätzen 20 Ladepunkte vorgesehen. Da man davon ausgehen kann, dass ein E-Auto im Durchschnitt alle drei Tage geladen werden muss, kommt die Ladeinfrastruktur schnell an ihre Grenzen. Juchem wundert sich auch, dass die Politik Ziele vorgibt und beschließt, aber nicht mit den Menschen, die es betrifft, darüber redet. 

Die Politik muss Menschen und Unternehmen mit einbeziehen.

„Bislang ist noch niemand aus der Politik auf uns zugekommen, um mit uns die Elektromobilität zu diskutieren.“ Der ACL hat rund 191.000 Mitglieder. „Da läge es doch eigentlich auf der Hand, dass man mit uns, die wir die Autofahrer vertreten, oder mit den Unternehmen, wo die Menschen arbeiten und acht Stunden am Tag die Autos parken, redet.“ 

Stattdessen fälle man in den Ministerien Entscheidungen über die Köpfe derjenigen, die es betrifft, hinweg, wundert sich Juchem. Wollte man diese großen Ziele, die die Politik sich stecke, erreichen, gingen das aber nur in Zusammenarbeit mit den Menschen und Unternehmen. Die öffentlichen Ladestationen sind dazu gedacht, dass Elektroautos, die dringend aufgeladen werden müssen, es dort tun können. 

Da man das Elektroauto nicht wie den Verbrenner in drei Minuten betankt hat, macht es Sinn, vor allem dort die Batterie aufzuladen, wo das Auto ohnehin längere Zeit steht: Das sind das Wohnhaus und der Arbeitsplatz. Wie die Regierung kürzlich erklärte, ist man im Gespräch mit Brüssel, damit der Staat den Unternehmen Hilfen bei der Installation von Elektroladestationen gewähren darf. 

Der ACL-Chef weist darauf hin, dass Luxemburg zwar alles auf eine Karte – die Elektromobilität – setzt, selbst aber keine Autos produziert. Welche Antriebsart sich also wirklich durchsetzt, wird jenseits der Grenzen entschieden. Zwar legt man auch in Brüssel mehr oder weniger den Fokus allein auf die E-Mobilität, doch Juchem fragt: „Ist eigentlich der Verbrenner das Problem, oder sind es nicht vielmehr die fossilen Brennstoffe?“ 

In vielen Ölförderländern, wo auch viel Sonnenenergie verfügbar ist, bereitet man sich auf die Energiewende vor und baut die Nutzung der Solarenergie aus. Auch, um so auf nachhaltige Art grünen Kraftstoff (E-Fuels) zu erzeugen. Ohne E-Fuels geht es nämlich nicht, betont Juchem. Die großen Schiffe und Flugzeuge können nicht mit Elektromotor betrieben werden, dazu wären die Batterien zu schwer. Erzeugen die Erdöl produzierenden Staaten E-Fuels statt fossiler Brennstoffe, hätte das den Vorteil, dass die bestehenden Infrastrukturen, von den Pipelines bis zur Tankstelle, weitergenutzt werden könnten. Juchem jedenfalls zweifelt daran, dass es auch im Sinne der Wirtschaft sei, ausschließlich eine auf Elektroantrieb basierende Mobilität anzustreben. 

Vermeintlicher Elektro-Boom 

Die Menschen werden auch deshalb noch einige Jahre zurückhaltend beim Kauf von E-Autos sein, weil es eine Technologie ist, die sich rasant entwickelt. Das heißt, die Modelle der nächsten Jahre werden deutlich besser sein als die, die es heute und morgen zu kaufen gibt. Zum Beispiel mit höheren Reichweiten und leichteren Batterien. „Aber was mache ich dann mit meinem gebrauchten Elektroauto?“, fragt Juchem. Das dürfte in ein paar Jahren nahezu unverkäuflich sein. Dass im letzten Jahr bei allgemeiner Kaufzurückhaltung vergleichsweise viele Elektroautos zugelassen wurden, prägte die Statistik. Doch man muss genau hinsehen und auch die Relationen berücksichtigen. 

Tatsächlich wurden mehr neue E-Autos verkauft, die staatlich bezuschusst werden, während sich sonst die Luxemburger im Pandemiejahr allerdings deutlich mehr Gebrauchtwagen statt Neuwagen kauften. Auch das verfälscht die Statistik der Neuzulassungen hin zu einem „Elektro-Boom“, der allenfalls ein „Boomchen“ ist. „Der Preis eines guten Gebrauchten von drei Jahren beträgt fast nur die Hälfte eines Neuwagens“, erklärt Juchem. „Und den kann man auch später noch zu einem guten Preis weiterverkaufen“, so Juchem. 

Würde Luxemburg, so unwahrscheinlich es ist, das Ziel von 49 Prozent E-Autos 2030 erreichen, nützt das allerdings nur wenig, wenn die Nachbarländer bei ihrem E-Ausbau nicht weiterkommen. Luxemburg hat genügend Strom, wurde unlängst von Energieminister Claude Turmes gesagt, um zu verdeutlichen, dass jedes E-Auto problemlos aufgetankt werden könne. Die Frage ist dabei nicht nur, ob genügend Strom vorhanden ist – den Luxemburg zu fast 90 Prozent aus Deutschland importiert (wo wiederum rund 35 Prozent des Stroms aus Kohle gewonnen wird) -, sondern ob genügend „grüner Strom“ verfügbar ist.

Elektroautos, die mit Kohlestrom fahren, sind größere CO2-Schleuder als Benziner. Auch hier ist ungewiss, ob in Europa genügend nachhaltig produzierter Strom vorhanden ist, wenn europaweit die Hälfte der Autos mit Strom betankt würde. Das deutsche Wirtschaftsministerium gibt an, bis zum Jahr 2025 soll erreicht werden, dass 40 bis 45 Prozent des dort verbrauchten Stroms aus erneuerbaren Energien stammen. Heißt im Klartext: weniger als die Hälfte des Stroms. Zu sagen, wir steigern den Anteil der E-Autos massiv, der grüne Strom wird schon aus dem Ausland kommen, ist da vielleicht ebenfalls ein bisschen zu optimistisch gedacht. Zudem muss bei Luxemburgs Verkehrsemissionen berücksichtigt werden, dass zweihunderttausend Grenzgänger nach Luxemburg kommen, wovon mehr als die Hälfte dazu das Auto benutzt. Ob die 2030 mehrheitlich E-Autos fahren werden?

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