Luxemburger Finanzplatz: Harter Brexit kann kommen
Luxemburger Finanzplatz: Harter Brexit kann kommen
Brexit – seit dem 23. Juni 2016 ist nur noch dieses eine Wort in aller Munde. Dies gilt jetzt umso mehr, als die Scheidungsfrist immer näher rückt: Das Vereinigte Königreich will die Europäische Union (EU) am 29. März verlassen. Und auch wenn auf beiden Seiten des Ärmelkanals die Stimmung gedämpft ist und Unsicherheit herrscht, kann man sich doch in vielen Finanzplätzen in Europa über ein Stück des Brexit-Kuchens freuen. So auch in Luxemburg: Im Großherzogtum haben nach Angaben der Promotionsagentur für den Finanzplatz Luxembourg for Finance bislang 48 Finanzunternehmen ihre Brexit-Umzugspläne veröffentlicht und sich dafür entschieden, ihre Tätigkeiten hierzulande auszubauen oder zu verlagern.
„Die Hälfte davon sind Vermögensverwalter und die andere Hälfte ist ein Mix aus Banken, Versicherern und Zahlungsdienstlern“, beschreibt Luxembourg for Finance die Situation. Dazu kommt, dass „eine Reihe von Unternehmen sich dafür entschieden haben, ihre bestehende Luxemburger Präsenz auszubauen, ohne dass diese Pläne veröffentlicht wurden.“ Insgesamt werden im Zeitraum von Ende 2017 bis Ende 2019 etwa 80 Adressen in der Finanzbranche ihre Tätigkeiten ins Großherzogtum verlagert oder hier ausgebaut haben, schätzt Nicolas Mackel, CEO von Luxembourg for Finance.
Die Botschaft aus dem House of Finance ist deutlich: Der Finanzplatz hat sich auf eine Trennung des Vereinigten Königreichs von der EU ohne Abkommen vorbereitet. „Wir haben uns auf ein Harter-Brexit-Szenario eingestellt“, erklärt Mackel, „insbesondere, weil alle von den Politikern besprochenen Varianten des Deals mit dem Vereinigten Königreich nur wenig Hinweise über die Zukunft der Finanzdienstleistungen geben.“ Ein Blick auf die politischen Erklärungen über den Brexit zeigt tatsächlich, dass die Finanzdienstleistungen nur eine zweitrangige Rolle spielen.
Multilaterale Vereinbarungen
Die luxemburgischen und europäischen Regulierungsbehörden sind schon seit Monaten damit beschäftigt, mit den britischen Regulierungsbehörden zusammenzuarbeiten, um die Auswirkungen eines harten Brexits abzufedern, wie Mackel erklärt. Im Bereich der Vermögensverwaltung ist das drohende Brexit-Problem sogar seit wenigen Tagen teilweise gelöst – so Anouk Agnès, stellvertretende Generaldirektorin der Luxemburger Investmentfondsvereinigung (ALFI): Die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) hat bekannt gegeben, dass sie und die europäischen Aufsichtsbehörden verschiedene Vereinbarungen mit ihrem Kooperationspartner, der „Financial Conduct Authority“ (FCA) des Vereinigten Königreichs, getroffen haben. Darin wird festgehalten, wie bestimmte Tätigkeiten zwischen den Finanzplätzen weiter durchgeführt werden können. „Und die englische Regulierungsbehörde hat eine befristete Übergangsregelung geschaffen, um europäischen Fonds den Zugang zum englischen Markt zu ermöglichen“, sagt Anouk Agnès.
Das größte Problem, das sich nun stellen wird, ist die Stabilität der Märkte. Wir wissen nicht, wie sie im Fall eines harten Brexit reagieren werden.
Gleiches gilt für die Luxemburger Bankenvereinigung (ABBL): „Die Europäische Kommission, aber auch die Mitgliedstaaten und Regulierungsbehörden in den verschiedenen europäischen Ländern haben bereits die notwendigen Maßnahmen getroffen, um die Kontinuität der Aktivitäten bis Ende 2020 zu gewährleisten“, erklärt Serge de Cillia, ABBL-Chef. „Das größte Problem, das sich nun stellen wird, ist die Stabilität der Märkte. Wir wissen nicht, wie sie im Fall eines harten Brexit reagieren werden“, warnt allerdings Yves Maas, Vizepräsident der Bankenvereinigung.
„Sinnvolle Entscheidung“
Das Interesse für Luxemburg sehen die Vertreter des Finanzplatzes in der Tatsache, dass viele Finanzunternehmen schon über eine Adresse hierzulande verfügen. „Die Entscheidung für Luxemburg ist für diese Firmen sinnvoll“, erklärt der Chef von Luxembourg for Finance, Nicolas Mackel. „Das ausschlaggebende Argument für viele Vermögensverwaltungsfirmen ist die Internationalität unseres Finanzplatzes“, bestätigt Anouk Agnès von der ALFI. „Die in Luxemburg ansässigen Finanzunternehmen sind Experten im internationalen Fondsvertrieb und in 70 Ländern weltweit tätig. Deren Mitarbeiter sind mehrsprachig, multinational und verfügen über 30 Jahre Erfahrung im Bereich der Vermögensverwaltung.“ In anderen Ländern konzentriert sich die Vermögensverwaltungsbranche mehr auf heimische Märkte, so die Finanzexpertin weiter.
„Wir waren sehr überzeugend für viele Finanzfirmen“, resümiert ABBL-Vizepräsident Yves Maas die Situation. „Der gesamte Brexit-Kuchen wurde in mehrere Scheiben geteilt.“
