Krise in China bedroht Weltwirtschaft: „Das Schlimmste kommt noch“
Krise in China bedroht Weltwirtschaft: „Das Schlimmste kommt noch“
(dpa) - Die dramatischen Turbulenzen an Chinas Börsen sind ein Symptom, nicht die Ursache der Probleme im Reich der Mitte. Kommt die zweitgrößte Volkswirtschaft der Erde weiter ins Rutschen, wäre das Unheil für die Weltwirtschaft größer als die Folgen der Griechenland-Krise.
Es ist nicht nur wirtschaftlich, sondern auch politisch seine größte Krise - denn die Aktienindizes konnten bisher nur mit massiver staatlicher Manipulation wieder ins Plus gebracht werden.
Experten blicken jetzt gebannt darauf, ob dauerhaft Ruhe einkehren kann, wenn die Marktkräfte wieder zugelassen werden. Auch Chinas Schuldenberge und schwache heimische Nachfrage rücken wieder in den Fokus. Denn die Achterbahnfahrt an den Börsen bremst das Wachstum und die dringend nötigen Reformen noch weiter - mit globalen Folgen. Olivier Blanchard, Chefökonom des Weltwährungsfonds (IWF), beschreibt „größere Schwierigkeiten in Chinas Übergang zu einem neuen Wachstumsmodell, wie sie die jüngsten Turbulenzen an den Finanzmärkten zeigen“, als neues Risiko für die Weltwirtschaft.
Wegen ihrer engen Verflechtung mit China würden Länder in der asiatischen Region stark von einer Krise im Riesenreich getroffen. Auch rohstoffexportierende Staaten hätten unter einem Einbruch der Nachfrage zu leiden.
Vorhersagen mehr als halbiert
Die Vorhersage für den Automarkt in diesem Jahr wurde am Freitag von sieben auf nur noch drei Prozent Wachstum mehr als halbiert. Chinas Wirtschaft wächst so langsam wie seit 25 Jahren nicht mehr. Das offizielle Plus von sieben Prozent ist beschönigt. Als realistisch gelten eher fünf Prozent, was längst als „harte Landung“ beschrieben werden könnte.
Die staatlich orchestrierte Blase am Aktienmarkt sollte die Probleme heilen. Hohe Börsenkurse erleichterten es Staatsunternehmen, durch Kapitalerhöhungen an neue Geldmittel zu kommen. War der stagnierende Immobilienmarkt nicht mehr so attraktiv, floss das Geld in die Aktienmärkte statt aus dem Land heraus. Auch erleichterte der Boom die Finanzierung kleinerer Unternehmen in technologischen und innovativen Sektoren, die anders als Staatskonzerne schlecht an Kredite herankommen. Doch statt die Wirtschaft anzukurbeln, drehte sich nur die Roulette-Kugel im Börsen-Casino.
Kleinanleger verlieren ihr Geld
Leidtragende sind unerfahrene Kleinanleger, die zuletzt in Scharen an die Börsen gelockt wurden - und ihr Geld verloren. „Es gibt drei Kurven, die soziale Instabilität auslösen können: eine politische, eine öffentliche und eine wirtschaftliche“, erläutert der kritische Kommentator Zhang Lifan. Wenn diese drei getrennt voneinander an ihr Limit gerieten, löse das noch keine großen Probleme aus. „Aber im Moment stoßen alle drei Kurven sehr nah aneinander an ihre Höchstgrenze, deswegen steht die Regierung vor einer großen Herausforderung, wenn sie die Wirtschaftsprobleme nicht lösen kann.“
Die Turbulenzen an den Börsen verschärfen die Komplikationen aber noch. Ihre eigentliche Funktion als wichtiger Kanal zur Finanzierung der Realwirtschaft wird eingeschränkt. Neue Börsengänge mussten ausgesetzt werden. Auch die Reform der Staatsbetriebe gerät ins Stocken. Kleinere und mittlere Unternehmen kommen wieder schlechter an Kapital. Auch die notwendige Öffnung des Kapitalmarktes dürfte jetzt nur noch vorsichtiger verfolgt werden, glauben Experten.
Böses Ende?
„Nicht nur die Aktienmärkte haben ein Problem, sondern der Wirtschaft als Ganzes fehlt die Nachfrage“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China. Ein erfahrener ausländischer Industrievertreter in Peking, der anonym bleiben will, warnt vor einem „Domino-Effekt“: „Das Schlimmste kommt noch.“
