Klima und Handelspolitik: Die Stahlindustrie steht vor einer entscheidenden Woche
Klima und Handelspolitik: Die Stahlindustrie steht vor einer entscheidenden Woche
Von Laurent Schmit
„Es war einer der düstersten Momenten der Stahlindustrie“, erinnerte sich Geert Van Poelvoorde, Präsident des europäischen Stahlindustrieverbands Eurofer und Chef der europäischen Flachstahlsparte von ArcelorMittal. Seit Dezember 2015 hätten sich die düsteren Wolken jedoch etwas gelichtet – „kurzfristig“, meint Van Poelvoorde.
Anders als vor einem Jahr ist die Europäische Kommission bereit, Anti-Dumping-Maßnahmen gegen die chinesischen Stahlexporte zu treffen. „Das ist ein Durchbruch“, betonte Van Poelvoorde. Sorgenkind bleibt dagegen die Reform des CO2-Emissionshandels, über den die Umweltkommission des Europaparlaments am 15. Dezember entscheiden wird.
„Mehr Realismus“ beim Klima
Die Reform sieht vor, dass die Staaten ab 2021 weniger Emissionsrechte an die Industrie verteilen dürfen. Müsse ArcelorMittal für seine Stahlproduktion mehr Emissionsrechte kaufen, dann werde sich das Ergebnis in Europa um 900 Millionen Euro verringern, warnte Van Poelvoorde.
Die Stahlindustrie fordert, dass jene Werke, die am effizientesten arbeiten, mit gratis Emissionsrechten belohnt werden. Das setze für die anderen ein realistisches Ziel, um ihre Emissionen zu senken. Die aktuell geplanten Ziele seien unerreichbar – „egal wie hoch der politische Druck sein wird“, sagte Van Poelvoorde.
Die ArcelorMittal-Manager wollen nicht falsch verstanden werden: „Wir wollen helfen, die Wirtschaft klimafreundlich zu gestalten“, betonte Van Poelvoorde. Vor der in Paris versammelten europäischen Presse stellten sie zahlreiche Beispiele vor, wie ArcelorMittal seine Produkte nachhaltig gestaltet.
Die beiden Gesichter des Stahls
So ist etwa die Kreislaufwirtschaft ein großes Thema: Statt seine in Belval produzierten Spundwände zu verkaufen, vermietet ArcelorMittal sie mehr und mehr an seine Kunden. Ist die Baustelle abschlossen, nimmt das Stahlunternehmen die Spundwände zurück, repariert sie und vermietet sie weiter. Statt neue Stahlbleche zu produzieren, werden sie fünf- bis zehnmal wiederverwendet. Noch bliebe allerdings die Frage der Rentabilität ungeklärt. Für ein neuartiges Produktionssystem der Spundwände erhielt ArcelorMittal überdies den Innovationspreis der Fedil.
Ein weiteres vorgestellte Beispiel ist die Optimierung der Stähle, die in der Autoindustrie verwendet werden. Die neue Generation soll die gleiche Festigkeit haben, aber deutlich formbarer sein. Dadurch könne eine weitere Gewichtsreduzierung der Autos um 20 Prozent erreicht und damit der Spritverbrauch gesenkt werden, erklärte Greg Ludkovsky, Chef der Forschung und Entwicklung bei ArcelorMittal.
Der Stahlkonzern mit Sitz in Luxemburg habe seine Hausaufgaben gemacht, meinen die Manager. Das gelte auch für die Wettbewerbsfähigkeit. Der Sparplan ab 2012 – dem auch das Schifflinger Werk zum Opfer fiel – sei nötig gewesen. Eine Milliarde Dollar sei so eingespart worden. Die Schulden von ArcelorMittal seien heute auf dem niedrigsten Stand seit der Fusion vor zehn Jahren, betonte David Clarke, der für die Strategie des Konzerns zuständig ist. Sich auf höherwertige und damit profitablere Produkte zu konzentrieren, sei auch ein Schutz gegen die chinesischen Exporte.
Die „chinesischen Experimente“
2015 wurde Europa mit billigem Stahl aus China überschwemmt. Dieses Jahr habe sich die Situation entspannt, auch weil die Anti-Dumping-Zölle der EU teilweise gegriffen haben, so Clarke.
Peking plane die Stahlüberkapazität zu verringern. Doch das sei nur eine langfristige Lösung, sagte Clarke. Als größter Produzent und Verbraucher beeinflusse China die weltweitn Preise entscheidend. Weil China seine Kohleindustrie umstrukturierte, stieg der Preis der Kohle um 200 Dollar pro Tonne. Nur mit einer umfassenden Handelspolitik könne sich Europa vor derartigen „Experimenten“ schützen, heißt es von ArcelorMittal.
