Kampf um die Kundenschnittstelle
Kampf um die Kundenschnittstelle
Die EU-Zahlungsdienstrichtlinie „PSD2“ zwingt die traditionellen Banken, ihre Kundendaten Internet-Finanzdienstleistern zur Verfügung zu stellen. Eine Revolution hat die Finanzbranche erfasst.
Regulierung wird häufig als lästig und kostspielig empfunden. Dabei wird gerne übersehen, dass sie den Platzhirschen am Markt als Eintrittshindernis für die Konkurrenz dienen kann. Regulierung kann aber auch eine Marktöffnung forcieren. Oft ist genau dies das Ziel, das die EU-Kommission mit den Richtlinien, die sie erarbeitet, bezweckt. In Sektoren mit echten Chancen für neue Marktteilnehmer mit neuartigen Technologien kann die Regulierung zur Schaffung eines Marktes beitragen. Dies trifft besonders auf die Zahlungsdienstrichtlinie PSD2 zu. Sie verspricht eine wahre Revolution im Bankgeschäft.
Ziel ist die Marktöffnung
Seit Einführung des europaweit gültigen Überweisungsstandards SEPA im Jahr 2009, können Bankkunden Geldtransfers innerhalb der Eurozone einfacher und zu gleichen Kosten wie Inlandsüberweisungen tätigen. Auf diese erste Payment Services Directive (PSD) der EU ist jetzt die zweite Stufe der Marktöffnung erfolgt: Die neue Regulierung PSD2 trat Anfang 2018 in Kraft. Sie stellt die Bankenbranche vor Herausforderungen, die ihr gesamtes bisheriges Geschäftsmodell in Frage stellen.
PSD2 hat nämlich den Zahlungsverkehr in der EU für Nicht-Banken geöffnet. Das Ziel hinter der Richtlinie: Innovation und Wettbewerb fördern, gleichzeitig aber auch den Verbraucherschutz erhöhen.
Luxemburg: Umsetzung mit Verspätung
Am 10. Juli stimmten die Abgeordneten auf Krautmaart ihre Umsetzung in nationales Recht. Auch für die Luxemburger Finanzinstitute hat eine neue Ära begonnen.
Die meisten etablierten Banken sehen die PSD2-Richtlinie mit Misstrauen. Horrorszenarien, wie sie etwa Roland Berger in einer im Februar 2017 erschienenen Studie zeichnete, haben sich aber nicht bewahrheitet. Die Unternehmensberater warnten davor, dass in der EU die Daten von über einer Milliarde Konten für digitale Dienstleistungen zugänglich würden. Neue Anbieter, sogenannte FinTechs, würden in den Markt drängen und das Geschäftsmodell der etablierten Dienstleister bedrohen – vor allem an der Kundenschnittstelle. Die neue Konkurrenz könnte die etablierten Geldhäuser im Retail-Geschäft bis zu 40 Prozent ihres Gewinns kosten, sagten die Autoren der Studie voraus.
Paypal machte den Anfang
PSD2 verpflichtet die kontoführenden Banken dazu, externen Zahlungsdienstleistern (den „Payment-FinTechs“) Zugang zu ihren Kundenkonten zu gewähren. Klassische Banken stehen bei der Umsetzung dieser Bestimmung vor einer technologischen Herausforderung. Zudem sehen sie ihr bisheriges Hoheitsrecht über die Daten ihrer Kunden in Gefahr.
Das Unternehmen Paypal, das seinen Europasitz in Luxemburg hat, zeigte seit der Gründung 1998 den Weg für zahlreiche Nachahmer, die zwar Bezahldienste anbieten, aber kein Finanzinstitut im klassischen Sinne sind.
Die traditionellen Banken fürchten nicht so sehr die jungen FinTech-Start-ups, deren innovative Lösungen sie gegen gute Bezahlung in ihre eigenen Dienstleistungen integrieren können, sondern vor allem die großen Techfirmen aus dem Silicon Valley. Wenn Amazon, Google oder Facebook ins Bankgeschäft einsteigen, dann müssen sich die europäischen Banken warm anziehen. Amazon arbeitet schon mit Visa bei einer speziellen Amazon-Kreditkarte zusammen. Mit JP-Morgan soll der Online-Lieferdienst an einer Art Girokonto arbeiten. Die vor kurzem erfolgte Einführung von Google Pay in Deutschland nährt Spekulationen, der Datenriese könne, statt wie bisher mit Banken zu kooperieren, selbst in das Finanzgeschäft einsteigen.
Die Frage ist berechtigt, ob die klassische Bank ausgedient hat. Tatsächlich sehen einige Experten sogar das Online-Banking nicht mehr als zeitgemäß an. Auch wenn er eine Online-Banking-Webseite besucht, steht der Kunde noch immer in Verbindung zu seiner Bank. Das ist fast noch so, als würde er sich physisch in die Zweigstelle oder zum Automaten begeben.
Banking is necessary, banks are not" (Bill Gates, 1994)
Bill Gates brachte es schon 1994 auf den Punkt: „Banking is necessary, banks are not“, sagte der Microsoft-Gründer. Diese Entwicklung wird durch PSD2 stark beschleunigt, wobei der Prozess immer noch am Anfang steht.
Die wirklichen Nutznießer dieser Entwicklung werden die Kunden sein. Die Vergleichbarkeit der Dienstleistungen wird extrem zunehmen, der Wettbewerb wird sich steigern. Die Preise für Dienstleistungen werden sinken. Die Preiserhöhungen, wie sie Banken derzeit vornehmen, um die schrumpfenden Einnahmen im Zinsgeschäft auszugleichen, dürften vor diesem Hintergrund nur vorübergehend sein. Die Banken müssen sich anstrengen, überhaupt noch nachhaltige Geschäftsmodelle zu entwickeln. Experten gehen davon aus, dass das kostspielige Zweigstellennetz abnehmen wird. Die Bankenrevolution steht erst am Anfang.
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