„Goldene Zeiten sind vorbei“
„Goldene Zeiten sind vorbei“
Der Krieg in der Ukraine bringt erhebliche Belastungen für die luxemburgische Wirtschaft - auch für den Tankstellenmarkt. „Die Preisvolatilität stellt eine logistische und wirtschaftliche Herausforderung für den gesamten Sektor dar“, so Romain Hoffmann, Präsident des Groupement Energies Mobilité Luxembourg (ehemalig Groupement pétrolier luxembourgeois) am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Der Krieg habe die Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Mineralölprodukten nach den Russland-Sanktionen weiter verschärft, sagt Hoffmann und erinnert daran, dass Luxemburg seine Mineralölprodukte vor allem aus Belgien, Deutschland und den Niederlanden bezieht.
Angesichts der steigenden Preise habe Luxemburg beschlossen, Benzin, Diesel, Heizöl und LPG zu subventionieren. Gleichzeitig aber hätten die stärkeren Eingriffe in die Kraftstoffpreise in Deutschland bzw. Frankreich zu einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit des Sektors in Luxemburg geführt. „Deutschland führte höhere Interventionen als Luxemburg durch, sodass dort die Preise zeitweise unter den heimischen Preisen lagen.“ Die Tankstellen im Grenzgebiet zu Deutschland mussten dadurch starke Rückgänge bei den Volumen verkraften.
Während in Deutschland der sogenannte Tankrabatt ausgelaufen ist, hat Frankreich am 1. September einen Nachlass von 30 Cent pro Liter Benzin oder Diesel an der Zapfsäule zugelassen. Zusätzlich gewährt der Ölmulti TotalEnergies seinen Kunden bis zum 1. November einen Rabatt von 20 Cent je Liter Sprit. Die Folge: ein drastischer Rückgang der Verkäufe in Luxemburg. Tankstellen in der Nähe der französischen Grenze verzeichneten in den vergangenen zwei Monaten einen Rückgang der Verkaufszahlen von 35 bis 45 Prozent. Und „der Trend geht leider noch weiter“, stellt Hoffmann fest. Im November und Dezember soll der Tankrabatt in Frankreich allerdings auf 10 Cent verringert werden und zum Jahresende ganz auslaufen.
Trotzdem sei man nicht sehr optimistisch. Der Groupement Energies Mobilité Luxembourg, der unter dem Dach der Fedil zusammengeschlossene Verband der Mineralölhändler, rechnet dieses Jahr im Schnitt mit einem Einbruch des Gesamtvolumens von rund 20 Prozent, ähnlich wie in den vergangenen Jahren.
Dieselverkäufe weiter stark rückläufig
Der Verkauf von Diesel ging zwischen 2019 und 2020 um 21 Prozent zurück, genauso wie im Zeitraum 2020–2021. Die Prognosen des Verbandes deuten auf einen ähnlichen Trend bis zum Jahresende hin. Romain Hoffmann weist in diesem Zusammenhang auch darauf hin, dass seit der Erhöhung der Akzisen auf Diesel im Mai 2019 und der Einführung der CO2-Steuer ab 2021, vor allem Belgien für gewerbliche Transportunternehmen deutlich wettbewerbsfähiger geworden ist.
Derzeit machen Akzisen und Mehrwertsteuer nach Angaben des Verbands 37 Prozent des Preises für einen Liter Diesel aus. Während der Mehrwertsteuersatz dem Anstieg der Ölpreise folgt, bleibt der Betrag der Akzisen unverändert bei 0,42 Euro pro Liter. „Unsere Marge bleibt in der Preisstruktur konstant, wir befinden uns in einer Situation, in der die Margen für unsere Mitglieder umso geringer sind, je höher die Preise steigen“. Von der Bruttomarge werde etwa auch die Provision an den Kreditkartenunternehmen abgezogen, da die meisten Kunden mit einer Kreditkarte bezahlen.
„Uns die nötige Zeit geben“
Aufgrund der zahlreichen Herausforderungen, denen sich die Branche gegenübersieht, fordert der Verband die Regierung auf, die Besteuerung von Erdölerzeugnissen „vorsichtig anzupassen“, die Auswirkungen auf den Kraftstoffabsatz zu analysieren und dem Sektor die nötige Zeit zu geben, sich entsprechend der Nachfrage neu auszurichten.
Der Verband unterstütze die ab 2023 geplante Befreiung von der CO2-Steuer auf Biokraftstoffe. Gleichzeitig aber fordert er, dass CO2-Steuern auf alle Energieprodukte eingeführt werden, je nach Anteil an den Treibhausgas-Emissionen. „Ob Strom, Gas, Öl oder Photovoltaïk - im Endeffekt gibt es CO2-Emissionen in der gesamten Energiekette, die wir benutzen“, sagt Romain Hoffmann. Vize-Präsident Paul Kaiser fügt hinzu: „Wir wissen, dass durch die europäische Regelung, die Steuern in Zukunft weiter steigern werden. Unsere Erwartung ist, dass die Luxemburger Regierung keine Vorreiterrolle spielt. Unsere Branche steht vor einer großen Veränderung. Ölprodukte werden immer noch gebraucht, da es noch nicht genug Alternativen auf dem Markt gibt, sodass wir uns Schritt für Schritt zum Ziel hinbewegen.“
Angesichts der Elektrifizierung des Fahrzeugbestands seien die Hoffnungen auf Profitabilität bei den Ladestationen eher gering, da die meisten Aufladungen zu Hause stattfinden. Derzeit gebe es auch noch einige Hemmnisse für die Entwicklung der Ladeinfrastruktur, wie zum Beispiel das Parken auf den für die Elektromobilität reservierten Parkplätzen.
Der Verband schließt nicht aus, dass künftig einige der 232 Tankstellen in Luxemburg vom Markt verschwinden werden. Die Zahl der rund 2.750 Angestellten bei den Tankstellen könnte leicht reduziert werden. Dennoch bleiben die Shops einen wichtigen und profitablen Bestandteil des Geschäfts. Die luxemburgischen Tankstellen-Betreiber können ihre Absatzeinbußen im Kraftstoffgeschäft zum Teil durch bessere Umsätze in den Shops abfedern. „Ohne die könnten wir nicht überleben“. Der Tanktourismus habe eindeutig an Bedeutung verloren, nicht aber der Tourismus mit Tabakwaren; die Steuereinnahmen aus diesem Geschäft steigen weiter. Im Allgemeinen sei man sich bewusst, dass „die Goldenen Zeiten für die Branche vorbei sind“, man müsse sich der heutigen Entwicklung anpassen.
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