Gastronomie sieht sich als "Kollateralschaden"
Gastronomie sieht sich als "Kollateralschaden"
von Thomas Klein und Marlene Brey
Den ganzen Sommer über hatten Unternehmer davor gewarnt, welche verheerenden Konsequenzen ein zweiter Lockdown haben würde. Nach mehreren Wochen mit konstant hohen Ansteckungszahlen hat die Regierung nach den Worten von Premierminister Xavier Bettel (DP) nun die „Handbremse gezogen“ und will eine Art „Lockdown light“ verhängen.
Wenn das Maßnahmenpaket am Mittwoch vom Parlament angenommen wird, sollen ab Donnerstag bis mindestens 15. Dezember Restaurants, Bars und Fitnessstudios schließen. Geschäfte sollen geöffnet bleiben. Mitte Dezember soll dann analysiert werden, welchen Effekt die Maßnahmen hatten. Dabei betonten sowohl der Premierminister als auch Gesundheitsministerin Paulette Lenert, dass der Horesca-Bereich kein Hotspot sei. Es sei nicht auszumachen, wo sich die Mehrheit der Erkrankten angesteckt habe.
„Wir sind leider der Kollateralschaden“
Jetzt gehe es darum, die Zahl der Kontakte herunterzufahren. „Man sollte auf alles verzichten, was nicht unbedingt sein muss“, so Bettel. Dazu zählt die Regierung offenbar die Aktivitäten im Gastgewerbe. Die Schließung kommt nicht überraschend für den Sektor, sagt François Koepp, Generalsekretär des Verbandes der Hoteliers, Restaurantbesitzer und Cafetiers. „Wir standen die ganze Zeit mit dem Ministerium in Verbindung. Natürlich haben wir bis zuletzt gehofft, dass wir daran vorbeikommen. Jetzt sind wir leider der Kollateralschaden“, sagt er.
So habe der Verband die Betriebe im Sektor schon im Vorfeld auf die Möglichkeit der Schließung hingewiesen, damit die Restaurants weniger Lebensmittel einkaufen. „Das kommt zu einer Zeit, in der einige Unternehmen wieder Licht am Ende des Tunnels gesehen haben. Viele hatten sich zuletzt finanziell aufgerappelt und konnten aus eigener Kraft ihre Unkosten tragen“, sagt Koepp. Die erneute Zwangsschließung bringe nun einige Betriebe wieder in existenzielle Schwierigkeiten.
Staat stellt weitere Geldspritzen in Aussicht
Gleichzeitig hat die Regierung aber auch beschlossen, neue Hilfsmaßnahmen einzuleiten. Bis zu 90 Prozent der Unkosten der Unternehmen soll der Staat tragen. Das umfasst Betriebskosten wie Miete, Personal oder Leasingverträge, die Betreiber bekommen hingegen nichts, betont Koepp. Da das Bedienen von Krediten beispielsweise nicht von den Beihilfen gedeckt wird, rechnet der Verband damit, dass die Betriebe dennoch auf 24 bis 33 Prozent der Kosten sitzen bleiben.
Koepp betont, wie wichtig es sei, dass diese Maßnahmen trotz ihrer Schwachstellen schnell umgesetzt werden und dass das Parlament die Beihilfen möglichst auch am Donnerstag beschließt.
Jean-Claude Colbach vom Restaurant „IKKI„ im Rives de Clausen hat wenig Verständnis dafür, dass die Gastronomie schließen muss. Ihm bleibt nur ein Appell: „Die versprochene Hilfe muss jetzt kommen, nicht erst im Januar. Der Mehrheit von uns steht das Wasser mehr als nur bis zum Hals”, sagt er.
Colbach hat, wie viele andere in der Branche, seit August keine Auszahlung mehr für das Kurzarbeitergeld erhalten. Der Monat November sei aufgrund der Ausgangssperre eine einzige finanzielle Katastrophe gewesen. Wie er Miete und Gehälter zahlen soll, wisse er nicht. “Das einzige, was uns jetzt helfen kann, ist wenn die Hilfsgelder unbürokratisch ausgezahlt werden.”
Selbst im Coffee Shop Knopes in der Hauptstadt, wo man schnell auf „Coffee to go“ umstellen kann, rechnet Catherine Knopes mit erneuten Umsatzeinbußen von 40 Prozent.
Fehlende Perspektive
Was viele Betriebe im Sektor umtreibt, ist, dass nach wie vor unklar ist, was nach den drei Wochen geschieht. „Wenn die Betriebe erst am 15. Dezember anfangen können, für die Feiertage zu planen, dann ist das zu spät. Gerade mit den Feiertagszuschlägen werden manche Unternehmen dann er gar nicht öffnen“, so Koepp.
Viele Unternehmen hätten schon längst nicht mehr die Kapitalreserven, um den erneuten Lockdown wegstecken zu können. Als eine Maßnahme, damit der Sektor langfristig wieder auf die Beine kommt, fordert der Verband daher, dass die Mehrwertsteuer für die Dauer von zwölf Monaten wieder auf drei Prozent gesenkt werde.
Auch die Chambre des Salariés befürchtet schlimme Folgen, die aus den neuen Maßnahmen resultieren. Das Risiko einer ökonomischen Krise steige, aber auch psychische Probleme würden zunehmen - bis hin zu Suiziden.
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