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EU-Regierungen verwerfen neue Steuertransparenzregeln
Wirtschaft 3 Min. 28.11.2019 Aus unserem online-Archiv

EU-Regierungen verwerfen neue Steuertransparenzregeln

Pierre Gramegna (DP) hat bei einem Treffen in Brüssel Luxemburgs Interessen verteidigt.

EU-Regierungen verwerfen neue Steuertransparenzregeln

Pierre Gramegna (DP) hat bei einem Treffen in Brüssel Luxemburgs Interessen verteidigt.
Foto: Chris Karaba
Wirtschaft 3 Min. 28.11.2019 Aus unserem online-Archiv

EU-Regierungen verwerfen neue Steuertransparenzregeln

Diego VELAZQUEZ
Diego VELAZQUEZ
Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) haben sich gegen die Einführung von mehr Steuertransparenz für Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro erklärt - so auch Luxemburg.

Luxemburgs Finanzminister Pierre Gramegna (DP) kann aufatmen: Das "public country by country reporting" ist nicht mehrheitsfähig unter den EU-Staaten. Das zeigte ein Treffen der EU-Wirtschaftsminister am Donnerstag in Brüssel, bei dem diese Transparenzmaßnahme diskutiert wurde. Für Luxemburg stand offenbar viel auf dem Spiel: Da Wirtschaftsminister Etienne Schneider (LSAP) aus Termingründen nicht nach Brüssel reisen konnte, sprang Finanzminister Pierre Gramegna (DP) spontan ein, um bei diesem Treffen, das eigentlich für Wirtschaftsminister reserviert ist, Luxemburgs Interessen zu verteidigen – eine unorthodoxe Vorgehensweise.


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In keinem europäischen Land soll die Differenz zwischen dem gesetzlich vorgesehenen Steuersatz für Unternehmen und der real entrichteten Steuer so groß sein wie in Luxemburg.

Das Prinzip des "public country by country reporting" klingt einfach und ist für viele NGOs ein Schlüssel zur Bekämpfung der Steueroptimierung, die zu oft zur Steuervermeidung führt. Die Regel, die 2016 von der Europäischen Kommission vorgeschlagen wurde, zielt darauf ab, "Land für Land" in der EU die Buchhaltungs- und Steuerdaten multinationaler Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mehr als 750 Millionen Euro zu veröffentlichen. Zu diesen Daten gehören der Umsatz, die Gewinne, die Anzahl der Beschäftigten sowie die in den verschiedenen Mitgliedstaaten gezahlten Steuern. Nach Ansicht der Kommission sollten diese Zahlen auf der Website des betreffenden Unternehmens verfügbar sein. Ein multinationaler Konzern, der eine lächerlich geringe Anzahl von Menschen in einem Land beschäftigt, in dem er viele Gewinne deklariert, würde daher automatisch suspekt wirken.

Blockade der EU-Staaten

Die finnische Ratspräsidentschaft, die derzeit die EU-Ministertreffen koordiniert, sieht es ähnlich und entschied, das Thema, das seit Jahren in Brüssel auf Eis liegt, wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Die Finnen hofften, die Blockade bei den EU-Staaten aufzuheben, damit die Verhandlungen dazu mit dem EU-Parlament, wo die Maßnahme mehrheitsfähig ist, beginnen können.

Erst danach kann diese zum EU-Gesetz werden. Doch dafür ist das "public country by country reporting" zu umstritten, wie das gestrige Treffen zeigt.

Skepsis in Luxemburg

Die blau-rot-grüne Regierungskoalition und Steuerberater des Luxemburger Finanzplatzes sehen das Vorhaben seit jeher skeptisch. Zum einen, weil diese Idee weiter geht als Transparenzregeln, die auch jenseits der EU gelten. Die EU, so ein klassisches Argument der Regierung, würde sich dadurch selbst ins Bein schießen und weniger wettbewerbsfähig werden als die internationale Konkurrenz. Zum anderen beruht die Skepsis auch auf der Vorgehensweise der EU-Kommission, die, so die Analyse der Luxemburger, etwas zu forsch vorpreschte.


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Die scheidende EU-Kommission, die den Kampf gegen die Steuervermeidung von Multis zu einer ihrer Prioritäten gemacht hatte, wusste von Anfang an, dass es in dieser Angelegenheit schwierig werden würde, bei den Mitgliedstaaten Einstimmigkeit zu finden – was in Steuerfragen notwendig ist. Deswegen, so die Lesart skeptischer Staaten, hat die Kommission eine Rechtsgrundlage gesucht, um die Steuertransparenzmaßnahme als einfache Buchhaltungsfrage zu behandeln, die mit qualifizierter Mehrheit von den EU-Ländern entschieden werden kann.

Falsche Rechtsgrundlage

Die Frage der Rechtsgrundlage steht noch immer ungeklärt im Raum. Das EU-Parlament, die finnische Ratspräsidentschaft sowie viele andere Mitgliedstaaten, teilen die Meinung der EU-Kommission. Zehn Staaten, darunter Luxemburg, Irland, Zypern, Malta und Ungarn, machten in einer gemeinsamen Stellungnahme vor dem gestrigen Treffen dagegen klar, dass Steuerfragen auf EU-Ebene von den Finanzministern diskutiert werden müssen, wo die Einstimmigkeitsregel herrscht, und nicht von den Wirtschaftsministern. Diese Haltung wird von einem Rechtsguthaben untermauert, das vom juristischen Dienst des EU-Rats stammt, jener EU-Institution, in der die verschiedenen Regierungen aus den Mitgliedsländern vertreten sind. Laut diesem Gutachten ist die Rechtsgrundlage der EU-Kommission die falsche.

Das Treffen am Donnerstag zeigte jedenfalls, dass es ohnehin keine Mehrheit dafür gibt. Die NGO Transparency International zeigte sich darüber "empört". Pierre Gramegna schlug vor, das Thema bald wieder aufzugreifen – aber diesmal unter Finanzministern.


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