EU-Kommission verurteilt Luxemburgs Steuerpraxis
EU-Kommission verurteilt Luxemburgs Steuerpraxis
(las) - Die EU-Kommission schätzt das Luxemburger Steuerruling für die Finanztochter von Fiat als illegal ein. „Steuervorbescheide, die die Steuerlast eines Unternehmens künstlich verringern, stehen nicht mit den EU-Beihilfevorschriften im Einklang. Sie sind illegal", sagt EU-Kommissarin Vestager.
Seit 2012 habe Fiat in Luxemburg 20-30 Millionen zu wenig Steuern bezahlt. Dies sieht die Kommission als illegale staatliche Beihilfe an. Die zu wenig gezahlten Steuern wird Fiat dem Luxemburger Staat nachzahlen müssen, fordert die EU-Kommission. Die genaue Summe muss die Luxemburger Steuerverwaltung berechnen.
Aufgrund eines bewussten Kleinrechnens wurden die in Luxemburg versteuerten Gewinne von Fiat Finance and Trade 20 Mal niedriger angesetzt, als dies nach den geltenden Regeln der Fall wäre.
Als ebenfalls illegal hat die Kommission den Steuerdeal zwischen den Niederlanden und der Kaffeekette Starbucks bezeichnet. Auch hier geht es um 20-30 Millionen.
Der Autokonzern Fiat verwaltet über sein Luxemburger Tochterunternehmen Fiat Chrysler Finance Europe (vorher Fiat Finance and Trade) die Finanzen seiner europäischen Niederlassungen. Die konzerninternen "Banken" gelten allerdings auch als Struktur zur Steuervermeidung.
Finanzminister Pierre Gramegna beanstandet auf Twitter die Entscheidung der Kommission. Im Dossier Fiat sei "alles korrekt" abgelaufen, sagte Finanzminister Pierre Gramegna noch letzte Woche bei der Haushaltsvorstellung.
Die EU-Kommission beanstandet einen Steuervorentscheid ("tax ruling") der Luxemburger Steuerverwaltung. Stein des Anstoßes sind für die Kommission die sogenannten Verrechnungspreise („prix de transfert“). Zwischen Tochterunternehmen eines internationalen Konzerns muss der Preis von Dienstleistungen nach marktüblichen Bedingungen berechnet werden. Die Luxemburger Steuerverwaltung habe die entsprechenden Regeln nicht korrekt angewendet. Die Praxis der Rulings an sich kritisiert die EU-Kommission dagegen nicht.
Rechtsstreit erwartet
Experten vermuten, dass die Entscheidung der Kommission zu langwierigen Rechtsstreitigkeiten führen wird. Finanzminister Pierre Gramegna schrieb auf Twitter, die Regierung prüfe rechtliche Schritte.
Die Regierung hat die Möglichkeit, die Entscheidung der Kommission vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu bringen. Dort hatte die Regierung bereits Einspruch gegen Anfragen aus Brüssel erhoben, eine Liste der Luxemburger Rulings zu erhalten. In Folge von LuxLeaks gab die Regierung nach und lieferte die entsprechenden Dokumente.
Wenn Luxemburg von Fiat die Nachzahlung der bis zu 30 Millionen Euro an Steuern fordert, kann das Unternehmen ebenfalls gerichtlich dagegen vorgehen.
Nachbesserungen
Schlüsse aus dem angekündigten Verfahren zog die Regierung bereits Ende 2014. Teil des Haushaltsgesetzes 2015 waren Maßnahmen, um die Praxis der Rulings strenger zu regeln.
Seit diesem Jahr prüft die sogenannte "Commission des décisions anticipées" jedes Steuerruling, um eine gleichförmige Anwendung des Steuerrechtes zu garantieren. Zuvor war die Steuerverwaltung nicht verpflichtet, die Angaben eingehend zu prüfen, die ein Unternehmen vorlegte, um einen Steuervorentscheid zu erhalten. Zusätzlich wurden die Regeln strenger, nach denen die Verrechnungspreise („prix de transfert“) bestimmt werden.
Die Vorgeschichte
Bereits in Juni 2014 beschloss der damalige Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia, im Fall der Finanztochter von Fiat ein Verfahren wegen unerlaubter Staatsbeihilfen gegen Luxemburg zu eröffnen - also fünf Monate vor der Veröffentlichung der LuxLeaks-Dokumente. Zeitgleich begannen Untersuchungen zu Apple in Irland und Starbucks in den Niederlanden.
Die Kommission war auf den Fall Fiat aufmerksam geworden, als sie Anfang 2014 die ungeschwärzten Buchstaben "FFT" - für Fiat Finance and Trade - in einem Dokument entdeckte. Das Dokument war Teil einer Sammlung von 22 Rulings, die laut der Luxemburger Regierung "repräsentativ" für die hiesige Steuerdeals waren. Die Kommission hatte um diese Dokumente gebeten, um die Praxis der Steuervorentscheide in der EU untersuchen zu können.
Die heutige Entscheidung der EU-Kommission betrifft ein Ruling von 2012. In einem Brief bestätigte die Luxemburger Steuerverwaltung die Berechnungen zur Steuerlast, die KPMG als Steuerberater von Fiat vorlegte. Dieser Steuerdeal sollte bis 2016 gelten.
Die Fiat-Finanztochter beschäftigte 2014 acht Personen in Luxemburg. Sie hat seit 1997 ihren Sitz in Luxemburg.
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