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Erneuter Stopp der Gaslieferungen über Nord Stream 1
Wirtschaft 5 Min. 31.08.2022 Aus unserem online-Archiv
Gazprom mit Rekordgewinn

Erneuter Stopp der Gaslieferungen über Nord Stream 1

Vom 31. August bis zum 2. September werde wegen Wartungsarbeiten kein Gas nach Deutschland fließen, hat der russische Staatskonzern Gazprom mitgeteilt.
Gazprom mit Rekordgewinn

Erneuter Stopp der Gaslieferungen über Nord Stream 1

Vom 31. August bis zum 2. September werde wegen Wartungsarbeiten kein Gas nach Deutschland fließen, hat der russische Staatskonzern Gazprom mitgeteilt.
Foto: Stefan Sauer/dpa
Wirtschaft 5 Min. 31.08.2022 Aus unserem online-Archiv
Gazprom mit Rekordgewinn

Erneuter Stopp der Gaslieferungen über Nord Stream 1

Die große Frage ist, ob nach der dreitägigen Wartung die Gaslieferungen über die Ostseepipeline wieder aufgenommen werden.

Russland hat die schon seit Monaten stark gedrosselte Gaslieferung über die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 am frühen Mittwochmorgen wie angekündigt gestoppt. Nach Angaben auf der Website der Nord Stream AG ist in der Zeit zwischen 03.00 bis 04.00 Uhr keine nennenswerte Menge mehr geflossen. Bereits in der Stunde davor war sie demnach gesunken. 

Der russische Staatskonzern Gazprom hatte angekündigt, dass die Pipeline vom 31. August bis zum 2. September wegen Wartungsarbeiten geschlossen werde. Am Mittwochmorgen teilte Gazprom im Nachrichtenkanal Telegram mit, „die Versorgung über Nord Stream wurde komplett eingestellt“. Es begännen planmäßige Wartungsarbeiten an einer Kompressorstation.

Zweifel an Grund für Lieferstopp 

Laut Gazprom muss die einzig noch verbliebene Turbine in der Kompressorstation Portowaja, die der Pipeline vorgelagert ist, gewartet werden. Der Chef der deutschen Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hatte hingegen gesagt, die Wartungsarbeiten seien technisch nicht nachvollziehbar. Er halte Verweise auf Turbinen von Siemens Energy für vorgeschoben. Russland hatte auch im Zusammenhang mit der Drosselung der über die Leitung gelieferten Menge auf fehlende Turbinen verwiesen. Zuletzt kamen nur noch etwa 20 Prozent der maximal möglichen Menge über die Pipeline. Zweifel an der Begründung für die Drosselung kommen etwa von der Bundesregierung.


(FILES) In this file photo taken on June 10, 2022 an employee of Uniper Energy Storage inspects the above-ground facilities of a natural gas storage facility at the Uniper Energy Storage facility in Bierwang, southern Germany. - The German state will take 30% of the capital of the energy giant Uniper, threatened with bankruptcy by the declines in the delivery of Russian gas, as part of a vast rescue plan, the group announced on July 22, 2022. (Photo by LENNART PREISS / AFP)
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Trotz westlicher Sanktionen hat Gazprom im ersten Halbjahr nach eigenen Angaben einen Rekordgewinn eingefahren. Es sei ein Reingewinn von 2,5 Billionen Rubel erzielt worden - das sind umgerechnet 46,5 Milliarden Euro. Der Staatskonzern verwies via Telegram darauf, dass das Ergebnis trotz Strafmaßnahmen wegen des Ukraine-Kriegs gegen Russland und eines „ungünstigen Umfelds“ erzielt worden sei. Gazprom werde nun jedem Aktionär pro Anteilsschein 51,03 Rubel zahlen. Noch im Frühjahr hatte der Energieriese die Erwartungen für 2022 gedämpft.

Eine Wiederaufnahme der Lieferung gilt als möglich

Kremlsprecher Dmitri Peskow hat am Dienstag noch einmal versichert, dass Russland ein zuverlässiger Lieferant und gewillt sei, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Er begründete die derzeitigen Lieferkürzungen mit technischen Problemen, die der Westen durch seine Sanktionen selbst verursacht habe. Einen politischen Hintergrund der anstehenden Lieferpause dementierte er damit.

Es gilt zumindest als wahrscheinlich, dass das Gas ab dem 3. September wieder fließt. Nach der letzten Abschaltung wegen Wartungsarbeiten im Juli hat Gazprom anschließend auch den Transit wieder aufgenommen. Das unabhängige Internet-Medium „The Bell“ erklärte schon damals die dahinter stehende Logik damit, dass der Kreml sich anderenfalls der eigenen Flexibilität berauben würde. Auch bei gedrosselter Lieferung könne Russland immer noch mit einer weiteren Kürzung der Lieferungen drohen. Beim Lieferstopp sei das Drohpotenzial passé.

Darüber hinaus würde die vollständige Abkapselung vom europäischen Markt auch empfindlich auf den russischen Haushalt durchschlagen. Derzeit ist Moskau in der bequemen Lage, dass es trotz physisch geringerer Liefermengen wegen hoher Preise finanziell mehr aus dem Export herausschlägt. 

Ein weiterer Grund, der für die Beibehaltung des Transits - zumindest in geringem Umfang - spricht: Ansonsten müsste Gazprom seine Förderkapazitäten stilllegen und konservieren. Eine Umleitung der Gasströme nach Asien in großem Umfang ist nicht möglich, da das Pipelinesystem in diese Richtung noch kaum entwickelt ist. Von den 720 Milliarden Kubikmeter, die Russland fördert, gehen gut 200 in den Export, davon 130 in den EU-Raum.


An employee of Siemens Energy stands on August 3, 2022 next to a turbine of the Nord Stream 1 pipeline at the plant of Siemens Energy in Muelheim an der Ruhr, western Germany, where the engine is stored after maintenance work in Canada. - German Chancellor Olaf Scholz on August 3, 2022 said Russia responsible for blocking the delivery of the turbine it needs to keep gas flowing to Europe. Russian energy giant Gazprom had halted operation of one of the last two operating turbines for the Nord Stream 1 pipeline due to the "technical condition of the engine" and drastically cut gas deliveries to Europe. (Photo by Sascha Schuermann / AFP)
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China etwa nimmt hingegen nur gut zehn Milliarden Kubikmeter ab, auch wenn die Umsätze in die Richtung steigen. Auch deswegen fackelt Russland die Gasmengen ab, die es nicht nach Europa liefern kann.

Nächster Lieferstopp im Oktober möglich

Zwar hat Gazprom bislang noch keinen neuen Termin für die nächste Abschaltung genannt. Doch laut dem Konzern muss die letzte verbliebene Turbine in der Kompressorstation Portowaja alle 1.000 Arbeitsstunden gewartet werden. Damit dürfte Mitte Oktober der nächste Stopp anstehen.

Die Speicherbetreiber rechnen damit, dass auch ohne russisches Gas weiterhin Erdgas in Deutschland eingespeichert werden kann, gegebenenfalls in leicht reduziertem Umfang. Der Branchenverband Initiative Energien Speichern (INES) verweist dazu auf die tägliche Speichermenge: Sie beträgt derzeit ein Mehrfaches dessen, was zuletzt durch die Ostseepipeline nach Deutschland kam.

Die Speicher waren zuletzt zu über 83 Prozent gefüllt. In den kommenden Tagen dürfte die 85-Prozent-Marke erreicht werden, rund vier Wochen vor dem Stichtag 1. Oktober. Am 1. November sollen die Speicher dann zu mindestens 95 Prozent gefüllt sein. Der Speicherverband nennt dieses Ziel „herausfordernd“. Und: „Bei einem kompletten Ausfall von Nord Stream wäre es noch ein bisschen schwerer, das zu erreichen“, sagt Verbandsgeschäftsführer Sebastian Bleschke.

Weitere Entwicklung der Gas-Großhandelspreise offen

Gasmarktexperte Heiko Lohmann vom Energieinformationsdienst Energate rechnet nicht damit, dass sich die Wartungsarbeiten noch groß auswirken werden. Als die Wartung angekündigt wurde, seien die Preise nach oben gegangen. Daher sei die Wartung schon „eingepreist“. „Die spannende Frage ist, was nach den drei Tagen passieren wird“, sagt Lohmann. Er geht davon aus, dass die Preise wieder nach oben gehen, wenn die Lieferungen nicht wiederaufgenommen werden. Umgekehrt sieht er noch „Luft nach unten“, sollten die Lieferungen nach der Wartung fortgesetzt werden.


ARCHIV - 01.03.2022, ---: Messinstrumente zeigen den Leitungsdruck der Rohrleitungen eines Gaspeichers an. Mehrere Bundesländer wollen über die Notfallpläne mitbestimmen, nach denen hierzulande das Gas bei akuter Knappheit verteilt und rationiert würde. Foto: Axel Heimken/dpa +++ dpa-Bildfunk +++
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Noch im Mai war die Pipeline nahezu jeden Tag ausgelastet. Anfang Juni gingen die Liefermengen schrittweise zurück. Vom 17. Juni an lagen sie bei 40 Prozent der Maximalkapazität. Nach der zehntägigen Wartung im Juli lag die Liefermenge für ein paar Tage wieder bei 40 Prozent, um dann vom 28. Juli an auf rund 20 Prozent gedrosselt zu werden.

Das Wort „Vertragsbruch“ mögen wichtige Akteure nicht in den Mund nehmen. So berichtete Uniper als Deutschlands größter Importeur von russischem Erdgas jüngst: „Seit dem 14. Juni erhält Uniper nur einen Teil der vertraglichen Gasliefermengen aus Russland.“ Es würden mittlerweile 80 Prozent weniger geliefert. Und das Bundeswirtschaftsministerium teilt auf Anfrage mit: „Es bestehen Verträge der Unternehmen mit Gazprom über die volle Kapazität, die werden derzeit nur bedingt eingehalten. Aus unserer Sicht besteht kein Anlass, auch nicht technisch, die Nord Stream 1 nicht höher auszulasten.“


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