"Ein mafiöses System mit Omertà der CARmorra"
"Ein mafiöses System mit Omertà der CARmorra"
(aa) - „In der europäischen Autoindustrie findet ein systematischer Betrug statt, ohne dass in ausreichendem Maße dagegen vorgegangen wird.“ - Diese Zwischenbilanz zog der grüne Europaabgeordnete Claude Turmes am Donnerstag zur Halbzeit des Untersuchungsausschusses (EMIS) des Europaparlaments. Der Luxemburger ist selbst Mitglied des Gremiums.
Der EMIS-Ausschuss soll unter anderem der Frage nachgehen, ob die EU-Kommission und nationale Behörden bereits von den manipulierten Abgastests bei VW-Dieselfahrzeugen wussten, bevor der Skandal am 18. September vom US-Umweltschutzamt enthüllt wurde. Der Ausschuss hat seine Arbeit im März 2016 aufgenommen und soll seinen Abschlussbericht bis März 2017 vorlegen.
USA handelten nach Monaten, die EU nach Jahren
„Wieso haben in Europa weder EU-Kommission noch Mitgliedsstaaten frühzeitig gehandelt, obwohl hier die Informationen schon Jahre früher vorlagen als in den USA?“, so Claude Turmes am Donnerstag in Luxemburg. Auch jetzt, Monate nachdem die Machenschaften ans Tageslicht gekommen seien, werde längst nicht alles getan, um den Missständen Abhilfe zu schaffen.
„Jeder kennt die Täter, aber keiner unternimmt wirklich etwas. Das ist im Grunde ein mafiöses System mit Omertà einer CARmorra“, so Claude Turmes in Anspielung auf die Schweigepflicht der Mitglieder krimineller Organisationen gegenüber Außenstehenden. Die europäischen Vorschriften zum Emissionsverhalten würden übrigens nicht nur von Volkswagen missachtet, sondern auch von anderen Herstellern konsequent umgangen, so Claude Turmes.
Kritik an Kooperation der Juncker-Kommission
Bislang habe die Juncker-Kommission dem EMIS-Ausschuss nur sehr langsam und unvollständig angefragte Dokumente übergeben, sagte Claude Turmes. Statt die Fehler der Vorgänger unter den Teppich zu kehren, solle die Juncker-Kommission lieber mit dem Europaparlament an einem Strang ziehen. Wenn man ein robustes System schaffen wolle, müsse man aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.
Bisher wurden in 13 Sitzungen des EMIS-Ausschusses zahlreiche Zeugen gehört, darunter frühere und aktuelle EU-Kommissare, Fachleute im Bereich der Emissionsmessung sowie Vertreter der Automobilkonzerne. In der zweiten Hälfte des Mandats will sich der Untersuchungsausschuss nun den EU-Mitgliedsstaaten zuwenden.
Untersuchungsausschuss besuchte Luxemburg
Am Mittwoch hatten Vertreter des Ausschusses Luxemburg besucht und waren u. a. mit Umweltministerin Carole Dieschbourg, dem Direktor der Zertifizierungs- und Homologationsbehörde SNCH, Claude Liesch, sowie mit Vertretern des Infrastruktur- und Nachhaltigkeitsministeriums zusammengetroffen. Sowohl Claude Turmes als auch ein Ministeriumssprecher sprachen von konstruktiven Unterredungen.
Derzeit wird in Luxemburg übrigens von Ministeriumsseite geprüft, ob es eine juristische Grundlage für Schadenersatzforderungen gegen VW gibt. In diesem Herbst soll zudem ein schon vor dem Dieselskandal in Auftrag gegebenes Audit zur Société Nationale de Certification et d'Homologation vorgestellt werden. Die SNCH war in den vergangenen zwölf Monaten im Zusammenhang mit Homologationszertifikaten verschiedener Autohersteller genannt worden.
In Luxemburg mehr Stickoxid-Opfer als Verkehrstote
„In Luxemburg sind derzeit über 130000 Diesel-Fahrzeuge unterwegs, welche die legalen Grenzwerte um ein Vielfaches überschreiten. Jährlich sterben im Großherzogtum rund 60 Menschen frühzeitig an den Folgen hoher Stickoxid-Belastung. Das sind mehr als bei Verkehrsunfällen ums Leben kommen“, sagte Claude Turmes am Donnerstag.
Um ähnliche Skandale in Zukunft zu verhindern und um ein belastbares System für die Zulassung und Überwachung von Fahrzeugen zu schaffen, müsse die EU-Kommission die Möglichkeit erhalten Fahrzeuge stichprobenartig auf die Einhaltung von Grenzwerten zu testen. Außerdem gelte es, nationale Zulassungsbehörden regelmäßig auf die Einhaltung der EU-Gesetzgebung zu überprüfen und im Betrugsfall empfindliche Strafen zu verhängen.
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