„Der Wettbewerb wird intensiver“
„Der Wettbewerb wird intensiver“
Gerard Cops, vor einigen Jahren entbrannte eine Diskussion um Steuerschlupflöcher und Maßnahmen gegen Gewinnverschiebungen von Konzernen. Beginnt nun mit der Steuersenkung in den USA ein neues Wettrennen um das attraktivste Steuerangebot für Unternehmen?
Es wird sicherlich den Kontext ändern. Vor 2018 hatten die USA ein Unternehmens-Steuersystem, das alles andere als attraktiv war. Die Steuerrate betrug 35 Prozent. Zudem waren US-Unternehmen in den Vereinigten Staaten steuerpflichtig für alle ihre Gewinne, die sie irgendwo auf der Welt erzielten, sobald sie dieses Geld ins Heimatland transferierten. Viele Unternehmen taten das denn auch nicht, sondern ließen das Geld, das sie außerhalb der USA verdienten – rund 3 000 Milliarden Dollar – auch im Ausland. Um der hohen Steuerlast in den USA zu entgehen, haben Firmen strategische operationelle Aktivitäten entwickelt und ließen Vermögenswerte und Gewinne im Ausland, häufig in Niedrigsteuerländern wie Irland oder zu einem gewissen Ausmaß auch in Luxemburg. Diese 35 Prozent Steuern für Unternehmensgewinne war im Vergleich zum OECD-Standard sehr hoch. In den 1980er-Jahren hatten die meisten Länder einen Steuersatz für Unternehmen von 40 bis 50 Prozent. Seitdem fiel der OECD-Durchschnitt auf 23 Prozent. In den USA sanken die Steuern nicht, weswegen das Land in der Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen drastisch verloren hat. Investments und Geschäftsaktivitäten gingen dadurch verloren.
Das wollte Trump ändern ...
Ja, er hatte drei Ziele: „Make America Great again“, indem Industrieproduktion und Investitionen zurückgeholt werden. Das zweite war: Die OECD hat zuletzt eine Vielzahl an Maßnahmen gegen Steuervermeidung und Steuerschlupflöcher eingeleitet; dem wollte sich Trump anpassen und zugleich steuerlich an Wettbewerbsfähigkeit gewinnen. Der dritte Grund für die Reform war – obwohl nicht explizit ausgesprochen – folgender: Die EU ist wiederholt große US-Konzerne, Apple, Starbucks, Amazon wegen illegaler staatlicher Beihilfen von Irland, den Niederlanden und Luxemburg angegangen. In den USA hatte man den Eindruck, dass Europa beschlossen hat, dass diese Länder zu Unrecht große Summen an Steuern von US-Unternehmen zurückfordern sollten, und sie sagten sich dort: Dann ändern wir unsere Steuergesetze, und diese Unternehmen können ihre Aktivitäten und ihren Gewinn in die USA zurückbringen, statt ihn in Irland, Luxemburg oder irgendwo anders in Europa zu parken.
Was genau beinhaltet nun das reformierte Steuergesetz?
Für die Unternehmen sollte es wieder interessant werden, ihr im Ausland Erwirtschaftetes in die USA zu transferieren, dort zu investieren und operationelle Aktivitäten wieder dorthin zu verlegen. Der Steuersatz wurde darum von 35 auf 21 Prozent gesenkt, was unter dem Durchschnitt der OECD liegt. Zudem ging man hin zu einem mehr territorialen Steuersystem. Hinzu kommt eine weitere Maßnahme, die Investitionen in Forschung und Entwicklung in den USA fördern sollen, indem Geld aus dem Ausland, das in den USA investiert wird, nur mit 13,125 Prozent besteuert wird. Wer in Ausrüstung und Maschinen, Fabriken in den USA investiert, kann darüber hinaus seine Investitionen bis zu 100 Prozent steuerlich abschreiben, und zwar nicht erst über Jahre hinweg, sondern sofort.
Ferner hat Washington die Maßnahme ergriffen, alle Auslandsgewinne, die nicht ausgeschüttet werden, selbst wenn sie im Ausland behalten werden, mit acht bis 15,5 Prozent zu besteuern, einfach um damit zu vermeiden, dass dieses Geld in Steueroasen geparkt wird.
Sieht man denn schon einen Effekt all dieser Maßnahmen der US-Regierung?
Ja, wir stellen sehr viele Aktivitäten, sehr viel Bewegung fest. Eine große Zahl von US-Unternehmen transferieren ihre Gewinne und Vermögen in die USA, und viele US-Vermögen, von Asien, China oder anderswoher, werden über Holdings von US-Firmen in Luxemburg in die USA verlagert.
Wir gehen davon aus, dass von den rund drei Billionen Dollar an Geldern, die US-Firmen im Ausland haben, zumindest 1,5 Billionen, auf jeden Fall aber ein bedeutender Teil in die USA abfließen. Das geschieht gerade. Alle Studien gehen davon aus, dass dadurch die Wirtschaft in den USA kurzfristig um 0,5 bis ein Prozent und auf längere Sicht um 0,1 bis 0,7 Prozent jährlich wächst.
Wir gehen davon aus, dass von den rund drei Billionen Dollar an Geldern, die US-Firmen im Ausland haben, zumindest 1,5 Billionen, auf jeden Fall aber ein bedeutender Teil in die USA abfließen.
Auf der anderen Seite besteht die Gefahr, dass die Steuereinnahmen in den USA sinken und sich das Defizit durch die niedrigeren Unternehmenssteuern ausweitet. Das macht manchen Unternehmen Angst, die befürchten, dass bei einem ausgeweiteten Defizit im US-Haushalt die Steuern doch wieder angehoben werden. Darum sind manche noch vorsichtig, weil sie befürchten, wenn sie jetzt Aktivitäten zurückverlagern, es nach einer Steuererhöhung auf vielleicht 26 oder 27 Prozent wieder schwierig sein würde, diese erneut ins Ausland zu verlagern.
Und die Auswirkungen auf Europa?
Fließt, sagen wir einmal, die Hälfte des hier angelegten Vermögens von US-Firmen aus Europa ab, wird es einen bedeutenden Einfluss auf die Liquidität des hiesigen Kapitalmarkts haben. Weniger Liquidität könnte dazu führen, dass Banken für ihre Darlehen höhere Zinsen verlangen werden. Europa verliert auch an Wettbewerb, nicht nur die Hochsteuerländer wie Frankreich, Italien oder Spanien, sondern auch Irland mit dem Niedrigsteuersatz von 12,5 Prozent oder Luxemburg mit seinen 26 bis 28 Prozent, welche aber noch mit vielen Vergünstigungsmöglichkeiten reduziert werden können.
Der Abfluss von US-Geldern kann auch dazu führen, dass die Steuereinnahmen europäischer Staaten sinken, was dazu führen könnte, dass untereinander der Steuerwettbewerb intensiviert wird. Um verlorenes US-Geschäft zu kompensieren, könnte Irland sich zum Beispiel verstärkt darum bemühen, seine Fondsindustrie auszubauen, was mehr Wettbewerb für die luxemburgische Fondsindustrie bedeuten würde. Positiver Effekt auf der anderen Seite: Wenn die US-Wirtschaft boomt, werden auch viele Maschinen und Dienstleistungen aus Europa gekauft.
Eine weitere Folge wird sein, dass US-Unternehmen verstärkt von den USA aus versuchen, Unternehmen in Europa aufzukaufen. Von einer Zunahme an Fusionen und Übernahmen ist auszugehen.
Von einer Zunahme an Fusionen und Übernahmen ist auszugehen.
Besteht die Gefahr, dass künftig US-Firmen weniger in Europa und Luxemburg investieren als bisher? Wie sollte Luxemburg reagieren? Länder wie Belgien oder die Niederlande planen schon Steuersenkungen.
Die Steuerrate mit den besagten Abschreibungsmöglichkeiten in Luxemburg ist im Augenblick gut, aber es muss mit EU-Vorgaben in Einklang gebracht werden, was bedeutet, dass die vielen Möglichkeiten der Steuerreduzierung wegfallen werden, während die Rate von 26 Prozent bestehen bleibt. Das wäre ein Wettbewerbsnachteil, und das Land würde an Attraktivität verlieren. Ich sage nicht, dass wir hier einen Unternehmenssteuersatz von 12,5 Prozent wie Irland brauchen, aber ich sage, dass 26 Prozent deutlich zu hoch sind. Hier muss Luxemburg etwas tun, und zwar rechtzeitig, wenn es auch 2020, 2021 und darüber hinaus wettbewerbsfähig sein will.
Als Abonnent wissen Sie mehr
In der heutigen schnelllebigen Zeit besteht ein großer Bedarf an zuverlässigen Informationen. Fakten, keine Gerüchte, zugänglich und klar formuliert. Unsere Journalisten halten Sie über die neuesten Nachrichten auf dem Laufenden, stellen politischen Entscheidern kritische Fragen und liefern Ihnen relevante Hintergrundgeschichten.
Als Abonnent haben Sie vollen Zugriff auf alle unsere Artikel, Analysen und Videos. Wählen Sie jetzt das Angebot, das zu Ihnen passt.
