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Das Weltwirtschaftsforum als Feindbild für Verschwörungsanhänger
Wirtschaft 3 Min. 12.01.2023
Davos

Das Weltwirtschaftsforum als Feindbild für Verschwörungsanhänger

Jedes Jahr trifft sich in der Schweiz die Elite aus Wirtschaft und Politik. Für viele ist das verdächtig.
Davos

Das Weltwirtschaftsforum als Feindbild für Verschwörungsanhänger

Jedes Jahr trifft sich in der Schweiz die Elite aus Wirtschaft und Politik. Für viele ist das verdächtig.
Foto: AFP
Wirtschaft 3 Min. 12.01.2023
Davos

Das Weltwirtschaftsforum als Feindbild für Verschwörungsanhänger

Über das Weltwirtschaftsforum in Davos vereinen sich seit der Pandemie sich viele Verschwörungsmythen zu einer Super-Erzählung.

(dpa) – Wenn am kommenden Montag das Weltwirtschaftsforum (WEF) im schweizerischen Davos beginnt, dann werden Politik und Wirtschaft dort den privaten Autobesitz verbieten und die Tötung von Haustieren fordern. Kaum zu glauben. Und natürlich stimmen diese Behauptungen nicht. Es sind Desinformationen, die breit unter Verschwörungsanhängern kursieren.

Für sie ist das 1971 gegründete Weltwirtschaftsforum zu einer Art Zentrum des Bösen geworden. „Große ökonomische Zusammenschlüsse wie das Weltwirtschaftsforum sind gerne Projektionsflächen für Verschwörungserzählungen, weil dort verschiedenste Menschen mit Macht zusammenkommen, um sich auszutauschen“, sagt Politikwissenschaftler Jan Rathje vom Center für Monitoring, Analyse und Strategie (CeMAS) der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Das CeMAS untersucht Radikalisierungstendenzen und Verschwörungserzählungen im Netz.

Pandemie als Beschleuniger

Besonderen Anschluss haben solche Behauptungen seit Beginn der Corona-Pandemie gefunden. Im Jahr 2020 stellte WEF-Gründer Klaus Schwab die Initiative „The Great Reset“ und sein fast gleichnamiges Buch vor. Darin betrachtet er die Pandemie als Chance, Gesellschaften und die globale Wirtschaft gerechter, sozialer und ökologisch nachhaltiger zu gestalten.


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Doch der „Great Reset“ wird unter Verschwörungsanhängern „als ein Signal gewertet, dass sich die Welt nun grundsätzlich verändern solle, und zwar auf Grundlage einer Verschwörung der Menschen, die sich bei einem Treffen wie dem Weltwirtschaftsforum zusammengefunden haben“, sagt Rathje. Oft gilt die Pandemie in dieser Vorstellung als absichtlich erzeugt.

Verbot von Privatautos

In den Glauben an eine erzwungene Umgestaltung der Welt passen dann die unterschiedlichsten Behauptungen: Aus einem Appell, Fahrzeuge öfter mal zu teilen, bekannt als „Sharing Economy“, wird die Lüge, das WEF wolle Privatautos verbieten. In einem WEF-Aufnäher auf der Uniform von Schweizer Polizisten sehen Verschwörungsanhänger den Beleg, dass das Wirtschaftstreffen seine eigene Polizei besäße, ganz wie ein Staat.

Premierminister Xavier Bettel traf im vergangenen Jahr unter anderem mit dem früheren Microsoft-Chef Bill Gates zusammen. Gates ist immer wieder Gegenstand von Verschwörungsmythen.
Premierminister Xavier Bettel traf im vergangenen Jahr unter anderem mit dem früheren Microsoft-Chef Bill Gates zusammen. Gates ist immer wieder Gegenstand von Verschwörungsmythen.
Foto: Twitter

„Letztlich sind es alles Verschwörungserzählungen, die darauf abzielen, das Volk leiden zu lassen, und die unterstellen, dass die Eliten gegen den Willen des Volkes irgendetwas umsetzen werden“, sagt Politikwissenschaftler Rathje. So sei der „Great Reset“ wie eine Aktualisierung bestehender Verschwörungsideologien.

Besonders im Fokus der Desinformation: der deutsche WEF-Gründer Klaus Schwab. „Die Personifizierung einer Verschwörungstheorie passt in das Weltbild von Gut und Böse“, sagt Psychologin Lotte Pummerer vom Leibniz-Institut für Wissensmedien (IWM) in Tübingen.

Lebensmittel nur für Geimpfte

So verkündete etwa ein gefälschter Twitter-Account unter Schwabs Namen, dass bei Engpässen nur Geimpfte Lebensmittelpakete bekämen. Eine frei erfundene Aussage. Mal wird seinem Vater eine Vergangenheit als Vertrauter Adolf Hitlers angedichtet, mal soll der Wirtschaftswissenschaftler Teil der Bankiersfamilie Rothschild sein – eine antisemitische Chiffre für vermeintlich im Verborgenen agierende jüdische Machthaber.

Die teils abstrusen Vorstellungen können reale Folgen haben. „Wir haben in der Forschung gesehen, dass Verschwörungstheorien zu einem stärkeren Misstrauen in Politik und in andere Menschen führten“, sagt Pummerer. „Verschwörungsanhänger haben auch weniger Vertrauen in andere Menschen und halten sich seltener an soziale Normen. Das hat Konsequenzen für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“

Nicht jede Kritik ist eine Verschwörungstheorie

Doch nicht jeder Unmut über das Weltwirtschaftsforum ist gleich ein Mythos. „Es ist wichtig, zwischen Verschwörungsideologien und Kritik zu unterscheiden“, sagt Politikwissenschaftler Rathje. Kritik an den Herrschenden und Mächtigen sei wichtig für liberale Demokratien. Sie dürfe aber die Komplexität von Ereignissen nicht so weit reduzieren, dass es sich nur um eine Verschwörung von Eliten handeln könne.


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„Es ist ein Kern von Verschwörungstheorien, dass Handlungen immer von böswilliger Absicht bestimmt gesehen werden“, sagt Psychologin Pummerer. „Das unterscheidet sie von sachlicher Kritik, die auf Fakten fußt und Veränderung herbeiführen möchte.“


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